Bericht von 2020, z.T. aktualisiert bis 2024
In Sammlungen von 1:43-Modellen der Endurance-Szene spielt naturgemäß der Klassiker Le Mans eine zentrale Rolle. Bis 2020 konnte man 88 Le Mans-Gesamtsieger in die Vitrine stellen, und wenn man sich auf die Nachkriegsjahre ab 1949 beschränkt, waren es immer noch 72 Modelle.
Von allen Le Mans-Siegern sind (oder waren) Replikas unterschiedlicher Qualität und Preislage erhältlich – von Diecast-Großserien- über Resincast-Modelle in aktuellem Standard bis zu High Tech-Bausätzen und Studio-Modellen in Kleinstserien: Von 20 bis weit über 200 Euro (und mehr). Le Mans-Sammlungen in 1:43 können nach Jahrgängen, Herstellern oder Piloten geordnet werden, oder man stellt die Modelle von Fahrzeugen in Gruppen zusammen, die nach diversen Kriterien übereinstimmen – diese können sich auf die Fahrzeuge oder die Piloten beziehen.
In diesem Bericht werden die folgenden Kriterien aufgegriffen:
(1) Gleiche Fahrzeuge, die mehrmals gewonnen haben (mit Unterbrechung oder in aufeinander folgenden Jahren): Fahrzeuge gleichen Typs oder identische Fahrzeuge (gleiche Chassis-Nummer)
(2) Gleiche Fahrzeuge desselben Teams, die die Plätze 1, 2 und 3 belegten (komplettes Podium)
(3) Fahrerteams, die mehrmals gewonnen haben (in Folge oder mit Unterbrechung)
(4) Piloten, die sowohl in Le Mans siegreich waren als auch Formel 1-Weltmeister wurden (oder die auch bei den Indy 500, den Daytona 24 Hrs. oder den Sebring 12 Hrs. gewonnen haben)
(5) Piloten, die im selben Jahr Trainingsschnellste und Sieger in Le Mans waren
Alle folgenden Angaben zu (1) und (2) beziehen sich auf die Jahre bis 2020, bei (3), (4) und (5) auf die Zeit bis 2024.
(1) Fahrzeuge, die mehrmals gewonnen haben
Zunächst muss geklärt werden, was „gleiche“ und was „identische“ Fahrzeuge sind. Letzteres ist einfach: Identische Fahrzeuge sind in Bezug auf Karosserie, Antriebsstrang (Motor/Getriebe) und Namensgebung weitestgehend gleich und – entscheidend – sie haben die identische Chassis-Nummer. „Gleiche“ Fahrzeuge sind Autos mit unterschiedlichen Chassis-Nummern aus einer Serie mit identischem Namen, allerdings sollen hier kleinere Unterschiede bei Karosserie (aerodynamische Teile) und beim Antriebsstrang erlaubt sein, die im Zuge der Weiterentwicklung über mehrere Jahre auftreten.
„Identische“ Fahrzeuge: Die Liste identische Fahrzeuge, die zweimal (hintereinander) in Le Mans gewonnen haben, ist übersichtlich. Eindeutig gehören die folgenden vier Autos zu dieser seltenen Gruppe:
Bentley Speed Six, Le Mans-Sieger 1929 und 1930 (Fzg-Nr.: LB2332)
Ford GT 40, Le Mans-Sieger 1968 und 1969 (in Gulf-Farben)(Fzg-Nr.: 1075)
Porsche 956B Joest Racing, Sieger 1984 und 1985 (in New Man-Farben) (Fzg-Nr.: 117)
Joest Porsche WSC, Sieger 1996 und 1997 (Fzg-Nr.: 001)
Bei anderen „Seriensiegern“ ist dieser spezielle Fall nach meiner Recherche sehr unwahrscheinlich. Die Audi R8-Le Mans-Sieger hatten alle unterschiedliche Chassis-Nummern, ebenso die drei Audi R10. Sehr wahrscheinlich waren auch die jüngeren Seriensieger in den Jahren 2011 bis 2020 (Audi, Porsche und Toyota) jährlich mit neuen Fahrzeugen am Start, und die Alfa Romeo 8C der Jahre 1931 bis 1934 waren ebenfalls wohl jeweils unterschiedliche Fahrzeuge.
„Gleiche“ Fahrzeuge: Unter strengen Maßstäben, über die man sicher diskutieren kann, wären folgende Typen nicht gleich: Alfa Romeo 8C (1931: Sieger Typ „LM“ mit langem Radstand gegenüber dem Typ „MM-LM“, Sieger 1932-34, mit kürzerem Radstand, d. h. wie Typ „Mille Miglia“, aber mit 4 Sitzen) / Porsche 956 gegenüber 962C (unterschiedlicher Name, unterschiedlicher Radstand) / Audi R18 (2011) gegenüber dem R18 e-tron (2012-2014): unterschiedliches Motor-Konzept – Hybrid- bzw. konventioneller Antrieb.
Entsprechend sieht die Liste der Mehrfach-Le Mans-Sieger wie folgt aus:
Audi R8 – 5 Siege, darunter drei in Folge (2000-2002, 2004, 2005)
Porsche 956 – 4 Siege in Folge (1982-1985) (ohne Siege des 962C 1986/87)
Alfa Romeo 8C 2300 MM-LM – 3 Siege des MM-LM in Folge (1932-1934) (ohne 1931)
Jaguar D – 3 Siege in Folge (1955-1957)
Matra MS 670 – 3 Siege in Folge (1972-1974)
Porsche 936 – 3 Siege (1976, 1977, 1981)
Audi R10 TDI – 3 Siege in Folge (2006-2008)
Audi R18 e-tron – 3 Siege in Folge (2012-2014) (ohne Sieg des R18 in Le Mans 2011)
Porsche 919 – 3 Siege in Folge (2015-2017)
Toyota TS 050 – 3 Siege in Folge (2018-2020)
(2) Gleiche Fahrzeuge desselben Teams, die die Plätze 1, 2 und 3 belegten (komplettes Podium)
1926: Lorraine Dietrich B3-6 (Werkswagen)
1982: Porsche 956 (Rothmans-Werksteam)
1993: Peugeot 905 Evo (Werkswagen)
2000: Audi R8 (Werkswagen, eingesetzt von Joest Racing)
2002: Audi R8 (Werkswagen, eingesetzt von Joest Racing)
2010: Audi R15 TDI plus (Werkswagen, eingesetzt von Joest Racing)
Bei allen Dreifachsiegen der Nachkriegszeit fuhren die Fahrzeuge übrigens in Formation über die Ziellinie. Es waren also echte „Formation Finish“ Situationen, anders als z.B. 1988, als drei Jaguar gemeinsam über die Ziellinie fuhren, aber nicht auf den Plätzen 1, 2 und 3.
Drei Sonderfälle: (1) Bentleys belegten 1929 die ersten drei Plätze, allerdings mit unterschiedlichen Fahrzeugen („Speed Six“ als Siegerfahrzeug, „Super Sport“ auf den Plätzen 2 und 3). (2) Beim Dreifacherfolg der Ford GT40 Mark II in Le Mans 1966 waren alle drei Ford Werkswagen, allerdings eingesetzt von unterschiedlichen Teams (Shelby bzw. Holman&Moody). (3) Drei Audi belegten 2012 das Podium, aber mit zwei unterschiedlichen Antriebsarten (R18 e-tron und R18).
(3) Fahrerteams, die mehrmals gewonnen haben
3 Siege:
Gendebien – Phil Hill (1958, 1961, 1962, mit Ferrari)
Ickx – Bell (1975, 1981, 1982, Mirage und Porsche)
Biela – Pirro – Kristensen (2000, 2001, 2002, Audi)
Lotterer – Fässler – Tréluyer (2011, 2012, 2014, Audi)
2 Siege:
Pescarolo – Larrousse (1973, 1974, Matra)
2 Siege: Stuck – Bell – Holbert (1986, 1987, Porsche)
2 Siege: Werner – Biela – Pirro (2006, 2007, Audi)
2 Siege: Alonso – Buemi – Nakajima (2018, 2019, Toyota)
(4) Piloten, die in Le Mans siegreich waren und weitere wichtige Titel holten
Le Mans-Sieger (LM) und Formel 1-Weltmeister (WM):
Mike Hawthorn (LM 1955 Jaguar / WM 1958 Ferrari)
Phil Hill (LM 1958, 1961, 1962 Ferrari / WM 1961 Ferrari)
Jochen Rindt (LM 1965 Ferrari / WM 1970 Lotus)
Graham Hill (LM 1972 Matra / WM 1962, 1968 BRM und Lotus)
Fernando Alonso (LM 2018, 2019 Toyota / WM 2005, 2006 Renault)
Le Mans-Sieger und Sieger in Indianapolis:
A. J. Foyt (LM 1967 mit Ford / Indy 1961, 1964, 1967, 1977)
Le Mans-Sieger, Formel 1-Weltmeister und Sieger in Indianapolis (Triple Crown):
Graham Hill (Indy 1966, LM 1972, WM 1962 und 1968)
Le Mans-Sieger und Sieger bei den 24 Stunden von Daytona (ab 1966) (in alphabetischer Reihenfolge):
Alonso, Baldi, Bell, Bernhard, Bouchut, Brundle, Foyt, Haywood, Herrmann*, Holbert, D. Jones, Lammers, Nielsen, Pescarolo, Rockenfeller, P. Rodriguez, Wallace, Werner, „Winter“
(*: Hans Herrmann gehörte zu den fünf Piloten, die 1968 mit dem Porsche 907L als Sieger gewertet wurden. Allerdings fuhr er nur in der Endphase ein paar Runden mit dem Siegerwagen, daher wurde er in die Liste der Dreifachsieger – Le Mans, Daytona, Sebring – nicht mit aufgenommen.)
Le Mans-Sieger und Sieger bei den 12 Stunden von Sebring (ab 1952):
Aiello, Alboreto, Baldi, Bamber, Bernhard, Biela, Capello, Dalmas, Dumas, Duval, Fässler, Foyt, G. Brabham, Gendebien, Gené, Gurney, Hawthorn, Haywood, Herbert, Herrmann, P. Hill, Holbert, Ickx, Jani, Johansson, Kristensen, Larrousse, Lehto, Ludwig, Mass, McNish, Oliver, Parkes, Pirro, Scarfiotti, Stuck, Tréluyer, Vaccarella, Wallace, Werner, Wurz.
Le Mans, Daytona, Sebring – Endurance-Triple:
Baldi, Bernhard, Foyt, Haywood, Holbert, Wallace, Werner.
Unter den Endurance-Dreifachsiegern war Hurley Haywood (USA) der erfolgreichste Pilot mit drei Le Mans-Siegen sowie fünf Erfolgen in Daytona und zwei Siegen in Sebring. Es folgen Al Holbert (USA) und Marco Werner mit sieben Gesamtsiegen in den drei Events, Andy Wallace (GB) mit sechs Siegen sowie Mauro Baldi (Italien), Timo Bernhard und A. J. Foyt (USA) mit vier Siegen.
Erfolgreichster Pilot mit Siegen in Le Mans und einem der beiden weiteren Endurance-Klassikern war Tom Kristensen (Dänemark) mit 15 Siegen (neun in Le Mans und sechs in Sebring), gefolgt von Frank Biela (zusammen neun Siege) sowie Jacky Ickx (Belgien) und Derek Bell (GB) mit je acht Gesamtsiegen.
(5) Piloten, die im selben Jahr Trainingsschnellste und Sieger in Le Mans waren (ab 1963 – die Trainingszeiten wurden erst ab 1963 offiziell für die Startaufstellung erfasst)
1974 – Pescarolo (Matra 670) / 1975 – Ickx (Gulf Mirage) / 1981 – Ickx (Porsche 936) / 1982 – Ickx (Porsche 956) / 1997 – Alboreto (Joest Porsche TWR) / 2003 – Kristensen (Bentley Speed 8) / 2011 – Tréluyer (Audi R18) / 2012 – Lotterer (Audi R18 e-tron) / 2013 – Duval (Audi R18 e-tron / 2016 – Jani (Porsche 919) / 2018 – Nakajima (Toyota TS050) / 2021 – Kobayashi (Toyota GR010 Hybrid) / 2022 – Hartley (Toyota GR010 Hybrid)
In keinem dieser Fälle ging auch die schnellste Runde des Rennens an den genannten Piloten.
Quellen:
Automobile Club de l´Ouest (Hrsg.), 24 Stunden von Le Mans, Die offizielle Chronik des berühmtesten Langstreckenrennens (2 Bände), Heel, 2010 / Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1949-59, Haynes Publ., Sparkford 2011 / Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1960-69, Haynes Publ., Sparkford 2010 / Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1930-39, Evro Publ., Sherborne, 2017
Webseiten: „racingsportscars“, „lemans-history.com“