Das Jahr 1961 markierte in zweierlei Hinsicht eine Zeitenwende in der Sportwagen-Szene: Zum einen war es die letzte Saison der traditionellen „Sportwagen-Weltmeisterschaft“, die in den Jahren 1953 bis 1961 sieben Mal von Ferrari gewonnen wurde (sowie je einmal von Mercedes und Aston Martin). Sie wurde 1962 abgelöst von der Weltmeisterschaft für GT-Fahrzeuge und den Weltpokal für Prototypen („Challenge Mondial“) – siehe Bericht zur Sportwagen-Historie. Und zum anderen vollzogen die Hersteller der Rennsportwagen (bzw. Sport-Prototypen) den Schritt vom Front- zum Mittelmotorkonzept, der 1958/59 bereits die Formel 1 revolutioniert hatte (siehe Bericht „Sportwagen im Wandel“). Ferrari setzte bei den Sportwagen neben dem bewährten Frontmotor-Modell 250 Testa Rossa nun den 246 SP mit Mittelmotor ein, und Modena, Heimatort von Maserati, folgte Maranello auf dem Weg in die neue Zeit, obwohl Chefkonstrukteur Giulio Alfieri nur ein äußerst knappes Budget zur Verfügung stand.
Vielleicht wäre es unter diesen Beschränkungen eine bessere Idee gewesen, den Frontmotor-T61 „Birdcage“ für die Saison 1961 weiter zu optimieren. Immerhin war er 1960 der schnellste aller Rennsportwagen, allerdings auch häufig von Defekten geplagt. Aber das Mittelmotorkonzept war nun einmal angesagt. Jedenfalls verblieb der T61 auf dem Stand von 1960, und der neue T63 gelangte erst in der zweiten Saisonhälfte 1961 allmählich zur Rennreife. Und 1962 wurde er schon wieder von einem Nachfolger, dem T64, ersetzt. So gelang es Maserati schließlich nicht, den bewährten und stetig weiter entwickelten Sportwagen von Ferrari und Porsche nachhaltig die Stirn zu bieten.
1960 begann Alfieri mit der Entwicklung des T63. Das berühmte Konzept des Gitterrohrrahmens wurde ebenso wie viele andere Details vom T61 übernommen, zunächst auch der 3-Liter-Vierzylindermotor, der allerdings mit seinen 260 PS ein Leistungsdefizit gegenüber dem Hauptkonkurrenten Ferrari mit seinem 3-Liter-V12 aufwies. Der T63 war mit einem Radstand von 2,20m sehr kompakt. Er war nun an der Hinterachse mit einer unabhängigen Radaufhängung mit Schraubenfedern (gegenüber der DeDion-Achse mit Querblattfeder beim T61) ausgestattet. Probefahrten fanden ab Mitte Dezember 1960 zunächst mit einem „Muletto“ (Fg.-Nr. 002) statt, und für die Sportwagen-Saison 1961 wurden zunächst vier, später zwei weitere Fahrzeuge gebaut und an drei renommierte Privatteams verkauft – ein Werkseinsatz war bei Maserati schon seit 1959 nicht mehr vorgesehen.
Die Fahrzeuge 63002 und 63010 gingen an Briggs Cunningham (USA), 63006 an das US-Team Camoradi (Camoradi steht für „Casner Motor Racing Division“ von Lloyd Casner) und 63004 bzw. 63008 an die Scuderia Serenissima von Graf Volpi (Italien). Den traditionellen Rennfarben gemäß waren die US-Maserati weiß mit blauen Streifen (Cunningham doppelt, Camoradi einfach) und die italienischen T63 rot lackiert. Später im Jahr wurde noch ein weiterer T63 mit längerem Radstand gebaut (63002LWB), er ging ebenfalls an das Cunningham-Team. Man begann die Saison zunächst mit den Vierzylindermotoren aus dem T61, aber ab Le Mans im Juni 1961 fuhr der T63 dann mit aus dem Maserati Formel 1 von 1957 abgeleiteten 3-Liter-V12-Motoren mit ca. 320 PS. Zum Saisonende kehrte man zumindest bei einem der T63 wieder zur DeDion-Hinterachse zurück – das Fahrwerk war von Anfang an ein kritischer Punkt beim T63.
Renneinsätze des Maserati T63 – Sportwagen-Weltmeisterschaft
Renndebut 12 Stunden von Sebring, 25. März 1961: 63002, Cunningham, Nr. 20, Hansgen – McLaren, 2,9-Liter-Vierzylinder, Ausfall / 63006, Camoradi, Nr. 24, Gregory – Casner – Moss, 3,0 Liter-Vierzylinder, Ausfall. Beide T63 mit kurzer Schnauze. Sie erreichten Sebring erst wenige Tage vor dem Training, z.T. noch zerlegt in Einzelteile.
Le Mans-Test, 9. April: 63004 und 63008, Scuderia Serenissima / 63002 Cunningham, alle noch mit kurzer Schnauze. Eines der Serenissima-Fahrzeuge war erstmals mit dem neuen V12-Motor ausgestattet, ansonsten hatten die anderen T63 noch den Vierzylinder-Motor.
Targa Florio, 30. April: 63004, Serenissima, Nr. 158, Maglioli – Scarlatti, lange Schnauze, mit Finne auf dem Heck. 5. Platz. / 63008, Serenissima, Nr. 152, Vaccarella – Trintignant, lange Schnauze, ohne Finne, 4. Platz. Beide Fahrzeuge sehr wahrscheinlich mit Vierzylindermotoren.
1000 km Nürburgring, 28. Mai: 63004, Serenissima, Nr. 6, Maglioli – Trintignant, lange Schnauze, mit Finne, Ausfall / 63008, Serenissima, Nr. 7, Scarlatti – Vaccarella, lange Schnauze, ohne Finne, Ausfall. Beide Fahrzeuge sehr wahrscheinlich mit Vierzylindermotoren.
Le Mans, 11. Juni: 63002, Cunningham, Nr. 7, Thompson – Pabst, 4. Platz, lange Schnauze, 3-Liter-V12 Motor (mit Überrollbügel) / 63010, Cunningham, Nr. 6, Hansgen – McLaren, Ausfall, lange Schnauze, 3-Liter-V12-Motor (ohne Überrollbügel) / 63008, Serenissima, Nr. 9, Scarfiotti – Vaccarella, Ausfall, lange Schnauze, 3-Liter-V12-Motor (ohne Überrollbügel). Alle drei V12-Motoren hatten jeweils unterschiedliche Bohrungs- und Hubabmessungen! (Anmerkung: David Blumlein schreibt in seinem Report „Mid-Engined Maseratis au Mans“ in „Four Small Wheels“ allerdings, dass die Nr. 9 nicht der T63 Nr. 63008 war sondern der neu aufgebaute „Muletto“ Nr. 002).
Gran Premium Pescara (4 Stunden), 15. August: 63004, Nr. 2, Serenissima, Vaccarella, Ausfall, Vierzylindermotor. / 63008, Nr. 8, Serenissima, Bonnier – Trintignant, Ausfall, V12-Motor.
Sportwagen-WM: Maserati belegt Platz 2 hinter Ferrari mit einem Sieg des alten T61 am Nürburgring und zwei vierten Plätzen des T63 in Le Mans und bei der Targa Florio.
Rennen in den USA 1961 (SCCA-Rennserie)
Renneinsätze der Cunningham-T63, z.T. genannt von Cunninghams Chefmechaniker Alfred Momo: Bridgehampton, 5. August: 63010, Hansgen, Nr. 60, Sieg. / Road America, 10. September: 63010, Hansgen – Pabst, Nr. 61, Sieg; 63010LWB, Nr. 62, Thompson – Kimberly – Cunningham, 9. Platz / Watkins Glen, 23. September: 63010, Hansgen, Nr. 60, 2. Platz / Riverside, 15. Oktober: 63010, Nr. 60, Pabst, Ausfall (63002LWB nur im Training) / Laguna Seca, 22. Oktober: Nr. 61, Pabst, Ausfall
Nassau Trophy, 10. Dezember: 63004, Serenissima, Nr. 15, Vaccarella, 29. Platz.
Modelle des T63 in 1:43
Die beiden am häufigsten modellierten T63 sind die Le Mans-Fahrzeuge, (a) Cunningham Nr. 7 (4. Platz) und (b) Scuderia Serenissima, Nr. 9 (Ausfall). Der Cunningham-T63 wurde bereits von AMR, BBR und vom 1:43-Pionier Manou produziert, außerdem von MA Scale und in der Serie „Pinko“ von Gamma als Resincast-Fertigmodell. Den roten Serenissima-T63 gab oder gibt es als Bausatz von Manou, Jade und MA Scale sowie ebenfalls als Resincast-Fertigmodell von Pinko.
Die sehr schönen Manou-Bausätze (frühe Versionen in Metall, neuere in Resine) konnte man – außer bei Ebay – wohl nur noch beim Erzeuger höchstpersönlich erwerben: Jacques Simonet hatte bis 2014 immer noch seinen kleinen Laden in der Innenstadt von Le Mans – ein Besuch war ein „Muss“ für Modellsammler, entweder Besucher des 24-Stunden-Rennens oder Urlauber auf dem Weg in die Bretagne.
Für die weiteren Versionen des Maserati T63 (Sebring, Targa Florio, Nürburgring, Pescara, US-Rennen) fanden sich bislang nur die Resine-Bausätze des amerikanischen Anbieters „MA Scale“, die einigen Aufwand des Modellbauers erfordern. Neu im Angebot sind (Stand 2014) die Sebring-Fahrzeuge (Nr. 20, 24) bei Gamma (Serie „Pinko“) als Resincast-Fertigmodelle im Preisbereich um die 60 Euro.
Le Mans, Nr. 6 (Cunningham): Pinko / Sebring, Nr. 20 (Cunningham): MA Scale / Targa Florio, Nr. 158 (Serenissima): MA Scale (und früher auch: John Day) / Nürburgring, Nr. 6 (Serenissima): MA Scale / Pescara Nr. 2 und Nr. 8 (Serenissima ): MA Scale / Road America und Riverside: Nr. 61 (Cunningham): MA Scale.
T63 Sebring 1961, Nr. 24 (Camoradi), Resincast-Fertigmodell von Gamma (Pinko)
Das Gamma-Modell ist bei einem Preis um die 60 Euro (2014) eine sehr gelungene Resincast-Replik mit nur wenigen kritischen Punkten, die den Gesamteindruck auch nur geringfügig beeinträchtigen bzw. die der Modellbauer relativ leicht korrigieren kann. Form, Maßstab und Lackierung sind tadellos, und bis auf eine kleine Einschränkung (siehe unten) gilt dies auch für die Decal-Beklebung. Besonders schön ist der vor dem Fahrersitz sichtbare Teil des überaus komplexen Gitterrohrrahmens, bestehend aus mehreren filigranen Ätzteilen. Dazu gehört ein ebenso filigranes Lenkrad mit drei gelochten Speichen, jeweils im Winkel von 120 Grad zueinander – ebenfalls korrekt. Dass der Fahrersitz keine Gurte hatte, ist wohl auch zutreffend. Gurte in aktuellen, restaurierten Fahrzeugen sind kein stichhaltiger Hinweis auf die Ausstattung des Originals zur aktiven Zeit. Die Speichenfelgen sind ebenfalls sehr gelungen, bei einem Modell dieser Preisklasse keine Selbstverständlichkeit. Der Felgenrand ist aus poliertem Metall gefertigt, damit sehen die Felgen allerdings glänzender aus als beim Vorbild, dort waren sie in Alusilber lackiert. Hier kann sich der Modellbauer entscheiden, den Glanz so zu belassen oder ihn durch Alu-Farbe nachträglich zu reduzieren.
Abgesehen davon liefern nur zwei kleinere Details Anlass zur Kritik: Der Überrollbügel ist etwas zu dünn geraten – er kann leicht ersetzt werden. Und innerhalb der vorderen Kühlöffnung sind beim Modell vor dem Grill noch kleinere Flächen in weiß sichtbar, also nicht vollständig vom blauen Decal abgedeckt. Das war so nicht beim Original-Fahrzeug, es kann aber nachträglich mit blauer Farbe korrigiert werden. Über einen weiteren Punkt lässt sich diskutieren: Der T63 hatte seine vorderen Scheinwerfergläser beim Rennstart in Sebring offenbar durch vermutlich hellgraue Schutzfolie abgedeckt. Andere Fotos (vom Training?) zeigen den Maserati aber auch ohne diese Schutzfolien. Es bleibt dem Modellbauer überlassen, welche Variante er bevorzugt.
Quellen:
Die wohl ausführlichste Quelle ist das Buch von Willem Oosthoek, Maserati Tipo 63, 64, 65 – Birdcage to Supercage, Dalton Watson 2004. Es lag mir für diesen Bericht allerdings nicht vor. Eine schöne ältere Quelle ist: Joel E. Finn, Maserati: The Postwar Sportsracing Cars. John W. Barnes Jr., New York, 1977.
Weitere Quellen: Siehe Rubrik “Über diese Seite” → “Anmerkungen zu Minerva Endurance”.