Der erste Teil des Berichts zum Thema „Grand Prix-Ikonen von Alfa Romeo“ beschrieb die frühen Starts von Alfa Romeo-Rennwagen vor und direkt nach dem Ersten Weltkrieg bis zum ersten großen Erfolg, dem Sieg des RL TF mit Ugo Sivocci bei der Targa Florio 1923. Im selben Jahr missglückte allerdings auch der erste Versuch nach dem Krieg, einen Grand Prix-Rennwagen auf die Beine zu stellen. Das Projekt „P1“ wurde nach dem tödlichen Unfall von Sivocci bei Testfahrten in Monza begraben und der bisherige Chefkonstrukteur Merosi durch Vittorio Jano ersetzt. Dieser entwickelte für die anstehende Grand Prix-Saison 1924 den „P2“, den ersten Achtzylinder von Alfa Romeo. Der erfolgreichste Grand Prix-Rennwagen der Jahre 1924/25 holte für Alfa 1925 die erste Weltmeisterschaft. In den beiden folgenden Jahren war der P2 mit dem 2-Liter-Motor in Rennen der Grand Prix-Formel nicht mehr startberechtigt, fuhr aber in Privathand noch einige Jahre in formelfreien Rennen, überwiegend in Italien. Bei Alfa Romeo entstanden in den Jahren bis 1930 mittlerweile die berühmten Sportwagen 6C 1500 und 6C 1750, die vor allem bei der Mille Miglia reichliche Lorbeeren einsammelten – das war nach dem P2 der zweite Streich des genialen Jano, aber das ist ein anderes Thema.
Hier folgt nun der zweite Teil des Berichts.
(3) Der vielseitige 8C – Tourenwagen, Sportwagen, Rennwagen (Typ Monza)
Für die großen Rennen der Jahre nach 1930 – Mille Miglia, Le Mans und Grands Prix – war nun eine neue Konstruktion fällig. Das war Janos dritter Streich, und der neue „8C“ war vielleicht eines der größten Multitalente in der Geschichte des Motorsports. Der „8C 2300“ gab sein Renndebut als Sportwagen bei der Mille Miglia im April 1931, dort noch ohne zählbares Resultat. Aber schon in den nächsten Wochen löste ein Sieg den nächsten ab, zunächst bei der Targa Florio und dann auf verkürztem Chassis als zweisitziger Rennwagen beim Gran Premio d´Italia: „Monza“ wurde damit Namensgeber für den 8C im Rennwagen-Trimm. Und im Sommer siegte der 8C als Tourenwagen mit langem Radstand und vorgeschriebenen vier Sitzen in Le Mans: Auftakt einer bis dahin beispiellosen Karriere auf allen klassischen europäischen Rennstrecken. In der Zeit 1931-1935 siegt der 8C je viermal in Le Mans (1931-1934) und bei der Mille Miglia (1932-1935) – das waren damals die beiden wichtigsten Endurance-Prüfungen für Sportwagen. Und im Grand Prix-Sport prägte der 8C Monza die Szene im Jahr 1931 zusammen mit dem Bugatti T51.
In allen Fällen bildete Janos 2,3 Liter-Achtzylinder-Reihenmotor (zwei Vierzylinder-Alu-Blöcke hintereinander) mit Kompressor-Aufladung und zwei obenliegenden Nockenwellen, optisch eine Augenweide, die Antriebsbasis – für elegante Tourenwagen, Sportwagen für die Straße und die Rennpisten der Welt und für den Grand Prix-Rennwagen „Monza“. Der 8C war eben ein „Allrounder“, von dem, alle Varianten zusammengerechnet, knapp 200 Fahrzeuge entstanden (siehe Bericht zum 8C 2300).
Bei den drei wichtigsten Grands Prix der Saison 1931, die die Fahrer-Europameisterschaft bildeten, gewann der 8C Monza in Italien mit Campari und Nuvolari vor einem zweiten Monza (Minoia-Borzacchini). In Frankreich (Montlhéry) wurden Campari-Borzacchini Zweite hinter einem Bugatti T51, und in Belgien (Spa) gewann erneut der Bugatti T51 vor zwei Alfa 8C Monza mit Nuvolari-Borzacchini und Minoia-Minozzi. Alle drei Rennen waren mit Distanzen von 1300 bis knapp 1600 km und im Schnitt über 10 Stunden Dauer echte Endurance-Rennen, bei denen sich zwei Piloten ablösten.
1932 setzte sich die Erfolgsserie zunächst fort: Nuvolari gewann in Monaco und bei der Targa Florio. Im Juni kam dann die nächste Entwicklungsstufe des Alfa Romeo 8C: Der „Tipo B“ alias „P3“ Monoposto gewann mit Nuvolari den Gran Premio d´Italia. Die weitere Geschichte des P3 folgt im nächsten Abschnitt. Jedenfalls stand der 8C Monza in der zweiten Jahreshälfte, nun in Privateinsätzen, im Schatten des P3. 1933 wendete sich das Blatt aber erneut: Aus finanziellen Gründen zog sich das Alfa-Werksteam mit seinen P3-Fahrzeugen zurück und überlies der Scuderia Ferrari die Renneinsätze, allerdings nur mit dem Monza, der nun gegen Bugatti und Maserati einen schweren Stand hatte, obwohl er mittlerweile mit einem 2,6 Liter-Motor ausgestattet war. Schließlich konnte Ferrari in der zweiten Saisonhälfte dann doch die schnelleren P3-Monoposti einsetzen. Der 8C Monza setzte seine Karriere in Privateinsätzen fort, gewann 1933 erneut die Targa Florio und 1934 die Mille Miglia – das war ein auf Sportwagen umgebauter Monza mit Kotflügeln, Scheinwerfern und einem recht engen Platz für den kleinwüchsigen Beifahrer. In der glorreichen Historie von Alfa Romeo stand der 8C Monza am Ende aber doch im Schatten des Tipo B, des ersten erfolgreichen Grand Prix-Monoposto der Renngeschichte.
Die technischen Daten des 8C Monza und Modelle in 1:43 (Stand 2020) wurden in zwei Übersichten zusammengestellt.
Kaum zu glauben: Vom 8C Monza ist bis 2020 kein Diecast- oder Resincast-Modell hergestellt worden – man muss also auf teure Kleinserienmodelle bzw. Bausätze zurückgreifen (Remember, FB Modelli, MG Models).
(4) P3 alias Tipo B: Der erste erfolgreiche Grand Prix-Monoposto der Geschichte
Nachdem im Grand Prix-Sport keine Beifahrer mehr vorgeschrieben waren, entstand die Idee eines einsitzigen Rennwagens („Monoposto“) – dabei musste allerdings das Problem eines möglichst tief liegenden Fahrersitzes gelöst werden: Das war bei Zweisitzern leichter, der Fahrersitz war da ja neben der mittig durchlaufenden Kardanwelle montiert. Den ersten Monoposto schuf Jano 1931 mit dem Tipo A, der mit zwei nebeneinander angeordneten Sechszylinder-Motoren ausgestattet war. Das war eine bärenstarke, aber technisch sehr komplexe Konstruktion („un capriccio“), die nach dem tödlichen Unfall von Arcangeli beim Training zum Gran Premio in Monza 1931 und weiteren wenig erfolgreichen Auftritten (Ausnahme: Sieg von Campari bei der Coppa Acerbo) in den Hintergrund trat. So war der Tipo B nach Nuvolaris Debut-Sieg beim Gran Premio d´Italia zur Saisonmitte 1932 der erste erfolgreiche Monoposto der Geschichte, der inoffiziell in den Printmedien schnell den Kurznamen „P3“ erhielt, in Erinnerung an den P2 aus den 1920er Jahren.
1932: Seit seinem Auftreten in Monza im Juni dominierte der P3 die restliche Saison mit Siegen bei den Grands Prix von Frankreich in Reims (erneut Nuvolari) und Deutschland auf dem Nürburgring (Caracciola), wobei in beiden zur Europameisterschaft zählenden Rennen sogar die Plätze 2 und 3 an den P3 gingen. Die Distanzen lagen mit ca. 600-850 km unter denen des Vorjahres. Nuvolari siegte mit dem P3 außerdem bei der Coppa Ciano und der Coppa Acerbo und wurde überlegen Europameister.
1933: Alfa verzichtete auf Werkseinsätze und betraute die Scuderia Ferrari mit dem Sportprogramm. Aber erst ab September erhielt Ferrari die zuvor arbeitslosen P3 vom Alfa Werk, rechtzeitig zum Gran Premio d´Italia, den Fagioli gewann. Beim Grand Prix von Spanien siegte Chiron, und Fagioli war wiederum bei der Coppa Acerbo erfolgreich – der P3 war auf die Siegerstraße zurückgekehrt.
1934: Mit der Einführung der 750 kg-Formel und der Premiere der deutschen Neukonstruktionen von Mercedes-Benz und Auto Union änderte sich die Grand Prix-Szene nachhaltig. Der P3 konnte mit kleineren Änderungen (breitere Karosserie, Motor auf 2,9 Liter vergrößert) die Bedingungen der neuen Formel gut erfüllen und seine Erfolgsgeschichte in den ersten Rennen der Saison fortsetzen, als die deutschen Konkurrenten noch nicht am Start oder noch nicht ganz aussortiert waren. So gewann das Supertalent Guy Moll mit dem P3 in Monaco und Chiron in Montlhéry beim Grand Prix de l`ACF, obwohl dort bereits die deutschen Werksteams am Start waren. Varzi holte sich den Grand Prix von Tripolis, die Coppa Ciano und die Targa Florio. Spätestens ab Juli, mit dem Großen Preis von Deutschland, ließen die neuen Silberpfeile aber meist nur noch dritte oder vierte Plätze zu, und bei der Coppa Acerbo musste Alfa zudem den Verlust ihres neuen Stars Moll verkraften. Mit Arcangeli, Campari, Borzacchini und nun Moll, allesamt erfolgreiche bzw. viel versprechende Alfa-Piloten, forderten die mittlerweile den stärkeren Fahrzeugen nicht mehr angepassten Rennstrecken, der völlig fehlende Sicherheitsstandard der Fahrzeuge und die fehlenden Sturzhelme für die Piloten ihren Tribut.
1935: Die Dominanz von Mercedes-Benz und Auto Union war mittlerweile erdrückend. Dem P3 gelangen bei den Rennen zur Grand Prix-Europameisterschaft nicht einmal eine Handvoll Podiumsplätze – mit einer Ausnahme: Der unvergleichliche Tazio Nuvolari fuhr am Nürburgring beim Großen Preis von Deutschland vermutlich das Rennen seines Lebens und besiegte die gesamte deutsche Armada in einem Rennen, das bis heute einen festen Platz in der Rennsportgeschichte hat. Wenn der P3 untrennbar mit Nuvolari verbunden wird, denkt man auch an seine Erfolge von 1932, aber zu allererst an dieses epische Rennen.
Die Aufrüstung mit einem nunmehr auf 3,2 Liter (z.T. auch auf 3,8 Liter) vergrößerten Motor und einer frühen Form einer unabhängigen vorderen Radaufhängung (System „Dubonnet“) konnte dennoch den Rückstand gegenüber den deutschen Konkurrenten nicht aufholen. Neben der Sensation am Nürburgring war der Sieg eines P3 bei der Targa Florio mit Brivio am Steuer ein zweiter Höhepunkt des Jahres für Alfa, und bei der Mille Miglia gewann Pintacuda mit einem P3 im Sportwagen-Outfit, also mit zwei Sitzen, Kotflügeln und Scheinwerfern. Bei den Grands Prix hatte der Ferrari-Rennstall aber bereits die Ablösung des P3 durch den neuen 8C-35 eingeleitet.
Die Gesamtbilanz des P3 vom Debut in Monza 1932 bis zum Grand Prix von Frankreich 1934 ist – gemessen an den Grands Prix der obersten Kategorie – in der Tat eindrucksvoll. Bei sieben der zehn Großen Preise dieser Zeit waren die P3-Alfas am Start, und siebenmal waren sie siegreich, blieben also bis zur Ablösung durch die deutschen Silberpfeile ungeschlagen,
Die technischen Daten und Modelle in 1:43 des 8C Tipo B alias „P3“ (Stand 2020) wurden in zwei Übersichten zusammengestellt.
Vom P3 sind preisgünstige 1:43-Diecast-Modelle von Rio und im Rahmen der Alfa Romeo Sport Collection (Metro) produziert worden. Bei Metro und den älteren Rio-Modellen können allerdings die Speichenräder nicht überzeugen, bei den neueren Rio-Modellen sind diese besser ausgeführt.
Kleinserienmodelle des P3 gab es in den 1980er Jahren von Metal43 (Plumbies, Version Nürburgring 1935). Später kamen schöne Modelle von FB Modelli heraus, auch hier die etwas breitere P3-Version ab 1934. Von SMTS, dem britischen Hersteller von Metallbausätzen, gab es in der Serie „Voiturette“ einen Bausatz bzw. ein relativ teures, vom Hersteller produziertes Kleinserien-Fertigmodell, das deutlich feiner gearbeitet und vor allem mit filigranen Speichenfelgen ausgestattet ist – das Modell ist in diesem Bericht abgebildet (Version Gran Premio d´Italia, Monza 1932) und mit etwas Mühe heute noch über Internet-Seiten aufzutreiben. Leider sind die Reifen etwas zu groß und breit geraten, sie entsprechen eher der Bereifung der heute noch bei Revival-Veranstaltungen auftretenden P3-Fahrzeuge (z.B. beim Goodwood Revival Meeting), aber nicht den schmalen Reifen Anfang der 1930er Jahre (vermutlich 5,50 x 19 Zoll). Dies wurde hier inzwischen nachträglich korrigiert. Im Übrigen wurde der P3 als wichtiger Meilenstein der Grand Prix-Geschichte schon in den 1970er Jahren von den Begründern der Kleinserien-Metallbausätze produziert: Paddy Stanley, John Day und Grand Prix Models.
Der dritte und letzte Teil des Berichts befasst sich mit den Typen 158 und 159 „Alfetta“.
Quellen – Webseiten:
„goldenera.fi“ – Umfassende Berichte und Statistiken zu den Grand Prix-Jahren 1925 bis 1940, von Leif Snellman, mit Berichten von Hans Etzrodt.
„lnx.fbmodel.it“ (Alfa Romeo Story) – Ein in italienischer Sprache publizierter Bericht über Alfa Romeo-Modellautos – eine Fundgrube für den Alfa-Modellsammler (Maßstab 1:43).
Außerdem: „ultimatecarpage“ und „Targapedia“ (zur Targa Florio)
Bücher:
Adriano Cimarosti, Autorennen – Die großen Preise der Welt, Wagen, Strecken und Piloten, von 1894 bis heute, Hallwag Verlag, Bern, 1986.
Christian Schön, Alfa Romeo Rennwagen, Alle Rennfahrzeuge von 1911 bis heute, Heel, Königswinter 2012.
Peter Hull, Alfa Romeo, Ballantines Illustrated History of the Car, Book No 2, Ballantines Books, New York, 1971.
Luigi Fusi, Alfa Romeo Tutte Le Vetture Dal 1910, All Cars from 1910, Emmeti Grafica, Milano, 3. Ausgabe, 1978.