Geschichten rund um den französischen Rennstall 1973 bis 2011
Neben Henri Pescarolo und Yves Courage ist Hughes de Chaunac einer der drei Franzosen, die in den letzten drei Jahrzehnten versucht haben, beim großen Endurance-Klassiker Le Mans zu gewinnen und damit die französischen Nachkriegserfolge von Matra, Rondeau und Peugeot zu kopieren. Bis 2017 hatte allerdings nur de Chaunac einen Sieg bei den 24 Stunden geschafft – nicht mit einem französischen Fabrikat, sondern mit dem Wankel-Mazda 787 im Jahr 1991. Seinen jüngeren Auftritten in Le Mans, mit dem eigenen Oreca LMP1 in den Jahren 2008-2010, dem Peugeot 908 (2010 und 2011) oder mit dem Toyota Team, blieb dagegen ein Sieg verwehrt – bis zum Jahr 2018, als Le Mans die Japaner endlich gewinnen lies.
Der unermüdliche Henri Pescarolo startete mit seinen LMP-Sportwagen in den Jahren 2004 bis 2012 in Le Mans unter seinem Namen, zuvor setzte das Pescarolo Team 1999-2003 die Courage Sportwagen ein, Pescarolo griff da noch selbst ins Lenkrad. Ein Le Mans-Erfolg blieb ihm aber versagt – jedenfalls als Teamchef. Größte Erfolge waren zweite Plätze in den Jahren 2005 und 2006 (siehe Bericht). Bei Yves Courage reichten die Le Mans-Einsätze seiner Fahrzeuge bis zum Jahr 1982 zurück, als er bei der Premiere der Gruppe C mit einer eigenen Konstruktion antrat. Courage gehörte selbst zum Fahrerteam. Er setzte seine Autos regelmäßig bis 2007 in Le Mans ein, bis 1992 unter dem Namen Cougar, danach unter seinem eigenen Namen. Die besten Platzierungen wurden mit von Porsche-Technik angetriebenen Fahrzeugen erreicht: Der C20 schaffte 1987 Platz drei und der C34 im Jahr 1995 sogar Platz zwei, als Andretti und Wollek ihre große Chance auf einen Le Mans-Sieg knapp verpassten. Ein Bericht zu den Cougar/Courage Sportwagen kann hier aufgerufen werden.
2007 übernahm Hugues de Chaunac, geboren 1946 in Baden-Baden (!), mit seiner 1973 gegründeten Motorsport-Firma „ORECA“ (Organisation, Exploitation, Competition Automobile) den finanziell angeschlagenen Rennstall von Courage und setzte sein bereits über 30jähriges Engagement im Motorsport fort, das sich heute (2019) also über mehr als 40 Jahre erstreckt, die unterschiedlichsten Rennkategorien umfasst (Formelsport, Sportwagen, Rallyes) und immer wieder auf die Förderung junger Talente setzt. De Chaunac übernahm damit in Frankreich eine ähnliche Rolle wie Henri Pescarolo – kaum einer der später etablierten Spitzenpiloten vor allem aus Frankreich, der nicht seinen entscheidenden Karriereschub in den Teams von Oreca oder Pescarolo erfuhr. Treibende Kraft war Teamchef de Chaunac selbst, dem man ähnlich wie Pescarolo, aber mit deutlich mehr gezeigter Emotion, sein Herzblut für den Rennsport immer und überall ansieht.
Ein kurzer Abriss der Geschichte des Oreca-Rennstalls konzentriert sich hier natürlich auf den Sportwagenbereich und speziell auf Le Mans. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass sich die ersten Rennerfolge Mitte der 1970er Jahre in der Formel 3 und der Formel 2 einstellten, u.a. mit Jacques Laffite als Pilot. Ein erster Auftritt in Le Mans folgte 1977 mit einem vom Renault-Werk übernommenen Alpine Renault A442, gefahren von Pironi, Arnoux und Fréquelin, der allerdings früh ausfiel (Nr. 16, gemeldet von der „Equipe de Chaunac“). Dann folgte eine kleine Episode mit zwei BMW M1 in Le Mans 1981, einem „normalen“ Gruppe 4-M1 (Nr. 72) und einem bei Oreca aufgebauten Gruppe 5-M1 (Nr. 51), gesponsort von VSD, einem französischen Printmagazin. Der Gruppe 5-M1 kam als 16. ins Ziel.
1991 folgte dann im Zusammenhang mit dem Mazda-Werkseinsatz der erste große Erfolg: Der japanische Hersteller, der zuvor bereits mehrmals in Le Mans Klassensiege erreichte, nutzte einen durch die Reglementwirren der FIA entstandenen Vorteil der Wankel-getriebenen Gruppe C-Fahrzeuge für ein großes Engagement beim Le Mans-Klassiker. Im Zuge der schrittweisen Verbannung der „alten“ Gruppe C-Boliden zugunsten der neuen 3,5 Liter-Sportwagen stieß man in die Lücke zwischen die eingebremste Gruppe C und die noch nicht ausgereifte neue Klasse, engagierte für den Le Mans-Einsatz europäisches Endurance-Know How (Unterstützung durch Oreca und durch Le Mans-Legende Jacky Ickx) und hatte außerdem das nötige Glück, dass die überlegenen Sauber Mercedes-Benz C11 an technischen Defekten scheiterten. So holte man 1991 nicht zuletzt durch eine vorzügliche Leistung der Piloten Herbert, Weidler und Gachot den ersten und bis 2018 einzigen Gesamtsieg eines japanischen Herstellers, den ersten und einzigen Erfolg eines Wankelmotors in Le Mans.
Im folgenden Jahr setzte Mazdaspeed in Le Mans, wieder mit Unterstützung durch Oreca, zwei MXR 01 ein, die nichts anderes darstellten als die 1991er Weltmeisterautos von Jaguar (XJR 14), nun aber angetrieben von einem Judd-V10-Motor. Immerhin kam man mit demselben Fahrerteam wie beim siegreichen Mazda von 1991 auf Platz vier hinter drei Peugeot 905.
Einige Jahre später begann eine Kooperation mit Chrysler mit dem Ziel, die Viper als GT2-Rennfahrzeug zu entwickeln und einzusetzen. In den Jahren 1996-2000 trat Oreca mit vollem Einsatz in Le Mans und anderswo an und holte beim 24 Stundenrennen dreimal in Folge den Klassensieg – die Viper war das dominierende Fahrzeug in der GT2- bzw. GTS-Kategorie, bis sie am Ende von der Corvette und dem Ferrari 550 Maranello abgelöst wurde. Beste Le Mans-Platzierung im Gesamtklassement war Rang sieben im Jahr 2000. Den absolut größten Viper-Erfolg feierte Oreca aber im selben Jahr in Daytona: Dort holte man bei den 24 Stunden überraschend den Gesamtsieg, hier unter dem Markennamen „Dodge“.
Parallel zum Ende der Viper-Ära wechselte Oreca wieder von der GT- in die Prototypenklasse. In den Jahren 2000 bis 2008 war man nacheinander mit Fahrzeugen von Reynard, Dallara, Audi und Courage am Start, bis man mit der Übernahme von Courage schließlich eigene „Oreca“-Prototypen einsetzte. Le Mans 2000: zwei Reynard 2KQ mit Chrysler Mopar-Motor (Platz 20 und Ausfall); Le Mans 2001: drei Chrysler Mopar LMP (Chassis von Dallara), Platz vier sowie zwei Ausfälle; Le Mans 2002: zwei Dallara Judd SP1, Platz vier und fünf – das waren vermutlich die Fahrzeuge vom Vorjahr, nun bestückt mit dem Judd-Motor. Damit rangierten die Oreca Dallara gleich hinter den vier Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns (Audi, Bentley). Bemerkenswert war dabei die Liste der Piloten, mit Sarrazin, Montagny, Minassian und Lamy fuhren zukünftige Peugeot-Werksfahrer bereits 2002 bei Oreca.
Ab 2003 vertraute Audi seinen R8 in Le Mans diversen Privatteams an. 2005 erhielt auch Oreca einen R8, Resultat in Le Mans: Platz vier. Es folgte ein kurzer Ausflug in die GT-Kategorie im Jahr 2007 (Einsatz von zwei Saleen), danach kehrte Oreca 2008 wieder in die LMP1-Klasse zurück. Nach der Übernahme des Courage-Rennstalls setzte Oreca in Le Mans zwei der neuesten Courage LC70E mit 5,5 Liter-V10-Judd Motor unter dem Label „Courage-Oreca“ ein, ein Wagen kam dabei auf Platz acht. Auch da waren mit Duval, Panis, Fässler und Pagenaud wieder prominente Piloten bei Oreca unter Vertrag. Für 2009 wurde der Courage bei Oreca weiter entwickelt und hieß nun „Oreca AIM 01“ (AIM war der neue Name das Judd-Motors): Zwei Wagen in Le Mans, Ausbeute: Platz 5.
2010 setzte Oreca parallel zum eigenen offenen „AIM 01“ auch einen Peugeot 908 HDi FAP ein. Peugeot war bekanntlich 2007 mit dem 908 und Diesel-Technik in den Endurance-Sport eingestiegen und hatte nach zwei vergeblichen Anläufen 2009 endlich Le Mans gewonnen, dabei wurde das Werksteam durch einen weiteren 908 ergänzt, der vom Team Pescarolo eingesetzt, bei einem schweren Unfall von Benoît Tréluyer in der Nacht aber total zerstört wurde. 2010 kam nun Oreca in den Genuss, den vierten 908 als Verstärkung der drei Werkswagen einzusetzen. Der Oreca-Peugeot trat ebenso wie Orecas eigener LMP als „Harlekin“ auf und war daher gut von den Werkswagen zu unterscheiden. Anders als 2009 entsprach der vierte 908 nun exakt dem technischen Stand der drei Werkswagen und hätte fast die Trainingsbestzeit erzielt, hätte das Werksteam den Oreca-908 nicht bei seiner schnellsten Qualifikationsrunde zurückgepfiffen – die erste Startreihe sollte für das Werk reserviert bleiben.
Beim Duell der Peugeot mit den Audi R15plus scheiterten die Franzosen dann komplett an technischen Defekten, insbesondere an identischen Motorschäden bei drei der vier 908, verursacht durch den kurzfristigen Wechsel von Stahl- zu Titanpleuelstangen: Erneut wurde ein Werksteam in Le Mans ein Opfer des Versuchs, kurz vor dem Rennen und ohne hinreichende Tests Änderungen vorzunehmen. Wir erinnern uns an andere Beispiele, Jaguar 1952, AMG Mercedes und BMW 1998. Auch den Oreca-908 erwischte es, allerdings erst in der 22. Rennstunde – da hatte man noch Hoffnung auf einen Podestplatz. Obwohl Oreca-Pilot Loïc Duval noch kurz vor dem Ausfall die schnellste Runde des Rennens schaffte, war Teamchef de Chaunac ebenso untröstlich wie zuvor Peugeot-Rennleiter Olivier Quesnel. Immerhin schaffte der eigene Oreca LMP am Ende noch Platz vier, ein kleiner Trost nach dem Peugeot-Debakel. Orecas Peugeot 908 erzielte in der Endurance-Saison 2010 dann noch einen Sieg in der Le Mans Serie (LMS) in Portugal sowie zwei zweite LMS-Plätze in Spa und Silverstone, er gewann damit die LMS-Serie.
Auch in der folgenden Rennsaison 2011 setzte Oreca den „alten“ 908 HDi FAP ein, während das Werk schon beim Saisonstart in Sebring auf den neuen 908 setzte, der dem aktuellen Reglement folgte und mit etwas kleinerem Motor ausgestattet war (3,7 Liter-V8 gegenüber dem 5,5 Liter-V12 des älteren Oreca-908). Die 12 Stunden von Sebring endeten mit einem Paukenschlag, denn der Oreca-Peugeot behielt in einer spannenden Schlussphase gegenüber den Werkswagen von Peugeot und Audi (R15plus) sowie dem neuen HPD Honda die Oberhand. In der Oreca-Box zeigten die Emotionen, welche Bedeutung dieser Erfolg hatte – einer der wichtigsten in der Geschichte des französischen Rennstalls. Dagegen verblasste der Auftritt beim Saisonhöhepunkt in Le Mans: Gegen die sechs neuen Werkswagen von Peugeot und Audi hatte der ältere, vom Reglement eingebremste Oreca-908 keine Chance, schaffte aber nach einem Unfall in der Nacht am Ende noch Platz fünf hinter den verbliebenen Werkswagen.
Zum Saisonabschluss verabschiedete sich die Oreca-Peugeot-Kombination dann noch mit einem zweiten Platz beim Petit Le Mans in Atlanta hinter einem Werks-Peugeot, dann folgte ab 2012 die neue Verbindung des Oreca-Teams mit Toyota Motorsport – aber das ist ein anderes Thema, ebenso wie das ab 2011 stetig zunehmende Engagement in der LMP2-Kategorie.
Modelle des Oreca Peugeot 908 2010 und 2011 – IXO und Spark im Vergleich
Eine Übersicht über die wichtigsten Endurance-Engagements des Oreca Teams in der Zeit 1977 bis 2011 und der jeweils dazu passenden Modelle in 1:43 (Stand 2019) kann hier aufgerufen werden, der Schwerpunkt liegt dabei auf Le Mans. Im Folgenden steht ein kurzer Vergleich der Modelle des Oreca 908 der Jahre 2010 und 2011 im Vordergrund. Der bunte Oreca 908 HDi FAP von Le Mans 2010 wurde zunächst von Spark und später von IXO produziert, aktuell gibt es das Modell nun auch von Altaya auf Basis des IXO-Modells. Auch der Oreca 908 von Le Mans 2011 wird sowohl von Spark als auch von IXO angeboten, den Siegerwagen von Sebring 2011 gab es 2019 meines Wissens aber nur von Spark. Das Sebring-Fahrzeug hatte zwar im Vergleich zum Le Mans-Auto dieselbe Form und Startnummer und ein weitgehend identisches Design, es gab aber trotzdem ein paar kleine Unterschiede bei den Decals, insbesondere natürlich keine Le Mans-Aufkleber sondern solche der ALMS bzw. der ILMC, unter der das Rennen in Sebring lief. Ohne Korrektur bzw. Austausch dieser Aufkleber muss man sich also beim deutlich preisgünstigeren IXO-Modell mit der Le Mans-Version begnügen.
Die Preisunterschiede zwischen Spark und IXO sind signifikant: Spark lag 2019 normalerweise bei über 60 Euro, für die kaum noch lieferbare und stark gesuchte „Harlekin“-Version (Le Mans 2010) musste man z.B. bei Ebay auch schon mal nahe an die 100 Euro-Marke gehen. IXO-Modelle wurden dagegen in Ebay z.T. schon zu Preisen um 30 Euro angeboten, und die Altaya-Variante von IXO lag preislich noch darunter.
Insgesamt ist der IXO-Peugeot ein gut gelungenes Diecast-Modell. Der direkte Vergleich mit dem Peugeot-Modell von Spark (Resincast) zeigt zwar beim Spark-Modell etwas feineren Karosserie-Gravuren (Fugen, Grills) und etwas schöner gearbeitete Felgen, die Karosserieform ist aber so gut wie identisch. Mittlerweile sind auch die Anbauteile wie Scheibenwischer oder Antennen bei den Diecast-Marktführern besser geworden, beim IXO-Peugeot sind die kurzen Dachantennen vor der langen Hauptantenne allerdings zu grob, sie sollten durch zwei kurze „Stummel“ ersetzt werden.
Zu guter Letzt eine persönliche Anmerkung: Nach meinem Geschmack ist der Chromeffekt der Dachpartie sowohl beim Spark- als auch beim IXO-Modell zu stark. Tatsächlich waren die Dächer der Fahrzeuge in glänzendem Chromsilber gehalten, bei Modellen in kleinen Maßstäben (1:43 oder 1:87) wirkt eine eins-zu-eins Übertragung aber oft übertrieben und spielzeughaft. Etwas mehr Zurückhaltung in Richtung Alu-Silber hätte den Modellen m.E. gut getan, dies entspricht auch einer Grundregel der Modellgestaltung.
Fotos zu diesem Bericht: Modelle aus der Minerva-Modellsammlung, Le Mans-Fotos des Minerva Teams bei seinen Besuchen des Rennens
Bücher: Offizielle ACO Jahrbücher „Le Mans“ (Teissedre, Moity), ab 1978 / Automobile Club de l´Ouest (Hrsg.), 24 Stunden von Le Mans, Die offizielle Chronik des berühmtesten Langstreckenrennens (2 Bände), Heel, 2010
Webseiten: racingsportscars / wikipedia / lm24database / lemans.sqwib