Pegaso: Ein spanischer Exot in Le Mans

Le Mans, Juni 1953: Das 24 Stunden-Rennen ist der dritte Lauf der neu geschaffenen Sportwagen-Weltmeisterschaft. Zuvor war Cunningham beim Eröffnungsrennen in Sebring (12 Stunden) siegreich und Ferrari bei der Mille Miglia. In Le Mans versammelt sich nun die gesamte Elite der Sportwagen-Hersteller (mit Ausnahme von Mercedes), mit einer Dichte an Werksteams, die auch in den sieben Jahrzehnten danach allenfalls in einer Handvoll Jahren erreicht wurde, Beispiele waren 1955, 1989, 1998/99 und 2023/24.

Die favorisierten Teams kommen aus Italien (Ferrari, Alfa Romeo, Lancia), den USA (Cunningham) und Großbritannien (Jaguar), Außenseiterchancen haben Talbot-Lago, Allard, Nash-Healey, Aston Martin und Gordini. Weitere Werksteams mit kleineren Motoren (2,0-2,7 Liter) sind Bristol, Gordini, Frazer-Nash und Austin Healey. Insgesamt treten 21 Werksteams zur technischen Abnahme und zum Training an.

Nein, es sind 22! Denn ein Werksteam aus Spanien komplettiert die Entry-Liste: „Pegaso“ (geflügeltes Pferd aus der griechischen Mythologie). Dies ist die kurze Geschichte des iberischen Teams, das 1952-1954 nur ein einziges Mal in einem Rennen der Sportwagen-WM startete. Im Mittelpunkt steht der Typ „Z102“, ein Rennsport-Roadster, der 1952 und 1953 in Le Mans gemeldet war. 1952 trat das Pegaso-Team (3 Fahrzeuge) aber nicht an, und 1953 wurden die Autos des Teams nach einem schweren Unfall im Training zurückgezogen.

Pegaso Z102, Le Mans 1953

Doch der Reihe nach: Die Produktion der berühmten Edel-Manufaktur „Hispano-Suiza“ wurde 1938 in Paris eingestellt und danach noch in Barcelona weitergeführt. Nach dem Krieg gingen die Betriebsanlagen in spanisches Staatseigentum über und erhielten den Namen „ENASA“ („Empresa Nacional Autocamiones Sociedad Anonima“). Unter dem Namen „Pegaso“ wurden zunächst nur Nutzfahrzeuge gebaut – die LKW-Produktion wurde im Übrigen bis 1994 fortgeführt.

1946 übernahm Wifredo Ricart die technische Leitung. Er war kein Unbekannter: In den Jahren 1936 bis 1945 arbeitete er als Technischer Direktor bei Alfa Romeo, als Nachfolger des legendären Vittorio Jano. Alfa Romeo baute damals als Staatsbetrieb nicht nur teure, exklusive und technisch brillante Sportwagen und Grand Prix Rennwagen, sondern auch Flugmotoren u.a. für Mussolinis Luftwaffe. So ist es nicht überraschend, dass Ricart nun beim spanischen Hersteller die Idee kam, die Welt, seinen alten Arbeitgeber Alfa und besonders Enzo Ferrari mit einem Supersportwagen zu beeindrucken, der seine Qualitäten natürlich auch auf der Rennstrecke beweisen sollte. In den Jahren 1951 bis 1957 entstanden die exklusiven und technisch äußerst aufwändigen Sportwagen, deren Produktionszahlen (insgesamt um die 100) und Sporterfolge allerdings niemals an die Konkurrenz aus Norditalien, England oder Deutschland (300 SL) heranreichten.

Den ersten Pegaso Sportwagen „Z 102“ aus Barcelona sah man 1951 auf dem Pariser Autosalon, mit einem V8-Motor mit je zwei obenliegenden Nockenwellen, Transaxle-Getriebe (an der Hinterachse), De Dion-Hinterachse und weiteren Zutaten eines State-of-the-Art Sportwagens der damaligen Zeit. In Paris wurden zwei Prototypen (Coupé und Roadster) mit eigener Stahlkarosserie vorgestellt, die dann folgenden Pegaso wurden von bekannten Karosseriefirmen eingekleidet. Darunter waren die Touring-Entwürfe von Bianchi Anderloni besonders elegant.

Technische Daten des Z102 (1951-1954):

V8-Motor vorn, 2,8 Liter (80x70mm=2816ccm) mit 170 PS oder 2,5 Liter (75x70mm=2472ccm) mit Kompressor, 260 PS. Später auch mit 3,2 Liter Hubraum (3178ccm). Alu-Zylinderkopf, Stahl-Motorblock*, 2 obenliegende Nockenwellen je Zylinderreihe („2 OHC“), 4 Ventile pro Zylinder, desmodromische Ventilsteuerung*, 4 Doppelvergaser, Trockensumpfschmierung, 5 Gänge, Getriebe an der Hinterachse, Trommelbremsen, hinten innen liegend. Plattformrahmen, Alu-Karosserie, z.B. von Touring. DeDion-Hinterachse, Drehstabfederung v/h, Abmessungen LxB 4084x1600mm*, Radstand 2337mm*, als Le Mans-Roadster knapp 1000 kg.       (*Angaben je nach Quelle unterschiedlich)

Renneinsätze:

Die Renneinsätze der Pegaso-Sportwagen waren sporadisch und erfolglos. Die überaus komplexe Technik des Z102 war Segen und Fluch zugleich. Auf dem Papier konnte kaum einer der Protagonisten der Sportwagenszene 1952/53 Gleichwertiges entgegensetzen. Aber das Resultat sah anders aus. Pegaso – das Auto und das Einsatzteam – traf als absoluter Neuling ohne Rennpraxis auf Konkurrenten mit bereits erfolgreicher Agenda. Trotzdem wollte man in Barcelona alles im eigenen Haus entwickeln, obwohl die Voraussetzungen – qualifizierte Ingenieure und Techniker, Netzwerk spezialisierter Zulieferer – viel ungünstiger waren als z.B. in Norditalien, den englischen Midlands oder in Baden-Württemberg. Die Motivation und Erfahrung Ricarts konnte diese Defizite nicht ausgleichen.

Die erste Meldung zu einem Sportwagenrennen mit internationalem Format erfolgte für den Grand Prix Monaco im Juni 1952, der in dem Jahr für Sportwagen ausgeschrieben war. Die beiden Z102 waren aber bei weitem noch nicht aussortiert und überstanden das Training nicht. Die Teilnahme in Le Mans 1952 (gemeldet waren zwei Fahrzeuge plus eine Reserve) wurde daraufhin abgesagt. Bei nationalen Bergrennen versuchte man, die für die großen Endurance-Prüfungen der Sportwagen-WM notwendige Rennpraxis zu sammeln und die Fahrzeuge abzustimmen.

Nächster Versuch: Le Mans 1953. Für das Rennen wurden drei Z102 gemeldet, davon ein Auto als Reserve. Statt dem bereits bei Rennen und Tests eingesetzten Touring-Roadster zu vertrauen, ging man mit dem „Bisiluro“ ein weiteres Experiment ein. Hier rückte der Fahrersitz an den äußersten rechten Rand der Karosserie, und er wurde durch eine enge Plexiglas-Kuppel überdacht, die Räder waren durch aerodynamische „Spats“ abgedeckt. Diese Le Mans-Specials fielen aber einem Brand bei Pegaso zum Opfer, so dass man für das Rennen wieder auf die bekannten Roadster zurückgriff, die vom 2,5 Liter-V8 mit Kompressor angetrieben wurden. Aber erneut schafften es die beiden Pegaso nicht an die Startlinie.

Fahrzeug Nr. 0145, Startnr. 28, Fahrer: Jover – von Metternich  /  Fahrzeug Nr. 0127, Startnr. 29, Fahrer: Power – Cardona – Fernandez (Reserve: Fahrzeug 0142). Das gemeldete Reserveauto kam  nicht nach Le Mans.

Das Auto mit der Nr. 28 unterschied sich von der Nr. 29. Bei der Nr. 28 war der Beifahrersitz abgedeckt, bei der Nr. 29 nicht. Und die Nr. 28 hatte seitlich vorn und hinten zusätzliche Bleche (Schutzbleche?) montiert, diese fehlten bei der Nr. 29. Außerdem war der seitliche Auspuff bei der Nr. 28 zum Teil aerodynamisch verkleidet. Man muss sich also bei einem Bausatz auf eine der beiden Versionen festlegen. In diesem Bericht geht es nur um die Nr. 29, obwohl die 28 teamintern prominenter besetzt war: Juan Jover aus Barcelona war u.a. durch seine Le Mans-Starts mit Delage (1949 Platz 2) bekannt, und Paul Alfons von Metternich kannte man seit seinen Rennen mit dem Porsche 356 (u.a. Carrera Panamericana 1952). Unter den Piloten der Nr. 29 war Joaquin Palacio Power Werksfahrer bei Pegaso, er war schon in den 1930er Jahren aktiv und 1953 bereits 53 Jahre alt. Beide Autos nahmen am Training teil. Dabei erlitt Jover mit der Nr. 28 einen schweren Unfall bei hoher Geschwindigkeit, bei dem er schwer verletzt wurde. Der Wagen war erheblich beschädigt, und in der Folge zog man bei Pegaso die Nr. 29 vom Start zurück – also wieder keine Teilnahme am Rennen in Le Mans.

Zwei Anmerkungen: Der Pegaso Nr. 28, Fahrzeugnummer 0145, wurde danach wiederhergestellt und noch in Rennen eingesetzt. Er wurde dann restauriert und existiert in der Optik des Le Mans-Autos Nr. 29 heute noch. Von der Nr. 29 liegt mir allerdings kein einziges Foto vom Training in Le Mans vor, lediglich Bilder von Modellen in 1/43 und 1/24.

Nach diesem unglücklichen Auftritt in Le Mans sagte Pegaso die Teilnahme am folgenden 12 Stunden-Rennen in Reims ab und kam auch nicht mehr zu den letzten Rennen der 1953er Sportwagen-WM – die Wagen waren dafür einfach noch nicht aussortiert. Die Saison klang mit Starts bei lokalen Bergrennen und mit Geschwindigkeitsfahrten aus.

Der wichtigste internationale Start des Jahres 1954 war die Teilnahme eines Z102 bei der Carrera Panamericana im November. Zuvor waren Pegaso in den USA (Rennen des Sportscar Club of America) sowie in Spanien und Südfrankreich unterwegs, das waren Sprintrennen, meist in Privateinsatz, und die Ausbeute war bis auf einen Sieg in Spanien (Coppa Montjuich) recht dürftig. Bei der Carrera setzte Pegaso einen „Z102BS“ mit einem 3,2 Liter-Kompressormotor ein, gemeldet von Rafael Trujillo, dem Präsidenten der Dominikanischen Republik, unter dem Namen „El Dominicano“. Joakim Palacio Power war der Pilot, Celso Fernandez der Kopilot, dazu kamen ein paar Mechaniker aus Spanien. Hier kam es nun zum ersten Start eines Pegaso bei einem WM-Rennen (Startnummer 10). In den ersten drei Etappen hielt sich der Wagen ganz ordentlich, aber während der vierten Etappe hatte er einen schweren Unfall, in den noch drei weitere Fahrzeuge verwickelt waren, darunter der Borgward 1500RS mit Karl-Günther Bechem. Der Pegaso überschlug sich und fing Feuer, beide Piloten wurden verletzt, das Rennen war damit natürlich zu Ende. Es war der einzige und letzte Auftritt eines Pegaso Rennsportwagens in der Sportwagen-WM. 1955 kam der Touring Roadster mit einem 2 OHC-Kompressormotor noch einmal zum „Hausrennen“ Coppa Montjuich und holte dort Platz 3 mit Fernandez, dann war die Zeit der Pegaso-Sporteinsätze im Wesentlichen abgelaufen.

Modelle in 1/43 des Z102:

Der Z102 in der Form des Touring Roadsters wurde als Version Le Mans 1953 und Carrera Panamericana 1954 von diversen 1/43-Herstellern produziert:

JAL43 (Kit), Le Mans 1953, Nr. 28 und Carrera 1954  /  Provence Moulage (Kit), Le Mans 1953, Nr. 28, 29 und Carrera 1954  /  Kitcar43 (Kit ca. 200 €), Le Mans 1953, Nr. 28, 29  /  Salvat: Diecast made by IXO, Le Mans 1953, Nr. 28

In 1/24: Kit von Escuderia24  /  In 1/32: Slot Classic

Z102 „Bisiluro“, Prototyp für Le Mans 1953: JAL43 (Kit), Kitcar43 (Kit), Bizarre (Resincast)

Und dazu passend der Pegaso Renntransporter „Balcalao“: 1/43-Modell vom Hersteller Modeltrans

1/43-Modelle der Straßenautos und der Pegaso-LKW werden hier nicht genannt.

Das hier im Folgenden vorgestellte Modell des Pegaso Z102, Le Mans 1953, Nr. 29, wurde bei dem italienischen Modellhändler „Automodelista.it“ bezogen, die Karosserie und die Bodengruppe sind offenbar Nachgüsse des Provence Moulage-Modells, das bereits lange vergriffen ist.

Pegaso Z102, Le Mans 1953, Nr. 29 von „automodellista.it“:

Der bei „automodellista.it“ aktuell (Anfang 2025) noch lieferbare Resine-Kit besteht aus einer Karosserie und Bodenplatte mit Sitzen, beide Teile sind sehr wahrscheinlich Nachgüsse des Provence Moulage-Modells (die Nr. 481 im Gussteil der Bodenplatte entspricht jedenfalls der Seriennummer des Provence Moulage-Modells). Die Karosserie stellt dabei die Startnummer 29 des Rennens in Le Mans 1953 dar, für die Startnummer 28 sind zwar die Decals ebenfalls vorhanden, die Karosserie müsste dann aber wie oben beschrieben geändert werden (Abdeckung der Beifahrerseite, Schutzbleche vorn und hinten seitlich).

Die weiteren Teile des Bausatzes entsprechen der üblichen Ausstattung der Provence Moulage-Kits aus den 1980er/1990er Jahren, also mit vielen Ätzteilen (einige sind entbehrlich), Scheinwerfereinsätzen, diversen Kleinteilen und im Übrigen sehr schönen Speichenfelgen, die allerdings in Alu-silber lackiert werden sollten. Das Lenkrad ist sehr simpel, das kann man aber durch ein schönes Lenkrad aus dem 1/43-Zubehörsortiment ersetzen (siehe Foto). Außerdem ist es zweifelhaft, ob es dem Modellbauer gelingt, die Plexi-Abdeckung der Frontscheinwerfer mit Hilfe der Formvorlage im Bausatz halbwegs bündig anzubringen. Die Decals sind relativ dick, das erschwert die saubere Aufbringung auf die Karosserie, insbesondere beim roten Streifen auf der Frontpartie. Die Karosserie sollte vor der Lackierung besonders sorgfältig entfettet werden, das muss bei diesem Bausatz intensiver erfolgen als bei Provence Moulage oder Starter üblich.

Ansonsten ist die Montage einfach, und am Ende kann man ein attraktives Modell in weißer Lackierung mit roten Längsstreifen (gelb eingefasst, den spanischen Nationalfarben entsprechend) neben die üblichen Sportwagen der 1950er Jahre stellen.

Quellen: Mike Lawrence, Directory of Classic Sportsracing Cars, Aston Publications, 1988

Internet-Webseiten: racingsportscars  /  ultimatecarpage  /  wikipedia  /  classics.com  /  conceptcarz  /  motorsportmemorial  /  escuderia.com  /  lugenlosmotores.cl  /  revistacar.es

Webseiten (Modelle in 1/43 und 1/24): scalemates  /  worthpoint

Dieser Beitrag wurde unter 3 Endurance Racing veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..