Vorbemerkung: Die Berichte (1) und (2) befassen sich im Kern mit den Jahren unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg, exemplarisch mit der Saison 1938 und den beiden benachbarten Jahren 1937 und 1939. Im Mittelpunkt stehen dabei wie auf dieser Webseite üblich die Langstreckenrennen für Sportwagen. Seit einigen Jahren wird die Minerva-Modellsammlung, die bislang auf die Nachkriegsjahre beschränkt war, um Sportwagen der letzten Jahre vor dem Krieg erweitert, der Modellbestand ist allerdings noch überschaubar. Das Thema „1938“ ist im Folgenden, sowohl was die Bandbreite der Sportwagen betrifft, die um die Gesamtsiege fuhren, als auch bezüglich der zeitlichen Abgrenzung (1937-1939) so umfangreich angelegt, dass es zwei Berichte gibt – der geneigte Leser sollte also mehr Muße mitbringen als z.B. beim Lesen von Twitter-Nachrichten.
Der hier zu lesende Bericht (1) spaltet sich wiederum in zwei Teile auf: Er beginnt mit einer Betrachtung der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Hintergründe des Jahres 1938 und der Autowelt Ende der 1930er Jahre (Abschnitt 1.1) und wird mit einer Betrachtung der Rennszene in dieser Zeit fortgesetzt (Abschnitt 1.2). Wer gleich in das Thema Rennsport springen möchte, kann also zum Abschnitt 1.2 wechseln – dort geht es um die Rennszene 1938, den Grand Prix Sport, die großen internationalen Sportwagenrennen und die wichtigsten Fahrzeuge mit ihren Daten und den Rennergebnissen von 1938 und den beiden benachbarten Jahren 1937 und 1939, mit vielen Fotos von Modellen in 1:43.
Der Bericht (2) kann hier aufgerufen werden. Er besteht ebenfalls aus zwei Teilen. Der Abschnitt 2.1 befasst sich mit den wichtigen Sportwagen-Modellen dieser Zeit in 1:43, und der Abschnitt 2.2 behandelt eine Besonderheit dieser Epoche, die parallel zu den Rennsportwagen gebauten Luxus-Sportwagen, die „Grandes Routières“, entwickelt für die Schönen und vor allem Reichen und für die neuen Schnellstraßen und Autobahnen quer durch Europa.
Abschnitt 1.1: Hintergrundinformationen zum Jahr 1938
Europa im Jahr 1938: Zwölf Monate zwischen Bangen und Hoffen – so lauten üblicherweise Schlagzeilen über das letzte Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Der Begriff „Friedensjahr“ wäre hier, wie wir heute wissen, unpassend. Verfolgt man die Geschichte über die dann folgenden sieben Jahre, konnte von „Hoffnung“ eigentlich keine Rede sein, aber am Jahresende 1938 glaubten wohl tatsächlich viele Menschen in Europa, dass die Aggressionen von Hitler-Deutschland und anderer faschistischer Regimes vielleicht doch nur eine vorübergehende Gefahr für den europäischen Frieden darstellen würden. Eine Meinung, die oft aus Mangel an seriösen Informationen, aus Desinteresse, Verdrängung, Naivität, Opportunismus oder Wunschdenken gespeist wurde, nicht nur bei den „einfachen“ Menschen, sondern auch bei Politikern, die es hätten besser wissen können.
Der Zwiespalt dieser Zeit offenbart sich auch darin, dass einerseits viele Menschen in den faschistisch regierten Ländern und vor allem in Deutschland der staatlichen Willkür schutzlos ausgeliefert waren, und andererseits darin, dass der materielle Lebensstandard nach dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise der früheren 1930er Jahre wieder das Niveau der Zeit vor dem Krieg erreicht hatte und nun für diejenigen Menschen, die vom Regime unbehelligt blieben, endlich die Zeit gekommen schien, das Leben wieder zu genießen.
Politische Ereignisse des Jahres:
März – Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich / April bis September – Die „Sudetenkrise“, ausgelöst durch die Drohung des Deutschen Reichs, Teile der Tschechoslowakei zu besetzen und dem Reich einzuverleiben, schwelt über den Sommer des Jahres und erreicht im September ihren Höhepunkt / Ende September – Im „Münchener Abkommen“ legalisieren die europäischen Nachbarn, Großbritannien, Frankreich und Italien, den Einmarsch der deutschen Wehrmacht in das Sudetenland. Es ist der Höhepunkt der Beschwichtigungspolitik vor allem Großbritanniens und Anlass für viele Menschen zur Hoffnung, dass ein erneuter europäischer Krieg noch verhindert werden könnte / Oktober – Vollzug des Einmarsches der Wehrmacht in das Sudetenland / November – Reichspogromnacht, bisheriger Höhepunkt der Verfolgung und Drangsalierung der Juden in Deutschland
Über das Jahr 1938 verschärfte sich die staatliche Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und anderer, von den Nazis verfemter Gruppen: Per Gesetz deklarierte Juden wurden Schritt für Schritt aus dem öffentlichen und Gesellschaftsleben verdrängt, gewaltsame Übergriffe nahmen spätestens nach den Olympischen Spielen 1936 permanent zu. Und auch aus anderen Teilen Europas kamen schlechte Nachrichten, so stand der Franco-Faschismus in Spanien kurz vor dem Sieg im bereits drei Jahren andauernden Bürgerkrieg.
Ereignisse abseits der großen Politik
Erfindungen und Entdeckungen: Kernspaltung (Otto Hahn), Rechenautomat (Konrad Zuse), Kugelschreiber, Fotokopie, Anrufbeantworter / Sport: Italien Fußballweltmeister, deutscher Meister wurde Hannover 96 (im Endspiel gegen Schalke 04) / In den USA erschien der erste Superman Comic / Max Schmeling ging gegen Joe Louis in der ersten Runde k.o.
Deutsche Schlager: Rosita Serrano „Roter Mohn“, Zarah Leander „Kann denn Liebe Sünde sein“, Johannes Heesters „Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen“. Internationale Hits: Rina Ketty „J´Attendrai“, Andrew Sisters „Bei mir bist Du schön”, Count Basie „One O`clock jump“, Benny Goodman „Don´t be that way“.
In Amerika hatte der Swing seine große Zeit. Benny Goodman, Count Basie, Duke Ellington, Artie Shaw, Tommy Dorsey oder Glen Miller bestimmten mit ihren Bands die Charts, berühmte Jazz-Sänger waren Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Billie Holiday oder Bing Crosby. Und in Frankreich dominierte das Chanson, mit Namen wie Charles Trenet, Maurice Chevallier oder Edit Piaf.
Das Kino war Ende der 1930er Jahre die Nummer 1 in der Unterhaltungsbranche. Heinz Rühmann, Zarah Leander und Hans Albers in Deutschland, Jean Gabin und Michele Morgan in Frankreich und Katherine Hepburn, Cary Grant oder Spencer Tracy in Hollywood waren die großen Stars. In Hollywood wurden die ersten Spielfilme in Farbe gedreht. Und die „Wochenschau“ vor dem Hauptfilm war für die Menschen die wichtigste Nachrichtenquelle neben den Tageszeitungen.
Neues aus der deutschen Autowelt
Per Gesetz galt nun im Reich einheitlich das Rechtsfahrgebot / Die jüdische Bevölkerung musste ihre Führerscheine abgeben / Im östlichen Niedersachsen bei Fallersleben erfolgte die feierliche Grundsteinlegung der „Stadt des Kraft-durch-Freude-Wagens“ / Opel stellte seinen ersten Kapitän vor / Im Reich waren 715 Tausend PKW und 860 Tsd. Motorräder zugelassen
In Deutschland lag der Lebensstandard (pro Kopf Einkommen) immer noch nur bei der Hälfte des Wertes in den Vereinigten Staaten und bei zwei Dritteln desjenigen im Vereinigten Königreich. Entsprechend war auch die Motorisierung im Reich geringer als in Großbritannien oder Frankreich, von den USA ganz zu schweigen. Andererseits bekamen mit der Verbesserung der Wirtschaftslage in den 1930er Jahren nun neue Bevölkerungsgruppen die Chance, auf ein kleines Auto zu sparen – das erklärt die Gedanken an ein „Volksauto“, so wie es der Fiat 500C „Topolino“ für Italien wurde. In Deutschland waren der DKW, der Opel P4 oder Kadett Kandidaten, sie kosteten zwischen 1500 und 2000 Reichsmark. Der von Ferdinand Porsche im Auftrag der Reichsregierung konstruierte „Volkswagen“ alias KdF-Wagen sollte dagegen knapp unter 1000 Reichsmark kosten und mit staatlichen Sparverträgen unter die Leute gebracht werden. Die Sparaktion begann im August 1938 und führte, wie wir heute wissen, ins Nichts, jedenfalls geriet bis Ende der 1940er Jahre praktisch kein Volkswagen in private Hände.
Am anderen Ende der PKW-Skala beeindruckten die sündhaft teuren und in vielen Fällen wunderschönen Luxusautos, auch wenn man sie im Alltag kaum einmal zu Gesicht bekam. Auch in der von den Nazis so gern propagierten „Volksgemeinschaft“ gab es nämlich immer noch eine Oberschicht aus Natur- und Geldadel, Industriellen und reichen Freiberuflern und neuerdings auch aus hohen Parteiführern und Militärs, die sich solche Träume leisten konnten. Und in einigen Nachbarländern sah es ähnlich aus. Dabei gab es – vereinfacht ausgedrückt – drei Kategorien von Luxuswagen: Die großen und schweren repräsentativen Limousinen (Rolls Royce und Bentley, Hispano Suiza, Cadillac, Maybach, Mercedes-Benz, Horch), die ebenfalls gewichtigen Luxuscabriolets (z. B. Mercedes-Benz 540K, Horch 853, Delage D8) und die leichteren Super-Sportwagen, die meist parallel zu Rennsportwagen entstanden. Zu letzteren zählen die Ikonen jener Zeit, Alfa Romeo 8C 2900B, Bugatti 57SC oder Talbot T150SS, auf die im Bericht (2) näher eingegangen wird.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird diese Zeit der Luxusautos, in kleinen Serien in Handarbeit hergestellt und von den renommiertesten Karosseriebauern eingekleidet, endgültig zu Ende gehen.
Abschnitt 1.2: Motorsport im Jahr 1938
Der Motorsport gehörte in der Zeit zwischen den Kriegen zu den großen Publikumsmagneten. Die Grands Prix oder die großen Langstrecken-Klassiker waren gesellschaftliche Höhepunkte und gleichzeitig Anziehungspunkte der Massen. Dabei zerfiel die internationale Motorsport-Welt in zwei Teile, diesseits und jenseits des Ozeans, in die USA und die traditionellen europäischen Motorsport-Nationen Frankreich, Italien, Deutschland und Großbritannien. Von der US-Rennszene kannte man in Europa nur das Traditionsrennen in Indianapolis, und umgekehrt kannten amerikanische Motorsport-Anhänger aus der europäischen Rennsaison allenfalls die 24 Stunden von Le Mans.
Die europäische Szene war in der Spitze wiederum zweigeteilt: Die oberste Kategorie bildeten die Grand Prix-Rennen, in einer Auswahl dieser Rennen wurde die Fahrer-Europameisterschaft entschieden. Hier starteten Rennwagen nach genau definierten Formeln, Einsitzer mit freistehenden Rädern. Darunter gab es noch die Voiturette-Klasse, etwa vergleichbar mit der Formel 2 der Nachkriegszeit. Die großen Langstreckenrennen wurden dagegen für Sportwagen ausgeschrieben. Le Mans und die Mille Miglia bildeten hier zwei besondere Saisonhöhepunkte. Daneben gab es weitere Rennen für Sportwagen, teils wieder als Endurance-Prüfungen (24 Stunden von Spa, Tourist Trophy, 12 Stunden von Paris), teils als Rennen über kürzere Distanzen. Es gab allerdings keine Meisterschaft.
Bei den Grand Prix-Rennen dominierten spätestens ab 1935 die beiden deutschen Firmen Mercedes-Benz und Auto Union, bei denen sich technisches Knowhow der beiden Rennställe und großzügige finanzielle Unterstützung durch die Reichsregierung ergänzten. Alfa Romeo war als einziger ernsthafter Kontrahent der Jahre 1934 und 1935 mittlerweile ebenso chancenlos wie die anderen Traditionsrennställe Maserati oder Bugatti, so dass diese genannten Firmen zunehmend auf die Voiturette-Klasse auswichen.
Die Franzosen schlugen dagegen eine andere Strategie gegen ihre Chancenlosigkeit bei den Grands Prix ein: Der Automobile Club de France (ACF) schuf für 1936/37 ein neues, von der Grand Prix-Formel abweichendes Reglement für den französischen Grand Prix und weitere nationale Rennen, verbunden mit der Erwartung, dass sich renommierte französische Hersteller mit neuen Konstruktionen an den Rennen beteiligen. Dabei sollten Sportwagen mit Saugmotoren im Mittelpunkt stehen (zwei Sitze, Scheinwerfer und Rückleuchten, Frontscheibe, Kotflügel, Anlasser usw.), die auch in Le Mans starten konnten. Außerdem war eine Verbindung zu in Serie hergestellten Straßensportwagen vorgeschrieben – diese Forderung wurde allerdings eher generös behandelt.
Beim ersten großen Rennen, dem Grand Prix des ACF Ende Juni 1936 über 1000 km (in Montlhéry), waren nicht weniger als neun Delahaye 135CS, vier Talbot T150C und drei Bugatti T57G am Start – alles neue Konstruktionen. Das Rennen wurde von Wimille und Sommer mit einem Bugatti gewonnen, der bereits über eine moderne, aerodynamisch günstige „Ponton-Karosserie“ verfügte, während die Konkurrenz auf traditionelle Roadster-Karosserien mit separaten Kotflügeln zurückgriff.
(Anmerkung: In den meisten Quellen wird bei den Talbots der Vorkriegszeit der Zusatz „Lago“ weggelassen, bei den Nachkriegsfahrzeugen dagegen mit aufgeführt. In diesem Beitrag über das Jahr 1938 wird beim Talbot der Zusatz „Lago“ nicht mit genannt.)
Das zweite, für die Franzosen wichtige Rennen hätten zwei Wochen zuvor die 24 Stunden von Le Mans sein sollen. Acht gemeldete Delahaye, drei Talbots, ein Delage und ein Alfa Romeo 8C 2900A bildeten den Favoritenkreis in einer attraktiven und üppigen Meldeliste, außerdem war der Start eines Bugatti T57 SC Torpédo-Compétition mit Jean Bugatti am Steuer vorgesehen, aber das Rennen wurde aufgrund der Generalstreiks in Frankreich ersatzlos gestrichen.
Einschub: Die französische Fahrermeisterschaft 1937/38/39
Nach der erfolgreichen Premiere der neuen Sportwagen-Formel 1936 schuf der ACF für die folgenden Jahre eine französische Fahrermeisterschaft, deren Kern die neuen Konstruktionen von Bugatti, Talbot, Delahaye und Delage bilden sollten. In den Jahren 1938/39 konnten die Fahrzeuge auch an Rennen der neuen Grand Prix Formel teilnehmen (4,5 Liter ohne Kompressor), dann war es natürlich auch erlaubt, die Kotflügel und Scheinwerfer zu entfernen.
Die Meisterschaft bestand aus Sprint- und Langstreckenrennen sowie Bergrennen, und je nach Rennen konnten Punkte für die Meisterschaft mit Grand Prix Rennwagen, Rennwagen der kleinen Klasse (Voiturettes) oder Sportwagen erzielt werden. Die 24 Stunden von Le Mans waren in jedem Jahr Teil und ein Höhepunkt der Serie, ein weiterer Höhepunkt war der Grand Prix von Frankreich, der 1937 für Sportwagen und danach wie früher als Teil der Grand Prix-Europameisterschaft ausgetragen wurde, da waren allerdings auch wieder die deutschen Silberpfeile am Start. Die wichtigsten Sportwagen kamen von Bugatti (T59, T37S, T37G), Delahaye (135CS und ab 1938 der 145 mit V12-Motor), Talbot (T150C) und Delage (D6-70). Um die Meisterschaft fuhren die besten französischen Piloten der Zeit, Jan-Pierre Wimille, Raymond Sommer, René Dreyfus, Albert Divo, Robert Benoist, Louis Chiron oder Philippe Étancelin.
1937 bestand die Serie aus 14 Rennen, darunter auch die meisten Grands Prix der Fahrer-Europameisterschaft. 1938 wurden nur Rennen auf französischen Rennkursen zugelassen, das waren insgesamt sechs Rennen. Und 1939 standen elf Rennen auf dem Plan, aber nach neun Läufen war die Saison kriegsbedingt zu Ende. 1937 gewann Raymond Sommer den Titel, 1938 war René Dreyfus an der Reihe, und 1939 führte bis zum Abbruch der Saison wiederum Sommer die Punktwertung an.
Auf der Webseite „8w.forix.com/fc1937“ (fc1938, fc1939) werden die Meisterschaften der Jahre 1937 bis 1939 im Detail dargestellt.
Zurück zur internationalen Rennsaison 1938 – Die Grand Prix Rennen
Das Rennjahr 1938 begann am 28. Januar mit einer Tragödie: Beim Versuch, den gerade von Caracciola im Mercedes-Benz neu aufgestellten Weltrekord auf öffentlichen Straßen (über 430 km/h) zu übertreffen, verunglückte Bernd Rosemeyer in seinem Auto Union Rekordwagen auf der Reichsautobahn Frankfurt – Darmstadt tödlich: Das wohl größte deutsche Fahrtalent vor Stefan Bellof und Michael Schumacher war gegen eine starke Seitenwind-Bö in Verbindung mit der damals noch weitgehend unerforschten Aerodynamik in hohen Geschwindigkeitsbereichen machtlos. Die ganze Nation und die Motorsportwelt trauerte, und Auto Union verlor den einzigen Piloten, der aus den Mittelmotor-Boliden mit ihrer delikaten Straßenlage alles herausholen konnte.
Bei den Grand Prix Rennen galt 1938/39 nach der „750 kg-Formel“ (1934-1937, Maximalgewicht trocken, ohne Räder 750 kg) eine neue Formel: Hubraum maximal 3 Liter bei aufgeladenen Motoren bzw. 4,5 Liter bei Saugmotoren, Mindestgewicht bei voller Ausschöpfung des Hubraumlimits 850 kg (trocken). Während Mercedes-Benz pünktlich zum Saisonbeginn seinen neuen W154 vorstellte, stand Auto Union nach dem tödlichen Unfall von Bernd Rosemeyer unter Schock. Der neue Typ D war erst zur Saisonmitte beim Großen Preis von Deutschland einsatzbereit, und erst dort, Mitte Juli am Nürburgring, konnte mit Tazio Nuvolari ein würdiger Ersatz für Rosemeyer gefunden werden. Zum Saisonende schaffte dieser schließlich die einzigen Auto Union-Erfolge in Monza und Donington Park, ansonsten ging die Saison klar an Mercedes. Von den vier Grands Prix zur Europameisterschaft gewannt Mercedes drei, mit unterschiedlichen Piloten (Caracciola, von Brauchitsch, Seaman), Auto Union nur den Preis von Italien. Und bei den Rennen ohne Meisterschaftsstatus war Mercedes ebenfalls erfolgreicher als Auto Union (3:1 Siege), so gewannt Lang sowohl in Tripolis als auch bei der Coppa Ciano. Am Ende wurde Caracciola erneut Europameister.
Der neue Mercedes-Benz W154 war im Übrigen nicht nur erfolgreich, er ist auch eine Augenweide, mit extrem flacher Karosserie, langer Motorhaube und spitz zulaufendem Heck – aus meiner Sicht ist er der attraktivste Grand Prix-Wagen der Vorkriegszeit, eher noch als der elegante W154 von 1939.
Ein ausführlicher Bericht dieser Webseite zur Grand Prix-Epoche der Jahre 1934 bis 1939 kann hier aufgerufen werden, er weist auch auf viele Quellen zu den Rennen dieser Zeit hin. Eine Tabelle fasst die Rennergebnisse 1938 (die Grand Prix-Sieger) zusammen, eine zweite Tabelle nennt 1:43-Modelle der deutschen Grand Prix-Rennwagen der 1930er Jahre (Stand 2019).
Die Sportwagenrennen 1938 rund um die Klassiker Le Mans und Mille Miglia
Die Sportwagenszene rund um die Saisonhöhepunkte Mille Miglia und Le Mans erfuhr durch den Einstieg der Franzosen ab 1936 einen Umbruch – im Grunde war es bei den leistungsstärkeren Fahrzeugen die Geburtsstunde der eigenständigen zweisitzigen Rennsportwagen.
Bis 1935 wurden die Endurance-Rennen von zwei Arten von Sportwagen dominiert: Einerseits Fahrzeuge, die bis auf einige Ausstattungsmerkmale mit reinrassigen Rennwagen nahezu identisch waren (z.B. die Alfa Romeo 8C-Reihe, die seit 1932 die Mille Miglia beherrschte); und zum anderen die großen Sportwagen, die in Le Mans am Start waren und über vier Sitze verfügen mussten – das waren aus heutiger Sicht also eher Renntourenwagen. Mit der Initiative des ACF und der Geburt neuer französischer Vollblutsportwagen hob der ACO die Vier-Sitze-Regel in Le Mans auf: Die Zweisitzer – sie waren nun auch dort die Favoriten auf den Gesamtsieg – setzten sich in der Sportwagen-Szene durch, und in Le Mans brach die gallische Epoche an: 1936 wären 12 der 13 auf den Gesamtsieg gewetteten Kontrahenten französische Fahrzeuge gewesen, und 1937, als die „neue Klasse“ dann erstmals ins Rennen ging, waren diese Zahlen identisch. Nur ein einziger Alfa Romeo 8C 2900A stemmte sich – vergeblich – gegen die Konkurrenz aus Frankreich. Sieger wurde einer der beiden Bugatti T57G mit Wimille und Benoist vor zwei Delahaye 135CS und einem Delage D6-70.
Die Sportwagen-Saison 1938 begann Anfang April traditionell mit der Mille Miglia. Alfa Romeo war hier seit 1932 siegreich, zuletzt (1936 und 1937) mit dem 8C 2900A Spider „Botticella“. 1937 kam der neue Delahaye 135CS immerhin auf Platz 3. 1938 erschien Alfa Corse mit vier brandneuen und bildschönen 8C 2900B Spider Corsa mit ca. 230 PS Leistung, bei einem der Autos, dem späteren Sieger, war sogar der Tipo 308-Grand Prix-Motor mit ca. 300 PS eingebaut. Delahaye konterte mit seinem neuen 4,5 Liter-V12 Typ 145, einem auf Sportwagen umgerüsteten Grand Prix-Rennwagen, aber die Alfas konnten sich – nicht zuletzt durch die bessere Streckenkenntnis ihrer italienischen Piloten – klar durchsetzen und holten die Plätze 1 bis 3. Delahaye kam dahinter auf Platz 4 mit dem 145 und Talbot auf Platz 5. Biondetti holte sich den ersten seiner vier aufeinander folgenden Siege der „echten“ Mille Miglia (1938-1949). Es waren die letzten 1000 Meilen quer durch Italien vor dem Krieg.
Im Juni folgte Le Mans: Zum erweiterten Favoritenkreis zählten 14 französische Sportwagen und erneut ein einsamer Alfa Romeo. Bugatti trat 1938 nicht an. Die schnellsten Fahrzeuge waren zwei Delahaye 145 V12, ein Talbot mit größerem 4,5 Liter-Motor (T150C alias T26) und die dramatische Touring-Berlinetta von Alfa (8C 2900B) mit den beiden Starpiloten Biondetti und Sommer, über die auf dieser Webseite bereits berichtet wurde (Bericht). Man erwartete, dass diese Fahrzeuge die Startphase dominieren würden, aber der Delahaye V12 war noch so neu und ebenso wie der Alfa so komplex, dass Zweifel über die Standfestigkeit angebracht waren. Eine erfolgreiche Zielankunft nach 24 Stunden wurde wohl eher den fünf bewährten Delahaye 135CS, den drei „normalen“ Talbot T150C Roadstern, den beiden T150SS Coupés oder dem einzigen Delage zugetraut. Und tatsächlich waren am Sonntagmorgen alle schnellen Autos mit Ausnahme des Alfa aus dem Rennen. Der Alfa lag zu der Zeit mit über 10 Runden in Führung. Kurz vor 13 Uhr, also drei Stunden vor Schluss, war es aber auch um ihn geschehen: Motorschaden, vermutlich als Folge eines kapitalen Reifenplatzers. Und am Ende lagen zwei eher konservativ gefahrene und bereits mechanisch angeschlagene Delahaye 135 vor einem Talbot 150SS Coupé und einem weiteren Delahaye – es war die große Stunde des französischen Herstellers exklusiver Touren- und Sportwagen sowie von Lastwagen.
Die zweite Saisonhälfte (Juli bis September) führte nach Spa (24 Stunden) und Paris-Montlhéry (12 Stunden) sowie zu kürzeren Rennen bei der Tourist Trophy (500 km) und in Antwerpen (540 km), mit folgenden siegreichen Fahrzeugen: Alfa Romeo 8C 2900B Spider (Spa), Talbot T150C (Montlhéry), Delage D6-70 (Tourist Trophy), Delahaye 135CS (Antwerpen) – siehe Tabelle 1938. Der Alfa 8C und der Delahaye 135 waren die beiden erfolgreichsten Sportwagen der Saison, und Clemente Biondetti stand kurz davor, das Double Mille Miglia und Le Mans in einer Saison zu schaffen und damit Tazio Nuvolari (1933) zu kopieren.
Sportwagenrennen 1939 – bevor die Lichter ausgingen
Die letzte Motorsportsaison vor dem Krieg sah mit den 24 Stunden von Le Mans ein einziges internationales Endurance-Rennen. Die Mille Miglia wurde wegen eines schweren Unfalls im Vorjahr abgesagt, die 24 Stunden von Spa fanden nicht statt und die 12 Stunden von Paris Mitte September fielen aus, da das Rennen bereits in die Zeit fiel, in der sich die europäischen Nationen im Kriegszustand befanden.
Bevor sich der Vorhang senkte, fanden aber neben Le Mans noch ein paar internationale Sportwagenrennen mittlerer Distanz in Antwerpen, Luxemburg und Südfrankreich statt (die 8 Stunden von Pescara waren dagegen eine nationale Veranstaltung) – siehe Tabelle 1939. In Le Mans konnte Bugatti seinen Triumph von 1937 wiederholen. Der T57C mit Wimille und Veyron am Steuer musste allerdings erst auf Ausfälle und technische Probleme der Konkurrenz warten: Der Talbot mit dem größeren 4,5 Liter-Motor, ein stark modernisierter Delahaye 135 und vor allem der neue Delage D6-3L bestimmten über viele Stunden das Rennen. Die Leistung des nur moderat motorisierten Delage war eine Überraschung des Rennens, die Vorstellung der beiden brandneuen Lagonda Rapide V12, die auf die Plätze 3 und 4 kamen, eine andere.
Angesichts der angespannten politischen Lage in Europa waren die vielen Neukonstruktionen der Saison 1939 schon erstaunlich. Sowohl Alfa Romeo (Typ 412 mit 4,5 Liter-V12 Kompressormotor) als auch Talbot (MD90), Delahaye (135, 2. Serie), Delage (D6-3L) und Lagonda (Rapide V12) setzten neue Fahrzeuge ein, und auch bei Bugatti wurde ein Nachfolger des T57 entwickelt, der T64 mit einem aufgeladenen 4,5 Liter-Achtzylindermotor. Alle großen Pläne wurden aber nach Ausbruch des Krieges zurück- und dann ganz eingestellt.
Die wichtigsten Ergebnisse der internationalen Sportwagenrennen und insbesondere der Endurance-Rennen sind für die Jahre 1937, 1938 und 1939 in drei Tabellen zusammengestellt worden.
Außerdem wurden für die drei Jahre alle für den Gesamtsieg in Le Mans in Frage kommenden Fahrzeuge aufgelistet und die jeweiligen Hersteller von Modellen in 1:43 (Stand 2019) genannt.
Fahrzeuge in Le Mans 1937 Fahrzeuge in Le Mans 1938
Die Protagonisten der Sportwagen-Jahre 1937 bis 1939
Die späten 1930er Jahre sind für die Anhänger von Langstrecken- bzw. Sportwagenrennen und für Modellsammler, die sich diesem Thema widmen, aus mehreren Gründen besonders interessant: Die technische Vielfalt, die unterschiedliche, attraktive und oft auch spektakuläre Optik der Fahrzeuge und die Konkurrenz zwischen heute legendären Automarken sind Merkmale, die die technischen und optischen Einheitsdesigns manch anderer Rennepoche in den Schatten stellen. In den letzten Jahren vor dem Krieg bewarben sich berühmte Hersteller wie Alfa Romeo, Bugatti, Talbot, Delahaye, Delage oder Lagonda um die Gesamtsiege bei den Endurance-Klassikern, getrieben von Sechs-, Acht- oder Zwölfzylindermotoren mit und ohne Kompressor, mit unterschiedlicher Ventilsteuerung, unterschiedlichen Transmissionskonzepten, verschiedenen Konzepten der Radaufhängung und mit einer Leistungsspanne zwischen 130 und über 250 PS, mit zum Teil hinreißenden Karosserien – Roadster mit separaten Kotflügeln, aerodynamisch innovative Formen, Coupés mit fließenden Linien, und immer mit langen Motorhauben.
Eine Übersicht stellt die wichtigsten Daten der Protagonisten zusammen und nennt ein paar Namen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Renneinsatz der Fahrzeuge stehen. Datenquellen werden in der Übersicht aufgeführt. Es geht um die folgenden Sportwagen:
Alfa Romeo 8C 2900A und B (1937/38) / Bugatti T57G (1937) und T57C (1939) / Talbot T150C, T26 und 150SS Coupé (1937-1939) / Delahaye 145 (1938/39) / Delahaye 135 CS (1937-1939) / Delage D6-70 (1937/38) und D6-3L (1939).
Alfa Romeo gewann drei der sieben der über die Jahre 1937 bis 1939 ausgetragenen großen Endurance-Prüfungen – die beiden Mille Miglia-Rennen 1937 und 1938 sowie das Rennen in Spa 1938. Dabei wurden weitere drei „Podiumsplätze“ erzielt. Zählt man alle wichtigen internationalen Sportwagenrennen über mittlere oder lange Distanzen zusammen (das waren nach meiner Einschätzung 18 Rennen über die drei Jahre – siehe Ergebnis-Tabellen), gewann Alfa Romeo vier Rennen, und die Italiener holten sich weitere fünf Podiumsplätze. Für Alfa waren die Tausend Meilen quer durch Italien traditionell das wichtigste Rennen des Jahres, hier waren die Sportwagen aus Portello absolut dominierend. Über die Rennsportgeschichte der Traditionsmanufaktur, die Alfa Romeo in den 1920er und 1930er Jahren darstellte, kann man auf dieser Webseite einen umfassenden Bericht lesen, außerdem widmet sich ein weiterer Bericht speziell dem 8C 2900B von 1938/39.
Der 8C 2900B Spider Corsa, also die Wettbewerbsversion, die parallel zu den luxuriösen Sportwagen für die Straße entwickelt wurde, löste 1938 den 8C 2900A der beiden Vorjahre ab, Renndebut war die Mille Miglia 1938. Es entstanden bei Touring fünf „Corsa“-Fahrzeuge mit Spider-Karosserien von Touring in Superleggera-Bauweise, eines dieser Autos wurde dann in die legendäre Le Mans-Berlinetta umgebaut. Der Alfa Romeo war sicher der technisch modernste, stärkste und komplexeste Konkurrent, er stellte quasi den „State of the Art“ der damaligen Technik für Sportwagen dar, und der Mille Miglia Spider von 1938 war wohl der schönste offene Sportwagen vor dem Krieg.
Bugatti war neben Alfa Romeo der zweite bereits seit den 1920er Jahren etablierte Hersteller von Rennsport- und Luxusfahrzeugen in kleinen Serien. Nach einigen Krisenjahren Anfang der 1930er übernahm Ettores Sohn Jean die technische und später auch die Geschäftsleitung. Der T57 war in allen Varianten seine Schöpfung, er wurde von 1934 bis 1940 gebaut und war mit einer Gesamtstückzahl um 800 die erfolgreichste Molsheimer Modellreihe. Gemeinsames Merkmal war der 3,3 Liter-Achtzylinder-Reihenmotor. Leichtmetall und zwei obenliegende Nockenwellen zeugten von seinen Rennsport-Genen. Die Varianten reichten von sportlichen Limousinen über Sportwagen bis hin zu exklusiven Supersportwagen und Rennsport-Versionen. Einen besonderen Höhepunkt im Design stellte der T57SC Atlantic dar, auf den im Abschnitt 2.2 des Berichts (2) noch eingegangen wird.
Bugatti nahm – vornehmlich mit dem T57G, aber auch mit anderen Modellen – an den Sportwagenrennen 1937 teil, nahm 1938 eine Auszeit und kehrte 1939 mit einem neuen T57C noch einmal nach Le Mans sowie einem weiteren Sportwagenrennen zurück. Bugatti siegte in den beiden Le Mans-Rennen 1937 und 1939 und gewann insgesamt bei vier der 18 hier ausgewählten Sportwagenrennen der Jahre 1937-1939. Die Le Mans-Siege der mit modernen, aerodynamischen Karosserien ausgestatteten T57 „Tanks“ bilden also den Höhepunkt der Bugatti-Renngeschichte der späten 1930er Jahre. Vom T57G wurden drei Fahrzeuge gebaut, Debutrennen war der Grand Prix von Frankreich 1936. Der T57C von 1939, der ein Solitär blieb, unterschied sich in wesentlichen Teilen vom T57G: Er hatte ein anderes Chassis mit längerem Radstand und im Gegensatz zum T57G einen Kompressor. Bemerkenswert ist bei beiden Fahrzeugen die starre Vorderachse – eines der Indizien für die z.T. starre Haltung vor allem des Patrons Ettore gegenüber technischen Neuerungen. Während der T57G noch im Museum oder bei Veranstaltungen besichtigt werden kann, liegt der T57C, das Le Mans-Siegerauto von 1939, bei Molsheim unter der Erde – er wurde nach dem tödlichen Unfall von Jean Bugatti bei einer Testfahrt 1939 in der Nähe des Werks dort begraben.
„If ever a car qualified as a throughbred, it was the French Talbot of the ´30s.“ (Ronald Barker, Supercar & Classics, 1991)
Zu den Talbot Lago-Rennsportwagen kann auf dieser Webseite ein Bericht aufgerufen werden, der sich ausführlich mit den Nachkriegsjahren bis 1954 befasst. Die Präsenz der Talbots bei Sportwagenrennen geht bis in die 1930er Jahre zurück und sie endete Mitte der 1950er Jahre. 1950 gewann ein T26GS in Le Mans, das war sicher der Höhepunkt ihrer Renngeschichte. 1950 und 1951 kamen in Le Mans noch zweite Plätze hinzu. Das Besondere an den großen Talbots war ihre Vielseitigkeit: Mit im Prinzip ähnlicher Technik (Motor, Getriebe, Antrieb, Fahrgestell,…) fuhr man sowohl Grand Prix- als auch Endurance-Rennen, und schließlich nutzten auch die repräsentativen, für die lange Reise gebauten Talbots der „Grandes Routières“-Kategorie, Luxuswagen mit herrlichen maßgeschneiderten Karosserien, die in Renn- und Sportwagen erprobte Technik. In dieser Vielfalt waren die Talbots einzigartig.
Talbot war eine alte Traditionsmarke mit britischen und französischen Wurzeln, bis Mitte der 1930er Jahre mit Sunbeam und Darracq verbunden. In Großbritannien produzierte Talbots waren als zuverlässige, eher konservative Tourenwagen bekannt, starteten aber 1930 bis 1932 auch erfolgreich in Le Mans (Typen 90 und 105). 1935 kam dann nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten das Ende: Einen Teil des Konzerns übernahm in England die Rootes Gruppe, und der französische Zweig konnte durch Antonio F. Lago, Ingenieur, Venezianer von Geburt und Bürger Frankreichs, gerettet werden. Zusammen mit Delahaye, Delage und Bugatti begründete Talbot nun eine Tradition französischer Rennsportwagen, die bis in die frühen 1950er Jahre nachwirken sollte. Zusammen mit Walter Becchia schuf Antonio Lago für diese neue Kategorie den „T 150C“ (C=Course) mit einem Vierliter-Sechszylinder-Reihenmotor und einer klassischen Roadster-Karosserie mit frei stehenden Kotflügeln (Becchia schuf später übrigens den Motor des Citroen 2CV). Bemerkenswert ist dabei, dass der Motor einerseits mit einer tief liegenden Nockenwelle (Ventiltrieb über Stoßstangen und Kipphebel) eher konservativ ausgelegt war, andererseits aber über eine moderne Ventilanordnung verfügte, die einen halbkugelförmigen Verbrennungsraum ermöglichte und damit einem Hochleistungskonzept folgte. Zusammen mit dem für Talbot typischen „Vorwähl-Getriebe“ (preselector gearbox), bei dem der nächste Gang per Schaltung am Lenkrad „vorgewählt“ werden konnte (dann genügte nur noch der Tritt aufs Kupplungspedal), stand die Antriebstechnik der Talbots bis in die 1950er Jahre für eine Kombination aus konservativen und fortschrittlichen Elementen.
Der T150C debutierte in Marseille im Mai 1936. Insgesamt wurden sechs Fahrzeuge gebaut und bis 1939 eingesetzt, ab 1938 z.T. auch mit einem auf 4,5 Liter vergrößerten Motor – diese Talbots werden in einigen Quellen auch „T26“ genannt (26 war in Frankreich ein Hubraum-Maß, die Zahl stand für die französischen Steuer-PS). Werkseinsätze erfolgten durch Luigi Chinetti. Parallel zum T150C Roadster gab es auch eine Coupé-Variante (T150SS), die z.B. in Le Mans 1938 mit Platz 3 erfolgreich war. 1939 folgte ein Neubau mit einem Fahrzeug, bei dem der Fahrer wie beim Sportwagen üblich seitlich versetzt im Wagen saß (Typ „MD“ = „Monoplace Décalée“, das ist beim Sportwagen eigentlich falsch, denn der war natürlich ein Zweisitzer). Beim parallel entwickelten, bauähnlichen Grand Prix Rennwagen ging man schließlich zur klassischen Mittelposition des Fahrers über („Monoplace“).
Die Rennbilanz der Talbots sah in den Jahren 1937-1939 wie folgt aus: Ein Sieg und ein weiterer Podiumsplatz bei den sieben Endurance-Rennen – ein Talbot siegte bei den 12 Stunden von Paris 1938. Bei allen 18 hier berücksichtigten internationalen Sportwagenrennen wurden sechs Siege und weitere elf Podiumsplätze erzielt. Gemessen an den 17 Podiumsplätzen waren die Talbots vor den Delahayes (12 Plätze) die erfolgreichsten Rennsportwagen dieser Epoche.
Ein neuer Bericht zum Talbot T150 folgt auf dieser Webseite, sobald das lange angekündigte Spark-Modell lieferbar ist (Stand 2019, 2022 warten wir immer noch auf das Spark-Modell, 2024 könnte es soweit sein…).
Delahaye: Anders als die Konkurrenten Alfa Romeo, Bugatti oder Delage konnte Delahaye in den 1930er Jahren nicht auf eine lange Motorsporttradition zurückblicken. Vielmehr schaffte man, obwohl Firmengründer Émile Delahaye bereits im 19. Jahrhundert mit der Autoproduktion begann, erst 1934 den Schritt vom Hersteller eher langweiliger, schwerer und leistungsschwacher Alltagsautos und vor allem von Lastwagen und Feuerwehren zu einem Premium-Produzenten mit Motorsport-Ambitionen. Zwei Impulse führten zu diesem Wandel: Erstens schuf Konstrukteur Jean François unter der Leitung des Firmenchefs Charles Weiffenbach einen modernen Sechszylinder mit 3,2 Litern Hubraum (Modell „Superlux“), und zweitens übernahm man 1935 den Traditionshersteller Delage mitsamt seiner glorreichen Motorsporthistorie. Der Superlux war der Prototyp des Typ 135, von dem es drei Versionen gab: Den „Sport Normal“, den „Coupe des Alpes“, der in Rallyes eingesetzt wurde, und den „Compétition Sport“ (CS) für den Rennsport mit 3,5 Liter-Sechszylindermotor. Die Motoren stammten übrigens aus der Lastwagen-Produktionsreihe, und entsprechend bestachen die Delahayes weniger durch ihre Motorleistung sondern eher durch Zuverlässigkeit. Parallel zum traditionellen Rennsport-Roadster mit separaten Kotflügeln entstanden – ähnlich wie bei Bugatti, Talbot oder Delage – Luxussportwagen, die von renommierten Karosseriebauern eingekleidet wurden – siehe Bericht (2).
Der 135CS begann seine Rennkarriere in Marseille im Mai 1936. Die Werkseinsätze erfolgten durch die „Écurie Bleu“ von Lucy und Laury Schell, viele der 14-16 gebauten Fahrzeuge wurden aber privat eingesetzt und von ihren Besitzer immer wieder modifiziert. In Le Mans 1939 war dann ein deutlich leichterer und stärkerer 135CS am Start, der im Rennen die schnellste Runde fuhr und zeitweise in Führung lag. Da zu den Rennen meist viele Delahayes gemeldet wurden und ihre Ausfallquote gering war, erzielte man über die Zeit 1937-1939 viele Podiumsplätze. Bei den sieben Langstreckenrennen dieser Jahre sprangen ein Sieg (Le Mans 1938) sowie sechs weitere Podiumsplätze heraus, bei allen 18 Sportwagenrennen gab es drei Siege und neun weitere Podiumsplätze.
Während der Typ 135 die Rennsportvariante einer ganzen Modellreihe darstellte, war der Typ 145, der beim Grand Prix des ACF 1937 sein Debut feierte, ein reines Rennsportfahrzeug. Er konnte sowohl im Grand Prix-Rennwagentrimm als auch als Sportwagen mit Kotflügeln eingesetzt werden. Sein Leichtmetall-V12 war eine moderne, ungewöhnliche Konstruktion mit drei (!) Nockenwellen, der Roadster-Karosserie von Lecanu konnte man allerdings beim besten Willen keinen Ästhetikpreis verleihen. Auch der 145 wurde als Rennsportwagen von der Écurie Bleu bzw. von Lucy Schell eingesetzt, aber die Technik war neu und fragil, so dass die Zwölfzylinder häufig ausfielen. Seine größten Erfolge erzielte er bei der Mille Miglia 1938 mit Platz vier hinter den drei Alfa 8C 2900B und als Rennwagen bei seinem Überraschungssieg in Pau 1938. Mit René Dreyfus, einem jüdischen Piloten, besiegte ein französischer Rennwagen den favorisierten Werks-Mercedes aus NAZI-Deutschland – eine bemerkenswerte Anekdote…
Als der Delage D6 im Jahr 1936 für die 24 Stunden von Le Mans gemeldet wurde, konnte man bereits auf eine erfolgreiche, aber auch wechselvolle Geschichte zurückblicken. Louis Delage gründete seine Firma 1905, und die Teilnahme am Motorsport folgte für viele Hersteller aus der Gründerzeit des Automobils fast automatisch. Größter Vorkriegserfolg war der Sieg eines Delage bei den 500 Meilen von Indianapolis im Jahr 1914. Das alles war aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf die 1920er Jahre: Sie bildeten einen Höhepunkt der Rennsport-Geschichte der Firma. 1923 entstand unter der Leitung von Ingenieur Charles Planchon der Grand Prix-Rennwagen 2LCV mit einem hoch komplexen 2-Liter-V12-Motor mit vier obenliegenden Nockenwellen (2 Liter Hubraum entsprachen der Grand Prix-Formel 1923-1925). Es war der erste erfolgreiche V12-Motor der Renngeschichte und späteres Vorbild für Enzo Ferrari. Fahrer waren 1924 und 1925 Albert Divo und Robert Benoist. 1926 schrieb die Grand Prix-Formel einen maximalen Hubraum von nur noch 1,5 Litern vor. Bei Delage entwickelte Albert Lory mit dem 15-S-8 ein Meisterwerk: Erstmals in der Geschichte des Automobils erreichte man mit dem Achtzylinder-Reihenmotor mit Kompressor mehr als 100 PS Literleistung. Eine verbesserte Version war dann 1927 das überlegene Grand Prix-Fahrzeug: Man gewann vier der fünf WM-Rennen mit Robert Benoist als Pilot. Die besondere Personalie Benoist, der aus heutiger Sicht 1927 überlegener Weltmeister geworden wäre, sollte man sich einmal über Google/Wikipedia ansehen. Nach 1927 standen die Delage dann aber zunehmend im Schatten von Bugatti und Alfa Romeo.
Mit den ausbleibenden Rennerfolgen ging der Niedergang bei der Produktion teurer, technisch anspruchsvoller Tourenwagen einher. Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 hinterließ auch hier ihre Spuren. 1935 wurde die Firma liquidiert und vom Konkurrenten Delahaye übernommen. Louis Delage wurde dort als technischer Berater engagiert, und zusammen mit dem Pariser Delage-Händler Walter Watney konnte man auf Delahaye-Fahrgestellen weiterhin Delage-Modelle entwickeln, sowohl für die Straße als auch für den Motorsport. Delage und Watney schufen 1936 auf Basis des Delahaye 135-Chassis den „D6-70“ Sportwagen („Speciale“), ein einzelnes Fahrzeug, das zunächst als Coupé (Entwurf: Joseph Figoni) an den Start ging. Für Le Mans 1936 wurde dieses D6-Coupé (Chassis-Nr. 50688) gemeldet, aber das Rennen fiel bekanntlich aus, das Coupé feierte sein Debut dann erst in Le Mans 1937 und belegte dort einen sehr guten vierten Platz. 1938 trat der D6-70 (Nr. 50688) nun mit offener Karosserie in Le Mans an und gewann die Tourist Trophy. 1939 wurden auf Basis des D6 zwei neue Sportwagen mit Leichtbau-Chassis gebaut: D6-3L, Chassis-Nrs. 51820 und 51821. Die beiden Roadster wurden von Walter Watney für Le Mans 1939 gemeldet. Fahrzeug Nr. 51821 holte dort mit Gérard und Monneret einen ehrenvollen zweiten Platz hinter dem siegreichen Bugatti T57C. Im folgenden Jahr 1940 fuhren die beiden D6-3L noch bei der „Ersatz“-Mille Miglia, einer davon mit Taruffi und Chinetti prominent besetzt, aber beide Fahrzeuge fielen aus.
Delage blieb bei den fünf Rennen in Le Mans zwischen 1937 und 1950 zwar ohne Sieg, schrammte aber 1939 und 1949 knapp am Gesamterfolg vorbei, obwohl man mit dem Dreilitermotor gegenüber der Konkurrenz deutlich unterlegen war. Die Bilanz der Jahre 1937-1939: Zwei Podiumsplätze bei den sieben Endurance-Rennen, ein Sieg und weitere vier Podiumsplätze bei allen 18 internationalen Sportwagenrennen. Ein Bericht zum Delage D6 in Le Mans 1949 und dem 1:43-Modell von GCAM kann auf dieser Webseite aufgerufen werden.
Der zweite Bericht über die Jahre 1937-1939 kann hier aufgerufen werden.
Quellen:
Literatur: Siehe Rubrik „Über diese Seite“ → „Anmerkungen zu Minerva Endurance“
Spezielle Quellen: Cyril Posthumus, Classic Sports Cars, Hamlyn, 1980. Quentin Spurring, Le Mans – The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1930-39, Evro Publ., Sherborne 2017.
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