Alfa Romeo 8C 2900B – Vittorio Janos Glanzstück

8C 2900B Berlinetta, 1937-1939

„The… 8C 2900 B was Europe´s fastest road car of the time, besides being unmatched for sheer purposeful beauty of line.” (Cyril Posthumus, 1980, Quelle siehe unten)

Alfa Romeo 8C 2900B Berlinetta, Mille Miglia 1947 (Romano – Biondetti), Modell: True Scale

Dasselbe Auto (Fg-Nr. 412036), heute: Collier Collection (USA), Modell: Leo Models

Alfa Romeo 8C 2900B, links Roadster Stradale (IXO), rechts Le Mans Berlinetta 1938 (Minichamps)

Vittorio Jano war zweifellos Italiens größter Auto-Konstrukteur. In den Jahren 1923 bis 1937 führte er Alfa Romeo an die internationale Spitze des Automobilbaus, mit unzähligen Erfolgen bei Grand Prix- und Sportwagenrennen und einer glänzenden Reihe exklusiver Straßensportwagen, in kleiner Serie und in Handarbeit gefertigt, und immer in enger Verbindung zu den siegreichen Wettbewerbsfahrzeugen.

Seinem erfolgreichen Einstieg bei Alfa in Portello mit dem Grand Prix Rennwagen  „P2“ folgten unzählige weitere Geniestreiche für die Grand Prix- und Sportwagen-Einsätze auf allen europäischen Rennkursen sowie für ausgewählte und nicht zuletzt gut betuchte Sportwagenfahrer. Bei den Sportwagen für den Renneinsatz („Corsa“) und für die Straße („Stradale“) stehen im Wesentlichen drei aufeinander folgende Modellgruppen im Fokus: 6C 1500 bzw. 1750 (1928 bis 1933)  /  8C 2300 und 2600 (1931 bis 1935)  /  8C 2900 (1936 bis 1939).

Der „6C“ startete 1928 mit einem 1,5 Liter-Sechszylindermotor (in Reihe), mit Kompressor-Aufladung und allen Zutaten eines modernen Hochleistungstriebwerks. Er gewann alle wichtigen Langstreckenprüfungen, von der Mille Miglia über Spa (24 Stunden), Brooklands und die Tourist Trophy, ab 1929 als 6C 1750. Der kompakte, leichte und agile 6C war ein Gegenentwurf zu den „Elefanten“ jener Zeit, Bentley und Mercedes-Benz SS und SSK.

Alfa Romeo 6C 1750, Modell: Metro

1931, drei Jahre nach dem Debut des 6 C 1500, eroberte ein weiteres Meisterwerk Janos die europäischen Rennpisten: Der 8 C 2300 gab sein Renndebut als Sportwagen bei der Mille Miglia im April 1931, und schon in den nächsten Wochen löste ein Sieg den nächsten ab – zunächst bei der Targa Florio und dann mit verkürztem Chassis als zweisitziger Rennwagen beim Gran Premio Italia in Monza und als Sportwagen mit langem Radstand und vorgeschriebenen vier Sitzen in Le Mans – Auftakt einer bis dahin beispiellosen Karriere auf allen klassischen europäischen Rennstrecken. Bis zum Erfolgsmodell Porsche 956/962 der 1980er Jahre war der 8C der erfolgreichste Rennsportwagen der Geschichte (siehe Beitrag). In der Zeit 1931-1935 siegte er viermal in Le Mans (1931-1934), bei den 24 Stunden von Spa (1932, 1933) und bei der Mille Miglia (1932-1935) – das waren damals die wichtigsten Endurance-Prüfungen für Sportwagen.

Alfa Romeo 8C 2300 Touring Spider, Modell: Spark

Ob als Grand Prix-Rennwagen („Monza“ und danach „Tipo B“ bzw. „P3“) oder im Sportwagen-Trimm – immer bildete Janos Achtzylinder-Reihenmotor die Antriebsbasis,  mit zwei Vierzylinder-Blöcken hintereinander, Kompressor-Aufladung, zwei obenliegenden Nockenwellen, optisch eine Augenweide. In Kooperation mit den bekanntesten Karosseriebauern Italiens (Zagato, Touring, Farina,…) entstanden zudem wunderschöne Straßensportwagen, allerdings immens teuer und nur in kleiner Stückzahl.

Höhepunkte der Entwicklung der 8C-Sportwagen waren die 8C 2900A- und 2900B-Modelle in den Jahren 1936-1939, die mit einem damals modernen Fahrgestell mit Einzelradaufhängung vorn und hinten und mit dem 2,9 Liter-Motor aus dem Grand Prix Rennwagen von 1934 ausgestattet waren. Der 2900, mit Erscheinen seines Nachfolgers ab 1937 2900A genannt, wurde bei der London Motor Show Ende 1935 vorgestellt und 1936/37 im Rennsport eingesetzt. Im Renntrimm hatte er noch eine traditionelle Roadster-Karosserie mit freistehenden Kotflügeln, eine bullige Erscheinung, in Italien „Botticella“ genannt (Weinfässchen). Erfolge stellten sich sofort ein: Plätze 1, 2 und 3 bei der Mille Miglia 1936, Sieg in Spa 1936 und erneuter Doppelsieg bei der Mille Miglia 1937. Einige der zehn gebauten 2900A wurden in attraktive Straßensportwagen verwandelt.

Der letzte Schritt der 8C-Reihe folgte im Oktober 1937 mit dem 8C 2900B, der in verschiedenen Varianten produziert wurde. Es entstanden zwischen 30 und 35 Exemplare (die Quellen geben hier unterschiedliche Zahlen an), als Rennsportwagen und als halbwegs zivile Version für die Straße, mit kurzem und langem Radstand. Wiederum waren Jano für die Technik und meist Touring für die Karosserien verantwortlich.

Der 2900B war Janos letzte Konstruktion für Portello: Im Herbst 1937 musste er Alfa Romeo verlassen, z. T. aufgrund der ausbleibenden Erfolge der Grand Prix-Rennwagen gegen die übermächtige deutsche Konkurrenz, oder einfach, weil er bei Alfa als „zu alt“ abgestempelt wurde – da ahnte man noch nicht, welche großartigen Konstruktionen er nach dem Krieg noch z.B. für Lancia schaffen sollte.

Die Sport-Einsätze erfolgten ab 1938 nicht mehr wie zuvor durch die Scuderia Ferrari, sondern vom Werk selbst unter dem Label „Alfa Corse“ mit Enzo Ferrari als Teamleiter. Für die Saison 1938 wurden fünf Spider mit eleganten, windschlüpfrigen Touring-Karosserien in Leichtbauweise nach dem „Superleggera“-Prinzip gebaut (Fg-Nr. 412030 bis 412034), vier davon starteten bei der Mille Miglia, der stärkste mit einem Motor aus dem Grand Prix-Wagen Tipo 308 mit fast 300 PS (Nr. 412031). Mit ihm gewann Biondetti das Rennen vor einem weiteren 2900B. Die 24 Stunden von Spa wurden ebenfalls gewonnen. Und für Le Mans wurde einer der Mille Miglia-Spider in die berühmte und heute noch existierende „Le Mans Berlinetta“ verwandelt (Nr. 412033), ein spektakuläres Coupé mit schmaler Silhouette, extrem langer Motorhaube und aerodynamischem Heck nach dem Wunibald Kamm-Prinzip. Bis kurz vor Rennende lag der Alfa mit Biondetti und Sommer überlegen mit fast 200 km Vorsprung in Führung, musste dann aber nach einem Reifenplatzer und später mit einem Motor- oder Getriebedefekt aufgeben.

Alfa Romeo 8C 2900B Le Mans Berlinetta, Le Mans 1938 (Biondetti – Sommer), Minichamps

Mit dem Zweiten Weltkrieg ging dann die Epoche der großen Rennsportwagen mit Kompressor-Motoren und der daraus abgeleiteten, in kleinen Serien gebauten Straßensportwagen zu Ende. Die wenigen, extrem teuren 8C 2900B Straßensportwagen bleiben Teil der glorreichen Vorkriegsgeschichte der Mailänder Edelschmiede.

Alfa Romeo 8C 2900B Roadster Stradale (IXO Museum)

Ein kleines Nachspiel erlebte der 8C 2900B aber doch noch in den ersten Nachkriegsjahren: Die erste Mille Miglia nach dem Krieg findet bereits 1947 statt, und ein nun kompressorloser 8C 2900B mit Berlinetta-Karosserie (Nr. 412036) gewann dieses Rennen ein letztes Mal für Alfa Romeo.

Technische Daten des 8C 2900B:

Achtzylinder-Reihenmotor (zwei Vierzylinder-Blöcke hintereinander mit gemeinsamem Kurbelgehäuse), Aluminium-Motorblock, Bohrung x Hub: 68 x 100mm = 2905 ccm Hubraum. Nockenwellenantrieb in der Mitte des Motors, 2 obenliegende Nockenwellen (jeweils in Motormitte geteilt), 2 Weber-Vergaser, 2 Roots-Kompressoren, Doppelzündung, 2 Ventile pro Zylinder, Trockensumpf-Schmierung. Stradale-Version: 180 PS (5200 U/min), Verdichtung 5,75:1. Corsa-Version: 220 PS (6000 U/min), Verdichtung 6,3:1. Getriebe hinten (Transaxle-Prinzip), 4 Gänge. Chassis mit kurzem (2,80m) oder langem (3,00m) Radstand. Leiterrahmen, Längs-Kastenprofile mit Traversen. Querlenker mit Schraubenfedern vorn, Pendelachse mit Querblattfeder hinten. Räder: 5,50 x 19 Zoll. Karosserien (Berlinetta, Roadster) stammen vor allem von Touring (Felice Anderloni) sowie von Stabilimenti Farina (Giovanni Carlo Farina). Beispiel: Touring-Berlinetta auf langem Radstand: Länge 5,00m, Breite 1,70m, Gewicht ca. 1250-1300kg. Höchstgeschwindigkeit: ca. 190 km/h (Stradale), ca. 220 km/h (Corsa).

Motor des Alfa Romeo 8C 2900B, Maßstab 1:18 (CMC)

Abweichende Daten des 8C 2900A: Motorblock aus Magnesium, Corsa-Modell: 220 PS (5300 U/Min), Verdichtung 6,5:1, Radstand 2,72m. 5 Fahrzeuge entstanden 1936, weitere 5 folgten 1937.

Verschiedene Ausführungen des 8C 2900B:

Spider Corsa (offene Rennversion, kurzer Radstand) / Berlinetta Le Mans (Le Mans-Coupé, kurzer Radstand) / Berlinetta Touring (langer Radstand) / Spider Stradale (offene Straßenversionen, kurzer oder langer Radstand)

Wichtige Renneinsätze des 8C 2900 (Langstreckenrennen): siehe Übersicht

Die wichtigsten Langstreckenrennen vor dem Krieg waren die Mille Miglia sowie die beiden 24 Stunden-Prüfungen in Le Mans und in Spa. Für Alfa Romeo stand dabei die Mille Miglia ganz oben auf der Liste. Hier belegten die Sportwagen aus Portello – mit Ausnahme des Jahres 1931, als Caracciola mit dem Mercedes-Benz SSKL gewann – seit 1928 immer die ersten Plätze. Der 8C 2900 setzte diese Serie eindrucksvoll fort, der 2900A gewann 1936 und 1937, und der 2900B Spider Corsa siegte 1938 bei der letzten „echten“ Mille Miglia vor dem Krieg. Auch die beiden letzten 24 Stunden-Vorkriegsrennen im Belgischen Spa gingen an den 2900A (1936) bzw. den 2900B (1938). Nur in Le Mans, wo man 1937 mit einem einzigen 2900A und 1938 mit der speziellen 2900B Le Mans Berlinetta an den Start ging, blieb der Erfolg aus – mit einem Team aus drei oder vier Werkswagen hätte es vielleicht anders ausgesehen.

Modelle der 8C 2900-Reihe in 1:43 (in Klammern: Modellmuseum)

2900A Spider Corsa „Botticella”: FB Modelli, ABC Brianza

2900A Spider Le Mans 1938: BBR, FB Modelli, GCAM

2900A Spider Stradale: FB Modelli

2900B Spider Corsa: FB Modelli, AlfaModel43, ABC Brianza, Brumm, Western Models

2900B Berlinetta (Touring): BBR, Minichamps, TrueScale, AlfaModel43, FB Modelli, Leo Models

2900B Le Mans Berlinetta: BBR, Provence Moulage, Minichamps, Pinko, True Scale

2900B Spider Stradale: BBR, AlfaModel43, TrueScale, IXO, Western Models

Die meisten 8C 2900-Fahrzeuge werden also durch Kleinserien-Modelle abgedeckt, das sind allerdings teure Handarbeitsmodelle (BBR, AlfaModel43, ABC Brianza, FB Modelli), die heute z.T. nur noch schwer zu beschaffen sind. Einige Varianten wurden bereits in der Pionierzeit der 1:43-Kleinserien produziert (John Day, Western Models, Idea3), so war z.B. der 8C 2900B Spider Corsa (Mille Miglia 1938) der dritte Metallbausätze überhaupt, den John Day in seiner berühmten „Serie 100“ herausgebracht hat (Nr. 103). Aktuelle Diecast- oder Resincast-Modelle gibt es von der 2900B Berlinetta (True Scale, Minichamps, Leo Models) und der Le Mans Berlinetta (True Scale, Minichamps, Pinko) sowie vom 2900B Stradale Roadster (True Scale, IXO).

Bei den beiden offenen Rennsport-Versionen, dem 2900A „Botticella“ Spider von 1936/37 und dem 2900B Touring Spider von 1938, muss man heute (2017) leider immer noch auf teure Kleinserienmodelle zurückgreifen. Der „Botticella“ ist noch nicht als aktuelles Resincast-Modell erhältlich, und beim Brumm-Modell des 2900B stimmt die Form der Karosserie nicht ganz (etwas zu „plump“ und falsche Heckpartie). Hier warten wir auf das angekündigte Resincast-Modell von True Scale.

Alfa Romeo 8C 2900B Corsa Spider, Mille Miglia 1938, Biondetti (Modell: Brumm)

Alfa Romeo 8C 2900B Touring Berlinetta

Vom 8C 2900B Touring mit der bekannten Fließheck-Karosserie wurden 1937-39 fünf Fahrzeuge mit langem Radstand nach dem Superleggera-Prinzip gebaut (Es gab noch weitere Touring-Berlinettas mit abweichender Karosserieform). Jedes dieser Fahrzeuge hat seine eigene Geschichte. Dabei waren Renneinsätze eigentlich nicht im Fokus dieser recht großen und komfortablen Coupés, vor dem Krieg waren dafür die leichteren Spider Corsa und die Le Mans Berlinetta mit kurzem Radstand vorgesehen.

Die Berlinettas waren aufgrund ihrer geringeren Verdichtung und gedrosselter Leistung voll alltagstauglich. Bei allem Komfort und einer beachtlichen Größe (Länge 5 Meter) waren sie bei knapp 1,3 Tonnen deutlich leichter und mit knapp 200 km/h viel schneller als die großen deutschen Sport-Cabriolets (Mercedes-Benz 540K, Horch 853), sie waren Ende der 1930er Jahre zusammen mit dem Bugatti T57 SC die elegantesten und schnellsten Sportwagen für die Straße.

Die fünf Berlinettas werden auf diversen Webseiten (siehe unten) und natürlich in der „8C 2900-Bibel“ von Simon Moore („The Immortal 2.9“ von 1987) beschrieben. Das Buch von Moore ist nur noch antiquarisch erhältlich und kostet mindestens 400 Euro, und es ist trotz Neuauflagen auch nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Die Informationen auf den diversen Webseiten sind manchmal widersprüchlich, außerdem gibt es nach meiner Kenntnis keine Farbaufnahmen aus den späten dreißiger Jahren. Da bei einigen der Fahrzeuge im Zuge diverser Restaurierungen Karosseriedetails und insbesondere auch die Lackierung geändert wurden, beziehen sich die folgenden Angaben meist auf den aktuellen Zustand. Bei Fotostudien ist zu beachten, dass bei jeder Berlinetta die hinteren Radabdeckungen („Spats“) und die Abdeckungen der Speichenräder entfernt und wieder montiert werden konnten.

412020 – erstes Fahrzeug, im Oktober 1937 auf dem Pariser Autosalon sowie im Februar 1938 auf der Automobilausstellung in Berlin vorgestellt. Hupen links und rechts über der Stoßstange eingebaut. Kühlermaske etwas steiler als bei den nachfolgenden Modellen. Bei den hinteren Radabdeckungen (Spats) fehlten 1937 und fehlen aktuell die sonst üblichen horizontalen Schlitze. Kein Trittbrett zwischen den Rädern. Ein SW-Foto von der Berlin-Ausstellung lässt auf einen helleren Farbton schließen, vermutlich graublau. Erstverkauf nach Deutschland, nach dem Krieg in die USA, in den 1980er Jahren erste Restauration in England, Farbe dunkelblau (Kennz. GGP970X). Neuer Besitzer in den USA, zweite Restauration in Vancouver/Kanada. Aktuell (2018/19) dunkelblau lackiert, zuvor vorübergehend in rot. Kennzeichen CCH897. Best of Show in Pebble Beach 2018 und in Cernobbio (Villa d´Este) 2019.

412024 – Erstbesitzer aus Italien (vielleicht Graf Ciano, Farbe verm. blau), 1939 nach England, Reg.-Nr. FLR108. Folgend diverse englische Besitzer. Wechsel von blau zu silbergrau. Mitte 1960er Jahre Verkauf nach Südfrankreich, Farbe nun rot. 1976 Kauf durch einen Niederländer. NL-Kennzeichen 16-VX-74. Besitz über 40 Jahre. Verkauf 02/2019 für 17 Mio. Euro. Die Frontscheibe ist in der Höhe schmaler als bei den anderen Berlinettas, Fzg. erhielt nach dem Krieg ein dreiteiliges Heckfenster. Kein Trittbrett zwischen den Rädern.

412029 – Erstbesitzer Italiener (August 1938), ursprüngliche Farbe unbekannt. Nach dem Krieg Export in die Schweiz. 1960er Jahre: Kauf durch Luigi Fusi, Restauration. Lackierung in hellblau (verm. vor 1978), Einbau eines Stoff-Schiebedachs (verm. vor 1978). Steht heute im Alfa Museum. Kennzeichen MI65159. Kein Trittbrett zwischen den Rädern.

412035 – Erstzulassung Mitte 1938 in Italien, Export in die Schweiz, dann in die USA (Renneinsatz 1948 in Watkins Glen), Lackierung in blau, später in rot. 1980 Verkauf an Südafrikaner, Besitz bis 2006, Mitte der 1980er Jahre Restauration in England. Danach Verkauf an US-Amerikaner, Restauration in Seattle/USA. 2008 „Best of Show“ in Pebble Beach und in Cernobbio (Villa d´Este). Fahrzeug heute dunkelblau (frühere Farben?). Kennzeichen MI64518. Besonderheiten: Die Lüftungsschlitze vorn seitlich reichen weiter nach hinten als bei den anderen Berlinettas (bis zur Tür), die seitlichen Chromleisten sind breiter als bei den anderen Fahrzeugen, und die vorderen Kotflügel sind im Vergleich mit den anderen Berlinettas bis zur Tür verlängert. Schmale Trittbretter zwischen den Vorder- und Hinterrädern. Keine Zusatzscheinwerfer vorn.

412036 – Fahrzeug vorgestellt im Herbst 1938 auf dem Pariser Autosalon, sehr wahrscheinlich rot lackiert. In italienischem Besitz. Nach dem Krieg im Besitz von Alfa-Händler Emilio Romano, Brescia. Mille Miglia-Sieg 1947 mit Romano und Biondetti. Weitere Besitzer in Argentinien, USA, Japan, Großbritannien, Brasilien. Ab 2000 Teil der Collier Collection (Revs Institute, USA), dort 2006 erneut restauriert und in grau lackiert. Kennzeichen 1947 und aktuell: BS1 5952. Schmale Trittbretter zwischen den Vorder- und Hinterrädern. Mille Miglia 1947: Motor reglementkonform ohne Kompressor, ca. 140 PS. Zur technischen Abnahme mit Kennzeichen-Schildern und hinteren Spats, im Rennen ohne Schilder und ohne Spats, mit Speichenrädern. Aktuell mit verkleideten Speichenrädern.

Modelle in 1:43:

Von der 8C 2900B Berlinetta („Lungo“) gibt es Großserienmodelle (Diecasts und Resincasts), Bausätze und teure Kleinserien-Fertigmodelle. Die Preise reichen von knapp 40 Euro für das Diecast-Modell von Leo Models bis zu 500 Euro für ein „all open“-Fertigmodell von AlfaModel43, bei dem alle Türen und Haube zu öffnen sind, das ist allerdings mit nur sechs Exemplaren ein eher exklusives Vergnügen.

Zwischen diesen Extremen liegen die Diecast-Modelle von Minichamps (ca. 50-60 Euro) und die Resincast-Modelle von True Scale (ca. 100 Euro). Bemerkenswert sind auch die schönen Kleinserien-Fertigmodelle von BBR/Styling, entstanden Ende der 1980er Jahre und mit bis heute beispielhafter Fertigungsqualität, allerdings auch mit Preisen jenseits der 200 Euro-Marke, sofern man überhaupt noch fündig wird. AlfaModel43 liefert die Berlinetta im Übrigen auch als normalen Bausatz und als Fertigmodell für ca. 130 Euro.

Das Diecast-Modell von Leo stellt das aktuelle Museumsauto (Collier Collection) des 412036 dar – in graublauer Lackierung mit hinteren Spats und abgedeckten Speichenrädern. Angesichts des günstigen Preises ist das Modell – abgesehen von den Scheibenwischern – recht gelungen. Das Minichamps-Modell gibt es in hellblau (412029) und in schwarz, jeweils mit Schiebedach. Dabei können die Speichenräder nicht überzeugen, man kann sie aber durch entsprechende Räder aus dem BBR-Zubehörsortiment ersetzen. Beim True Scale-Modell sind die Speichenräder deutlich besser. Das Resincast-Modell ist in hellblau, graublau (412036, aktuelles Museumsmodell) und als rote Mille Miglia-Version (1947) erhältlich.

Mille Miglia 1947: Sieg des 8C 2900B beim ersten Langstreckenrennen nach dem Krieg

Die Berlinetta 412036 ist das Siegerfahrzeug der ersten Mille Miglia nach dem Krieg. Emilio Romano, Alfa Romeo-Agent in Brescia, meldete seinen Alfa zur Nachkriegspremiere der Mille Miglia im Juni 1947. Als Amateur-Pilot suchte er nach einem professionellen Fahrer und fand ihn in Clemente Biondetti, der die Mille Miglia bereits 1938 gewonnen hatte, den 8C 2900 bestens kannte und dem ansonsten kein Wagen für das Rennen zur Verfügung stand. Vermutlich saß er am Ende den wesentlich größeren Teil des Rennes am Volant. Von einem internationalen Event war die Mille Miglia 1947 allerdings noch weit entfernt, es war praktisch ein rein italienisches Rennen. Am Start waren in der großen Sportwagenklasse neben dem Alfa 2900B sechs Alfa 6C 2500SS, in der Zweiliter-Klasse ein Maserati A6GCS Coupé, der „Ferrari“ alias Auto Avio 815 von 1940, der brandneue Ferrari 125S, einige private BMW 328 sowie mehrere Fiat und Lancia. Am stärksten war die Klasse bis 1100ccm besetzt – unzählige Fiat mit diversen Spezialkarosserien, ein Simca-Gordini, zwei Stanguellini und fünf neue Cisitalia. Jeder Teilnehmer erhielt kostenlos eine volle Tankfüllung und fünf neue Reifen von Pirelli – Grund genug für viele Besitzer kleiner Fiats, sich zum Rennen zu melden und kurz nach dem Start wieder nach Hause zu fahren. Immerhin kamen so über 200 Fahrzeuge zusammen.

Der 8C 2900B wäre sicher favorisiert gewesen, allerdings wurde seine Leistung durch das Verbot der Kompressor-Aufladung und die schlechte Sprit-Qualität jener Jahre stark eingebremst. So hatte er zum Rennen nur knapp 140 statt über 200 PS Leistung, die mit dem stattlichen Gewicht der kommoden Berlinetta (ca. 1300 kg) ihre Mühe hatten. Als stärkster Gegner im Rennen zeigte sich einer der Cisitalia 202 S Spider: Er war leicht, wendig und mit der Rennlegende Tazio Nuvolari am Steuer eine echte Herausforderung. Die Neukonstruktion der Firma „Consorzio Industriale Sportive Italia“ von Piero Dusio basierte auf Fiat-1100ccm-Technik und war – zumal mit Nuvolari am Steuer – in den kurvigen Bergpassagen dem schweren Alfa überlegen. Begünstigt durch die langen Autostrada-Geraden zurück nach Brescia und durch extrem schlechtes Wetter wendete sich aber im letzten Renndrittel das Blatt zugunsten von Biondetti, der das Rennen quasi „in Schlips und Kragen“ nach Hause fahren konnte, während der arme Tazio in seinem Cisitalia Spider den Wolkenbrüchen ausgesetzt war. Am Ende hatte Biondetti mit dem Alfa 16 Minuten Vorsprung vor Nuvolari im besten Cisitalia, dem zwei weitere Cisitalia folgten. Es war Alfa Romeos letzter Gesamtsieg bei der Mille Miglia. Kopilot Romano sollte erneut im nächsten Jahr mit einem der 1938er 8C 2900B Corsa Spider an der Mille Miglia und der Targa Florio teilnehmen, allerdings ohne Erfolg. Und Biondetti sollte 1948 und 1949 zwei weitere Male die Mille Miglia gewinnen, nun aber als Werksfahrer bei Ferrari.

vorn: Cisitalia 202S, Mille Miglia 1947, Nuvolari, Platz 2 (Modell: Rosso Fly), hinten: Alfa Romeo 8C 2900B, Sieger der Mille Miglia 1947 (True Scale)

8C 2900B Touring Berlinetta, Mille Miglia 1947: True Scale-Resincast in 1:43

Zunächst muss die Frage gestellt werden, welche Farbe der 2900B bei der Mille Miglia hatte. Nach Aussage des Autors Simon Moore im Standardwerk zum 2900B „The Immortal 2,9“ (siehe unten, Quellennachweis) war das Fahrzeug bei seiner Vorstellung in Paris tatsächlich sehr wahrscheinlich rot lackiert. In der Ausgabe „Auto Italiana“ vom Oktober 1938 beschreibt der Autor Canestrini die Lackierung des Fahrzeugs als „Rosso Italiana“. Es war vermutlich auch noch 1947 rot lackiert, als es im Besitz von Romano war (Auskunft vom Alfa Romeo-Experten Ralf Meiser. Ich danke ihm und dem Alfaclub-Mitglied Stephan Winterscheidt für diese Information.)

Gehen wir also davon aus, dass die rote Farbe korrekt ist – auch wenn es nach meiner Kenntnis keine Farbfotos vom Rennen 1947 gibt. Ein Bild des bekannten Illustrators Carlo Demand zeigt den Alfa 2900B bei der Mille Miglia ebenfalls rot lackiert – aber auch das ist natürlich kein definitiver Beweis.

Das erste 1:43-Modell des Mille Miglia-Siegers wurde bereits in den 1970er Jahren vom Kleinserienhersteller „Idea3“ als Metall-Bausatz produziert, in der damals üblichen Qualität – heute also ein Fall für das Modellmuseum.

Alfa Romeo 8C 2900B Mille Miglia 1947, Metall-Bausatz von Idea3

In den 1990er Jahren produzierte BBR (Serie „Styling“) das Fahrzeug als exklusives Fertigmodell in dunkelblauer Lackierung. Ein sehr schönes Modell, aber die Farbe ist ziemlich sicher falsch.

Alfa Romeo 8C 2900B Mille Miglia 1947, Modell: BBR (Styling) – in dunkelblau???

Ein Fertigmodell von „AlfaModel43“ ist heute noch lieferbar, aber ebenfalls recht teuer. Es ist rot lackiert, hat schöne Speichenräder, aber die Form der Dachpartie und der Seitenfenster ist nicht überzeugend. Außerdem hat das Modell abgedeckte Hinterräder (Spats) und ein kleines Kennzeichenschild vorn: Das war der Status des Fahrzeugs vor Beginn des Rennens (bei der technischen Abnahme).

Nun also kommt das Resincast-Modell von True Scale in den Handel (Stand Frühjahr 2017), mit ca. 100 Euro sicher kein Schnäppchen, aber doch günstiger als die BBR- oder AlfaModel43-Modelle. Es hat eine relativ helle rote Lackierung und zeigt den Status beim Rennen, also ohne die hinteren Spats und ohne Kennzeichenschild vorn. Die Form der Karosserie ist gelungen, die Lackierung ist überzeugend (fast schon ein wenig zu glänzend), die Speichenfelgen sind hervorragend, viele kleine Details zeugen von einem aufwändig produzierten Fertigmodell.

Auch hier gibt es ein paar kritische Anmerkungen, sie trüben den Gesamteindruck aber nur wenig: Die Bodenfreiheit ist vorn geringer als hinten, das Auto steht also vorn etwas zu tief. Das lässt sich aber gut korrigieren, da die Bodenplatte leicht abzunehmen ist, so dass man Zugang zur Vorderachse erhält. Die durch die Felgen sichtbaren Bremstrommeln sind für meinen Geschmack etwas zu glänzend, was den realistischen Eindruck der schönen Speichenfelgen etwas stört. Am Heck hat das Modell statt des Kennzeichenschilds (BS1 5952) das Museumsschild „Museo Storico“. Das ist aber offenbar ein Fehler – ein Vertreter des Alfa Museums in Arese versicherte mir, dass das Fahrzeug nicht zum Museumsbestand gehört. Und 1947 gab es ein solches Schild natürlich noch nicht. Es ist also durch ein Kennzeichenschild zu ersetzen.

True Scale-Modell, vorn mit zu geringem Bodenabstand

korrigiertes True Scale-Modell

True Scale Modell mit korrektem Kennzeichenschild

Nun bleiben auf meinem Wunschzettel noch Resincast-Modelle aktueller Qualität vom 8C 2900A Botticella-Spider 1936/37 und vom 8C 2900B Touring Spider der Mille Miglia 1938.

Quellen: Siehe Rubrik „Über diese Seite“ → „Anmerkungen zu Minerva Endurance“, siehe auch Bericht zur Geschichte Alfa Romeos (und der Modelle in 1:43) auf dieser Webseite

Bücher: Das Standardwerk zum Thema Alfa Romeo 8C 2900: Simon Moore, The Immortal 2.9: Alfa Romeo 8C 2900 A&B. Parkside Publ., 1987.

Peter Hull, Alfa Romeo, Introduction by Count Johnny Lurani. Ballantines Illustrated History of the Car, Marque Book No 2, New York 1971.

Luigi Fusi, Alfa Romeo – Tutti le Vetture dal 1910, All Cars from 1910, Emmeti Grafica, Milano 1978.

Cyril Posthumus, Classic Sports Cars, Hamlyn Publ., 1980.

Webseiten (u.a.): ultimatecarpage  /  coachbuild forum (Italy, Touring)  /  racingsportscars  /  stevemckelvie  /  artcurial  /  supercars  /  conceptcarz

Wer es lieber in Bild und Ton mag, dem sei eine wunderbare DVD über die Alfa-Rennhistorie (Vorkriegs- und Nachkriegszeit) empfohlen: „Victory by Design – Alfa Romeo“: Ein Schmaus für Auge und Ohr, insbesondere die Akustik ist atemberaubend, die Kommentare von Alain deCadenet anregend und kompetent und die Kameraführung (Tony Maylam) ein Genuss.

 

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