Die frühen 1960er Jahre: Ob Prototyp oder Gran Tourismo – Ferrari dominiert bei den Sportwagenrennen (Bericht von 2013)
Mit Beginn des Jahres 1962 trat ein bedeutender Wechsel im Reglement der Sportwagen-Wettbewerbe ein. Die Markenmeisterschaft wurde von nun an für „Gran Tourismo“-Fahrzeuge ausgeschrieben, also für serienverwandte Sportwagen, von denen mindestens 100 Exemplare pro Jahr gebaut sein mussten. Zu dieser WM zählten neben den vier „klassischen“ Langstreckenrennen (12 Stunden von Sebring, Targa Florio, 1000 km Nürburgring, 24 Stunden von Le Mans) weitere Rundstreckenrennen unterschiedlicher Länge und einige Bergrennen. Neben den GT-Fahrzeugen gab es weiterhin die alte Sportwagenklasse (ohne Mindeststückzahl) und zusätzlich als neue Kategorie die der „Sport-Prototypen“, ebenfalls ohne Mindeststückzahl, aber mit „normaler“ Ausstattung für den Straßenverkehr. Die Prototypen ermittelten aus den genannten vier klassischen Langstreckenrennen einen Weltpokal (Challenge Mondial), und es waren gerade diese Prototypen, die in den 1960er Jahren im Mittelpunkt des Interesses standen, die den technischen Standard im Rennwagenbau forcierten (teilweise mehr als die vom Reglement eng beschränkte Formel 1) und die in den Jahren 1965 bis 1967 ihren Höhepunkt im „Duell Goliath gegen David“ alias Ford gegen Ferrari erlebten. Bis zur großen Herausforderung durch die Amerikaner gab es für Ferrari in der oberen Hubraumklasse aber noch keinen ernsthaften Gegner. Nur Porsche konnte mit seinen 2 Liter-Achtzylinder-Motoren gelegentlich – vor allem bei der Targa Florio – in die Phalanx der Italiener einbrechen.
Die Gran Tourismo-Rennen: Überlegener Ferrari GTO
Das Maß aller Dinge bei den GT-Rennen war der Ferrari 250 GTO, ein bildschönes Frontmotor-Coupé mit dem berühmten 3 Liter-V12-Motor des 250 Testa Rossa Sportwagens – heute vielleicht der klassische Ferrari-GT. 1962 und 1963 konnte ihm keiner das Wasser reichen, weder der neue Jaguar E mit Alu-Karosserie oder der Aston Martin DB 4GT Zagato, noch der urige, aber bärenstarke Ford Cobra 289, der von dem Texaner Carroll Shelby eingesetzt wurde. Die Porsche Carrera, teilweise mit Alu-Karosserien von Carlo Abarth, waren zwar schnell und zuverlässig und auf die „kleine“ GT-Meisterschaft bis 2 Liter abonniert, gegenüber dem Ferrari fehlten ihnen aber doch mehr als 100 PS. Erst 1964 bekamen die Italiener die amerikanische Herausforderung stärker zu spüren: Shelby konnte mit seinem neuen Cobra Daytona Coupé einige Male die GTO schlagen, den dritten Titelgewinn für Ferrari nach 1962 und 1963 aber (noch) nicht verhindern. Auch wenn die GT-Wagen ein wenig im Schatten der Prototypen und Sportwagen standen: Aus dieser Zeit stammen einige der schönsten GT-Sportwagen, die heute echte Klassiker sind. Es war der letzte große Auftritt der Frontmotor-Boliden.
Prototypen: Vom Testa Rossa zum GT 40
Nichts kann die stürmische Entwicklung im Rennsportwagenbau mehr verdeutlichen als ein Vergleich des Ferrari 250 Testa Rossa mit Frontmotor von 1961 mit dem brandneuen Ford GT 40 von 1964: eine Revolution, die nur drei Jahre brauchte. Den ersten Schritt in die Zukunft machte aber Ferrari selbst, mit seinem ersten Mittelmotor-Typ 246 SP, der 1961 und 1962 der erfolgreichste Sportwagen bei den Langstreckenrennen war.
Näheres zu den beiden Fotos: Prototypen – Nr.6: Ferrari 330 LM, Le Mans, 1. Platz (Modell: BAM-Starter); Nr.4: Maserati T151, Le Mans (Manou); Nr.108: Porsche 718/8 GTR Coupé, Targa Florio, 3. Platz (Grand Prix Models); Nr.152: Ferrari 246 SP, Targa Florio, 1. Platz (Art Model).
GT-Fahrzeuge – Nr.7: Ferrari 330 GT, Le Mans (Modell: Red Line); Nr.11: Aston Martin P212, Le Mans (Provence Moulage); Nr.10: Jaguar E, Le Mans, 4. Platz (Provence Moulage). Der Ferrari und der Aston Martin waren in Le Mans als Prototypen eingestuft.
1963 und 1964
Der nächste Schritt erfolgte 1963, als man den 3-Liter-V12-Motor des Ferrari 250 Testa Rossa hinter dem Fahrer einbaute: der 250 P war damit 1963 der überlegene Prototyp und gewann drei der vier klassischen Langstreckenrennen. Nur bei der Targa Florio konnte Porsche den Spieß umdrehen.
1964 das gleiche Ergebnis: Die Ferrari-Prototypen, nun mit 3,3 Liter-V12-Motoren (275 P oder 275 Le Mans), teilweise auch schon mit 4 Liter-Motoren (330 P), gewannen nahezu alle Langstreckenrennen, wieder mit Ausnahme der Targa Florio. Hier siegte ein völlig neuer Porsche, erstmals mit Kunststoffkarosserie: der 904 GTS. Neben dem Werk setzten nun auch verstärkt private Teams Ferrari-Sportwagen ein, ähnlich wie es in den 1980er Jahren bei Porsche zu beobachten war. Die „Scuderia Filipinetti“ aus der Schweiz, das „NART“-Team (North American Racing Team), der britische „Maranello Concessionaires“-Rennstall oder die „Ecurie Belge“ – eine weitere Ursache für die Überlegenheit Ferraris. Und dennoch: Die spektakulärste Neuerscheinung des Jahres 1964 kam nicht aus Italien sondern aus den U.S.A.: der Ford GT 40. Dieser in England und Amerika konstruierte Prototyp verband britische Formel 1-Technik mit einem großvolumigen V8-Motor aus den U.S.A. und einem riesigen Rennbudget von Ford. War dies der Weg, die Dominanz Ferraris zu brechen?
Nr.160: Porsche 718/8 GTR Coupé, Targa Florio, 1. Platz (Modell: Jade Bausatz); Nr.18: Ferrari 330 TR, Sebring, 3. Platz (BAM-Starter); Nr.12: Ferrari 330 LMB, Le Mans, 5. Platz (VdeC John Day); Nr.30: Ferrari 250 P, Sebring, 1. Platz (Art Model); Nr.2: Maserati T151, Le Mans (SHMR).
Nr.24: Ferrari 250 GTO, Le Mans, 2. Platz (Modell: Kyosho); Nr.30: Porsche 2000 GS-GT, Le Mans (Starter); Nr.15: Jaguar E, Le Mans (Kyosho); Nr.7: Aston Martin P214 Le Mans (Pinko).
Prototypen und GT des Jahres 1964, Modelle in 1:43
Prototypen: Nr.20, Lola Chevrolet GT, Sebring (Mini Racing); Nr.10: Ford GT 40, Le Mans (Tenariv); Nr.144: Ferrari 275 P, Nürburgring, 1. Platz (Tenariv); Nr.2: Maserati T151/3, Le Mans (AMR).
Prototypen und GT: Nr.23: Ferrari 275 LM, Le Mans, 16. Platz (Modell: Box); Nr.24: Ferrari 250 GTO/64, Le Mans, 5. Platz (Starter); Nr.86: Porsche 904 GTS, Targa Florio, 1. Platz (Vitesse); Nr.12: Shelby Cobra 289 GT, Sebring, 5. Platz (Provence Moulage); Nr.5: Shelby Cobra Daytona GT, Le Mans, 4. Platz (Starter).
Die erfolgreichsten Sportwagen der Jahre 1962 bis 1964
1962 Ferrari 246 SP
1963 Ferrari 250 P
1964 Ferrari 275 P
Die erfolgreichsten Piloten dieser Epoche
1962 O. Gendebien (Belgien), Ferrari
1963 L. Scarfiotti (Italien), Ferrari
1964 N. Vaccarella (Italien), Ferrari
Olivier Gendebien und Phil Hill krönten ihre erfolgreiche Laufbahn als Sportwagenpiloten mit der Saison 1962, in der sie erneut in Le Mans gewannen (zum dritten Mal gemeinsam), außerdem siegten sie bei den 1000 km auf dem Nürburgring. Hinzu kam ein zweiter Platz in Sebring: Die Bilanz des Jahres war abgesehen von der Targa Florio nahezu makellos. Da Ferrari 1962 alle wichtigen Langstreckenrennen gewann, waren auch andere Piloten des Maranello-Rennstalls erfolgreich.
Dies galt ebenso für die beiden folgenden Jahre. Für Sportwagen-Erfolge musste man mit einem Ferrari antreten. Die Werkspiloten Scarfiotti und Vaccarella waren in Le Mans, Sebring oder am Nürburgring erfolgreich, John Surtees wurde nicht nur Formel 1-Weltmeister bei Ferrari (1964), er war auch der schnellste Sportwagenpilot bei den Italienern. Zusammen mit Michael Parkes bildete er die britische Fraktion in Maranello. Schließlich erzielte der junge Lorenzo Bandini seine ersten internationalen Erfolge im Ferrari-Sportwagen. Auch mit privat eingesetzten Ferraris konnte man Rennen gewinnen. Am erfolgreichsten war hier Graham Hill, der seine Formel 1-Erfolge mit einigen Siegen und vorderen Plätzen bei Langstreckenrennen garnierte.
Ergebnisübersichten
Quellen:
Siehe Rubrik „Über diese Seite“ → „Anmerkungen zu Minerva Endurance“