Die klassische Epoche: Die großen Werke im Wettbewerb um Titel und Verkaufszahlen (Bericht von 2012)
Die 1950er Jahre, vor allem der Zeitraum 1952 bis 1957, bildeten die klassische Epoche der Langstrecken- und Sportwagenrennen. Alle Grand Prix-Piloten fuhren damals auch Sportwagenrennen, und praktisch jeder Sportwagenhersteller war zumindest zeitweise mit einem Werksteam bei der Markenweltmeisterschaft vertreten. In erster Linie: Ferrari, Maserati, Alfa und Lancia aus Italien, Jaguar und Aston Martin aus England, Mercedes aus Deutschland, Talbot und Gordini aus Frankreich und Cunningham aus den U.S.A. sowie Porsche und OSCA in der kleineren Hubraumklasse.
Im Gegensatz zur Formel 1 gab es kaum technische Begrenzungen, allerdings musste bei den meisten Rennen mit handelsüblichem Benzin gefahren werden. So führte der zunehmende Prestigekampf der Marken zu immer schnelleren Fahrzeugen, mit denen die damaligen Rennstrecken und Straßenkurse wie Mille Miglia oder Carrera Panamericana nicht mehr Schritt halten konnten. Die daraus folgende Unfallserie war dann beinahe zwangsläufig. Die Katastrophe von Le Mans 1955 (über 80 Tote unter den Zuschauern) und schwere Unfälle bei der Mille Miglia und der Carrera Panamericana hatten einschneidende Folgen: Modernisierung der Rennkurse (z.B. in Le Mans) und Abschaffung der Straßenrennen, bei denen – ähnlich wie in den 1980er und 1990er Jahren bei Rallyes – die Zuschauer direkt am Straßenrand standen. Nur die Sportwagen selbst kamen noch bis 1957 ungeschoren davon, erst ab 1958 wurde der Hubraum der echten Rennsportwagen auf drei Liter begrenzt. Daneben rückten aber ab 1956 die aus der Serie abgeleiteten „Gran Tourismo“-Sportwagen immer mehr in den Vordergrund – sie stellten wieder den Bezug zum normalen Straßensportwagen her.
1954: Ferrari verteidigt seinen Titel
Während Mercedes die Formel 1 eroberte, verteidigte Ferrari souverän seinen Titel als Sportwagen-Weltmeister. Fiel die erste Meisterschaft 1953 noch sehr knapp aus, blieb Ferrari in diesem Jahr deutlich vor Lancia. Obwohl das neben Le Mans wichtigste Rennen, die Mille Miglia, an Ascari mit dem Lancia D 24 verloren ging, war der große 5-Liter-V12-Ferrari 375 Plus der Wagen des Jahres: Er siegte knapp vor dem neuen Jaguar D in Le Mans und gewann am Ende des Jahres auch die Carrera Panamericana.
Nr.55: Porsche 550 Spyder, Carrera Panamericana, 3. Platz (Modell: Starter), Nr.2: Cunningham C4R, Le Mans, 3. Platz (Provence Moulage), Nr.76: Lancia D24, Targa Florio, 1. Platz (John Day), Nr.4: Ferrari 375plus, Le Mans, 1. Platz (John Day), Nr.3: Jaguar D, Reims 12 Stunden, 1. Platz (Quartzo), Nr.20: Aston Martin DB3S, Le Mans (Provence Moulage)
1955: Das Mercedes-Jahr
Nr.19: Mercedes-Benz 300 SLR, Le Mans (Modell: Minichamps), Nr.6: Jaguar D, Le Mans, 1. Platz (Quartzo), Nr.4: Ferrari 121LM, Le Mans (John Day), Nr.23: Aston Martin DB3S, Le Mans, 2. Platz (John Day VdeC), Nr.428: Mercedes-Benz 300 SL, Mille Miglia, 7. Platz (Schuco), Nr.116: Ferrari 857 Monza, Targa Florio, 3. Platz (Art Model).
Mercedes-Benz siegte 1955 an allen Fronten: Nicht nur in der Formel 1, sondern mit dem aus dem Rennwagen (W 196) abgeleiteten Typ 300 SLR (W 196S) auch bei den Rennsportwagen und mit dem 300 SL in der Gran Tourismo-Klasse. Mit Fangio und Moss nahm man die zu der Zeit stärksten Fahrer unter Vertrag, wobei Moss im Gegensatz zur Formel 1 im Sportwagen eindeutig schneller war als Fangio. Moss gewann bei der Mille Miglia, der Tourist Trophy und der Targa Florio, übrigens jeweils mit dem selben Fahrzeug, und auch in Le Mans lag er zusammen mit Fangio in Führung, als das Werk in Stuttgart angesichts des schweren Unglücks seine Wagen aus dem Rennen nahm. Sportwagen-Weltmeister wurde am Ende Mercedes knapp vor Ferrari.
1956 und 1957: Duelle Ferrari gegen Maserati
1956
Nr.548: Ferrari 290 MM, Mille Miglia, 1. Platz (Modell: Best), Nr.8: Aston Martin DB3S, Le Mans, 2. Platz (Modell: John Day), Nr.4: Jaguar D, Le Mans, 1. Platz (Modell: Provence Moulage), Nr.6: Maserati 300S, Nürburgring, 1. Platz (Modell: John Day), Nr.25: Porsche 550A (1500 RS), Le Mans, 5. Platz (Modell: Vroom).
1957
Nr.19: Maserati 450S, Sebring, 1. Platz (Modell: John Day), Nr.12: Ferrari 315S, Sebring (Art Model), Nr.3: Jaguar D, Le Mans, 1. Platz (IXO), Nr.14: Aston Martin DBR1, Nürburgring, 1. Platz (Solido), Nr.34: Porsche 550A (1500RS), Le Mans (John Day-Mini Auto), Nr.417: Ferrari 250GT, Mille Miglia, 3. Platz (Box).
Nach dem Rückzug von Lancia und Mercedes waren die Werksteams von Ferrari und Maserati die Hauptkontrahenten um die Weltmeisterschaft 1956 und 1957. Nur Le Mans blieb weiterhin die Domäne von Jaguar: Der D-Typ feiert dort seinen Hattrick (1955/56/57) und begründet eine Legende, ohne die der Erfolg des späteren E-Typ nicht denkbar wäre. Aston Martin und die kleinen Porsche rückten immer mehr in den Vordergrund. Ferrari gewann 1956 mit dem V12 (290 Mille Miglia) und mit dem Vierzylinder 860 Monza die WM klar vor Maserati mit dem 300S. Im Jahr darauf siegte wiederum Ferrari mit den Typen 335S und 315S vor Maserati mit dem 450S. In der Gran Tourismo-Kategorie war nun nicht mehr der 300SL, sondern der 250GT von Ferrari das Maß aller Dinge – eine Dominanz, die dann später im 250GTO gipfeln sollte.
Die erfolgreichsten Sportwagen der Jahre 1954 bis 1957:
1954 Ferrari 375Plus
1955 Mercedes-Benz 300SLR
1956 Ferrari 290 Mille Miglia und 860 Monza
1957 Ferrari 315S und 335S
Die erfolgreichsten Piloten dieser Epoche:
1954 U. Maglioli (Italien), M. Trintignant (Frankreich), Ferrari
1955 S. Moss (GB), Mercedes
1956 E. Castellotti (Italien), Ferrari
1957 P. Collins (GB), Ferrari
Die klassische Epoche der Sportwagenrennen war nicht nur durch die Konkurrenz der großen Sportwagenhersteller, sondern auch durch die Konfrontation der Grand Prix-Piloten in dieser Rennkategorie charakterisiert. Bei den Fahrern ergaben sich allerdings deutliche Verschiebungen gegenüber der Formel 1-Situation: Nicht Fangio, der argentinische Formal 1-Weltmeister der Jahre 1954 bis 1957, war die dominierende Persönlichkeit bei den Sportwagen, sondern der Engländer Stirling Moss. Die Mille Miglia, die ihre letzten vier Jahre erlebte, machten Moss endgültig zum Superstar der Sportwagen, ansonsten profilierten sich hier allerdings die italienischen Helden: Alberto Ascari (1954), Eugenio Castellotti (1956) und Piero Taruffi (1957) siegten in Alleinfahrt auf italienischen Fabrikaten.
1954 wurden die großen Sportwagenrennen gerecht unter den Piloten verteilt: Moss gewann mit dem kleinen OSCA in Sebring, Ascari mit dem Lancia D24 bei der Mille Miglia und Gonzalez/Trintignant auf dem Ferrari 375Plus in Le Mans. Beeindruckend auch Magliolis überlegener Sieg bei der letzten Carrera Panamericana.
1955 war dann das Jahr des Stirling Moss, der mit dem 300SLR drei klassische Straßenrennen gewann: die Mille Miglia, die Tourist Trophy und die Targa Florio. Erfolgreich war auch sein Landsmann Mike Hawthorn, der mit dem Jaguar D zum Gegenspieler von Moss wurde und in Sebring und Le Mans siegte.
Auch 1956 war Moss – entweder auf Maserati oder auf Aston Martin – der schnellste Pilot im Sportwagen: Die Siege in Buenos Aires und auf dem Nürburgring gehen auf sein Konto. Ferrari konterte mit Siegen in Sebring (Fangio und Castellotti) und bei der Mille Miglia (Castellotti).
Das Duell Ferrari-Maserati setzte sich 1957 fort, und folgerichtig waren die besten Fahrer dieser beiden Marken auch an mehreren Rennsiegen beteiligt. Piero Taruffi gewann mit Ferrari endlich die Mille Miglia, und Jean Behra siegte zweimal mit dem Maserati 450S.
Quellen:
Siehe Rubrik „Über diese Seite“ → „Anmerkungen zu Minerva Endurance“
Zur Rennsaison 1955: : Yves Kaltenbach, Triumph and Tragedy – The 1955 World Sports Car Season, Automobiles Historics, London, 2004.