Bericht von 2012, Modellfotos werden laufend aktualisiert.
Societa Anonima Lombarda Fabbrica Automobili – Aktiengesellschaft Lombardische Automobilfabrik: Hinter diesem etwas sperrigen Namen verbirgt sich einer der schillerndsten Autohersteller,
mit unzähligen Motorsporterfolgen, einer herrlichen Vielfalt bildschöner Renn- und Sportwagen insbesondere aus der goldenen Vorkriegsepoche, bis zur geglückten Metamorphose von einer Edel-Manufaktur zu einem Hersteller technisch und optisch attraktiver und dennoch für „normale“ Menschen erreichbarer Serienwagen: Alfa Romeo! Unter diesem Thema wird hier die Geschichte der Mailänder Firma über die Jahrzehnte 1920-1980 anhand ausgewählter Modelle in 1:43 erzählt, unter „minerva-endurance“ natürlich mit besonderem Fokus auf Sportwagen, die in Langstreckenrennen eingesetzt wurden.
“Alfa Romeo is not a manufacturer, it´s…a way of thinking. Cars can be fast, can handle, can be fun to drive and delight the eye. Alfas do the lot and something else too – they respond to the driver, lift the spirit, communicate the true passion that went into their design. Melodramatic perhaps but any true Alfisti will agree with the concept.” (Will Grime, Four Small Wheels, Journal of Grand Prix Models, 7/1991).
„Once an Alfa man, always an Alfa man“ (Graf Giovanni Lurani, 1971)
Die Geschichte Alfa Romeos in 15 Episoden:
1906: Alexandre Darracq, Pariser Automobil-Hersteller, gründet in Neapel ein Zweigwerk. 1906 verlegt man den Standort nach Portello, einem Vorort von Mailand in der Lombardei. Die Darracq-Tourenwagen sind mit ihren 12 PS allerdings für die oft unbefestigten und bergigen Straßen Italiens wenig geeignet, der Verkauf verläuft schleppend.
1910: Darracq zieht sich zurück, eine Gruppe von Geschäftsleuten und Ingenieuren aus der Lombardei übernimmt das Portello-Werk und gründet die „Anonima Lombarda Fabbrica Automobili“, abgekürzt A.L.F.A. Mit einem Sportwagen („24 HP“, 4,1 Liter, ca. 45 PS), konstruiert von Giuseppe Merosi, nimmt man 1911 bereits an der Targa Florio teil.
1915 übernimmt der Geschäftsmann und Ingenieur Nicola Romeo, gebürtiger Neapolitaner, die Leitung des A.L.F.A.-Werks, und nach Kriegsende ab 1919 werden dort wieder Autos produziert, ab 1920 unter dem neuen Markennamen „Alfa Romeo“.
1923: Giuseppe Merosi landet 1922 mit dem Tipo „RL“ („Romeo Series L“) einen großen Wurf: Ausgestattet mit einem Dreiliter-Sechszylinder-Reihenmotor (mit hängenden Ventilen, gesteuert über Stoßstangen), wird er bis 1927 als Tourenwagen („Normale“ oder „Tourismo“) und Sportwagen („Sport“ oder „Super Sport“) produziert. 1923 entsteht eine leichte Rennsportversion „RL Targa Florio“ mit 3,1 Liter-Motor und an die 100 PS. Zum Rennteam gehören u.a. Antonio Ascari und Enzo Ferrari. Ugo Sivocci gewinnt mit dem RL TF die Targa Florio 1923, Alfas erster großer Rennerfolg. Das Siegerauto schmückt ein vierblättriges Kleeblatt auf weißem Grund – fortan Symbol für Alfas Rennsportfahrzeuge. 1924 siegt Enzo Ferrari mit dem RL TF bei der Coppa Acerbo. Er organisiert später bis zum 2. Weltkrieg über viele Jahre die Alfa Romeo-Sporteinsätze unter dem Namen „Scuderia Ferrari“.
1924: Ende 1923 stößt ein junger Ingenieur von Fiat zu Alfa Romeo: Vittorio Jano. Er wird Italiens erfolgreichster Renn- und Tourenwagenkonstrukteur der Epoche 1920-1960. Sein Mitarbeiter ist Gioacchino Colombo, ebenfalls ein Konstrukteur ersten Ranges, der später den berühmten Alfa-Grand Prix-Wagen „Alfetta“ und 1946/47 den legendären Ferrari V12-Motor entwickeln wird. Janos erster großer Entwurf ist der Grand Prix-Rennwagen „P2“, mit zwei Litern Hubraum (der damaligen Formel entsprechend), Achtzylinder-Reihenmotor, zwei obenliegenden Nockenwellen und Kompressor-Aufladung. 1924 und 1925 gewinnt der P2 jeden zweiten wichtigen Grand Prix gegen starke Konkurrenz von Bugatti, Delage und Sunbeam. Fahrer sind u.a. Antonio Ascari und Giuseppe Campari. Die erste „Marken-Weltmeisterschaft“ im Grand Prix-Sport geht 1925 an Alfa.
Minichamps liefert ein schönes 1:43-Diecast-Modell des Alfa Romeo P2, ein preisgünstiges Modell liefert „Metro“ (im Rahmen der Alfa Romeo Collection Serie, siehe Webseite „alfaromeomuseum“).
1928: Der zweite glänzende Entwurf Vittorio Janos ist der berühmte „6 C“, zunächst mit 1,5 Liter-Sechszylinder-Motor mit Kompressor. Als Sportmodell mit 2 obenliegenden Nockenwellen wird er Alfas Markenzeichen bis in die 1930er Jahre. Erfolge in den großen Straßenrennen stellen sich sofort ein: Die Mille Miglia, die 24 Stunden von Spa und die 6 Stunden von Brooklands sehen den 6 C 1500 als Sieger. Im folgenden Jahr 1929 betritt dann der berühmte 6 C 1750 die europäischen Rennpisten, wiederum mit Erfolgen bei der Mille Miglia und in Spa, ein optischer Leckerbissen mit der offenen Zagato-Karosserie. Der 6 C stellt damals den modernen Gegenentwurf zu den „Elefanten“ Bentley und Mercedes-Benz SSK dar.
Diecast-Modelle des Alfa 6C von Minichamps und IXO (Altaya), Kleinserien-Bausätze von FB Models.
1931: Drei Jahre nach dem 6 C erobert Vittorio Janos drittes Meisterwerk die europäischen Rennpisten: Der 8 C 2300 gibt sein Renndebut als Sportwagen bei der Mille Miglia im April 1931, zunächst noch ohne zählbares Resultat. Aber schon in den nächsten Wochen löst ein Sieg den nächsten ab – zunächst bei der Targa Florio, dann auf verkürztem Chassis als zweisitziger Rennwagen beim Gran Premio Italia in Monza (Namensgeber für den 8 C im Rennwagen-Trimm) und im Sommer als Sportwagen mit langem Radstand und vorgeschriebenen vier Sitzen in Le Mans – Auftakt einer bis dahin beispiellosen Karriere auf allen klassischen europäischen Rennstrecken. Bis zum Erfolgsmodell Porsche 956/962 der 1980er Jahre ist der 8C der erfolgreichste Rennsportwagen der Geschichte (siehe Beitrag „Die erfolgreichsten Rennsportwagen aller Zeiten“, dort mit einer Übersicht über die 1:43-Modelle des 8C). In der Zeit 1931-1935 siegt er viermal in Le Mans (1931-1934), bei den 24 Stunden von Spa (1932, 1933) und bei der Mille Miglia (1932-1935) – das waren damals die drei wichtigsten Endurance-Prüfungen für Sportwagen.
Im Grand Prix-Sport sind der auf kurzem Chassis aufgebaute 8C „Monza“ und der 1932 vorgestellte Tipo B bzw. „P3“, erster Monoposto der Renngeschichte, ähnlich erfolgreich, beide Typen werden z.T. auch wieder in zweisitzige Sportwagen umgebaut und in Endurance-Prüfungen eingesetzt. Und immer bildet Janos Achtzylinder-Reihenmotor (zwei Vierzylinder-Alu-Blöcke hintereinander) mit Kompressor-Aufladung und zwei obenliegenden Nockenwellen, optisch eine Augenweide, die Antriebsbasis, beginnend mit 2,3 Litern Hubraum, später bzw. in den Grand Prix-Wagen auf 2,6 Liter und mehr vergrößert. In Kooperation mit den bekanntesten Karosseriebauern Italiens (Zagato, Touring, Pininfarina,…) entstehen zudem wunderschöne Straßensportwagen, allerdings immens teuer und nur in kleiner Stückzahl. Eines der schönsten Modelle ist wohl der 8 C 2300 mit Touring-Karosserie, der 1932 die Mille Miglia gewinnt.
Weitere 1:43-Modelle des 8C 2300 (Mille Miglia-Version) von Spark (Resincast, angekündigt) und FB Models (Bausätze) / 1:43-Modelle des P3 Monoposto von FB Models (Bausatz), SMTS (Bausatz), Brumm und IXO-Altaya (Diecasts) / Weitere 1:43-Modelle des 8C 2300 (Le Mans-Versionen): Diecasts von Metro, MCW, AlfaModels, Bausätze von MCM, Starter und FB Models. Mittlerweile (2017) sind auch Resincast-Modelle von Spark im Angebot.
1936: Höhepunkt der Entwicklung der 8C-Sportwagen sind die 8C 2900A- und 2900B-Modelle in den Jahren 1936-1939, mit Leistungen von 220 PS bis zu 300 PS und Einzelradaufhängung vorn und hinten. Der 2900A hat noch eine traditionelle Roadster-Karosserie mit freistehenden Kotflügeln, eine bullige Erscheinung, in Italien „Botticella“ genannt (Weinfässchen). Erfolge stellen sich sofort ein: Plätze 1, 2 und 3 bei der Mille Miglia 1936, Sieg in Spa 1936 und erneuter Doppelsieg bei der Mille Miglia 1937. Einige der zehn gebauten 2900A werden in attraktive Straßen-Sportwagen verwandelt.
1:43-Kleinserienmodelle des 8C 2900A von FB Models und ABC Brianza
1938: Der letzte Schritt der 8C-Reihe folgt 1937 mit dem 8C 2900B, der in verschiedenen Varianten produziert wird (zwischen 30 und 40 Exemplare, die Quellen geben hier unterschiedliche Zahlen an): Als Rennsportwagen sowie als halbwegs zivile Version für die Straße, mit kurzem und langem Radstand und mit unterschiedlichen Leistungen. Wiederum ist Jano für die Technik und meist Touring für die Karosserien verantwortlich. Für die Sport-Saison 1938 werden fünf Roadster mit eleganten, windschlüpfrigen Touring-Karosserien in Leichtbauweise (Aluminium, Superleggera-Prinzip) gebaut, vier davon starten bei der Mille Miglia, der stärkste mit einem Motor aus dem Grand Prix-Vorjahresmodell mit fast 300 PS. Resultat: Überlegener Doppelsieg. Die 24 Stunden von Spa werden ebenfalls gewonnen. Und in Le Mans wird einer der Mille Miglia-Roadster in die berühmte und heute noch existierende „Le Mans Berlinetta“ umgebaut, ein spektakuläres Coupé mit schmaler Silhouette, extrem langer Motorhaube und aerodynamischem Heck nach dem Wunibald Kamm-Prinzip. Bis kurz vor Rennende liegt der Alfa überlegen mit fast 200 km Vorsprung in Führung, muss dann aber nach einem Reifenplatzer und in der Folge einem Motor- oder Getriebedefekt aufgeben. In Le Mans ist Alfa Ende der 1930er Jahre nicht mehr vom Rennglück verfolgt, hier sind die neuen französischen Konstruktionen von Bugatti (Typ 57) und Delahaye erfolgreicher.
Parallel zum 8C 2900B setzt Alfa in den letzten beiden Vorkriegsjahren verstärkt auf den leichteren 6C mit 2,5 Liter-Sechszylinder-Reihenmotor, und der Nachfolger der großen 8C steht mit dem 412 Sportwagen (4,5 Liter-V12-Motor) auch bereits in den Startlöchern. Aber mit dem 2. Weltkrieg geht die Epoche großer Rennsportwagen mit Kompressor-Motoren und der daraus abgeleiteten, in kleinen Serien gebauten Straßensportwagen zu Ende. Die wenigen, extrem teuren 8C 2900B Straßensportwagen bleiben Teil der glorreichen Vorkriegsgeschichte der Mailänder Edelschmiede. Sie sind Ende der 1930er Jahre zusammen mit dem Bugatti T57 SC die elegantesten und schnellsten Sportwagen für die Straße.
Ein kleines Nachspiel erlebt der 8C 2900B aber doch noch in den ersten Nachkriegsjahren: Die erste Mille Miglia nach dem Krieg findet bereits 1947 statt, und der nun kompressorlose 8C 2900B mit Berlinetta-Karosserie hat keine Mühe, dieses Rennen ein letztes Mal für Alfa zu gewinnen.
Berichte zum 8C 2900B auf dieser Webseite: Spider Corsa / Spider und Berlinetta
Modelle des 8C 2900B (Mille Miglia Roadster 1938) von John Day, Brumm und in Kleinserie von FB Models und AlfaModel43 (Versionen: Mille Miglia 1938 und 1948 bzw. Targa Florio 1948) / Modelle des 8C 2900B (Le Mans Coupé) von Minichamps, Pinko und Metro, Kleinserien-Modelle von BBR, MCM und Provence Moulage / Modelle des 8C 2900B als Straßen-Roadster von BBR und AlfaModel43 sowie von IXO / Modelle des 8C 2900B Coupé Mille Miglia 1947 von Styling (BBR), AlfaModel43 und (2016 neu) von True Scale, Straßenversion auch von Minichamps.
1950: Die „Alfetta“ gewinnt die erste Formel 1-Weltmeisterschaft, bleibt in der Saison 1950 ungeschlagen.
Rückblick: Alfa Romeos Erfolge im Grand Prix Sport liegen 1938 bereits einige Jahre zurück: Der 1932 vorgestellte P3 auf der Basis der 8C-Reihe kann gegen die in der neuen 750kg-Formel eingesetzten deutschen Rennwagen von Mercedes und Auto Union ab 1935 nur noch wenig ausrichten – Ausnahme ist Tazio Nuvolaris legendärer Sieg am Nürburgring 1935, letzter großer Erfolg des P3. Mehrere Anläufe mit immer wieder neuen Konstruktionen bleiben letztlich erfolglos. 1937 richtet Alfa daher verstärkt sein Augenmerk auf die kleine „Voiturette“-Klasse mit 1,5 Liter-Motoren. Gioacchino Colombo, ab 1938 Chefkonstrukteur bei Alfa nach Janos Wechsel zu Lancia, schafft dafür mit dem Tipo 158, benannt nach dem Hubraum und der Zylinderzahl, heute besser bekannt als „Alfetta“, einen Jahrhundert-Rennwagen. Das ist allerdings vor dem Krieg so noch nicht abzusehen. Der 158 mit Achtzylinder-Reihenmotor und Kompressor debutiert im August 1938 bei der Coppa Ciano in der Voiturette-Klasse. Sein wichtigster Erfolg vor der großen Kriegsunterbrechung ist der Sieg in Tripolis 1940, nachdem die Alfettas im Vorjahr noch von den neuen Mercedes W165 besiegt wurden.
Als dann in Europa 1945 die Waffen niedergelegt werden, sind die sorgsam eingemotteten und versteckten Alfettas die leistungsstärksten Rennwagen der ersten Nachkriegsjahre, als in Europa langsam wieder der Rennbetrieb aufgenommen wird. Bis 1948 sind sie das Maß aller Dinge, dann macht man bei Alfa ein Jahr Pause, und 1950, pünktlich zum Start der neu geschaffenen Formel 1-WM, beherrscht die nochmals überarbeitete Alfetta die erste Saison komplett – 6 Rennen, 6 Siege, Weltmeister wird Giuseppe Farina vor Juan Manuel Fangio. Der Achtzylindermotor ist das bei weitem kräftigste, aber auch durstigste Aggregat der Formel 1. 1951 leistet der erneut weiter entwickelte „159“ über 420 PS, verbraucht dabei aber zwischen 120 und 170 Liter auf 100 km, Konsequenz: ein immens großer Tank und vollgetankt hohes Gewicht sowie häufige Tankstopps. Das wird ihm 1951 fast zum Verhängnis. Ferrari ist mit seinen effizienteren 4,5 Liter-V12-Saugmotoren nun ebenbürtig, es steht am Ende der F1-Saison nur 4:3 für Alfa, und Fangio wird knapp vor Ascari Weltmeister – der Titel wird erst beim letzten Rennen in Spanien entschieden. Am Ende der Saison zerschlagen sich Pläne für einen Nachfolger – die finanziellen Mittel fehlen dazu, und Alfa Romeo zieht sich für über ein Vierteljahrhundert aus der Formel 1 zurück. Am Ende bleibt eine eindrucksvolle und bis heute einmalige Bilanz: 47 Siege in 54 Grand Prix-Rennen in der Zeit 1938-1951, darunter 10 Siege in 13 Formel 1-WM-Rennen 1950/51.
Modelle in 1:43: Tipo 158 Vorkrieg (Voiturette): ABC Brianza / Tipo 158 von 1950: Brumm (Diecast) sowie Renaissance und SMTS (Kleinserie) / Tipo 159 von 1951: Minichamps (Diecast) und Renaissance.
Bis 1950 ist Alfa Romeo eine Edel-Sportwagenmanufaktur, die immens teure Luxus- und Hochleistungsfahrzeuge in kleiner Stückzahl für den betuchten Connoisseur herstellt und ansonsten auf den Motorsport fokussiert ist. 1936 werden z.B. übers Jahr gerade einmal sechs Zivilfahrzeuge produziert, die restlichen Kapazitäten sind für Mussolinis Aufrüstung reserviert. Der Alfa Romeo 6C 2500 mit 2,5 Liter-Sechszylinder-Reihenmotor gehört Ende der 1930er Jahre neben dem Spitzenmodell 8C zum Programm elitärer Sport- und Traumwagen. Bis 1953 bleibt Alfa dem 6C treu (dazu gleich mehr). Damit allein wäre der Fortbestand Alfa Romeos in der Nachkriegsepoche aber kaum möglich gewesen, der Einstieg in Produktlinien zunächst einmal für besser verdienende Angestellte und Freiberufler ist nach dem Krieg überlebenswichtig. Erster Schritt ist 1950 der Tipo 1900, erster Alfa mit selbsttragender Karosserie, der am Fließband gefertigt wird. Sein 1,9 Liter-Vierzylindermotor ist wie gewohnt ein modernes Hochleistungstriebwerk mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Orazio Satta Puliga entwirft den 1900 als Limousine („La Berlina che Vince le Corse“), die für die Klasse überlegene Fahrleistungen erreicht – 160-180 km/h Spitze je nach Modellvariante – allerdings immer noch zu teuer für die meisten damals europaweit noch recht armseligen Massengehälter ist.
Dennoch: Fast 20 Tsd. produzierte „Berlinas“ in der Zeit 1950-1958 retten die Mailänder Firma über die 1950er Jahre, und die parallel gebauten eleganten zweitürigen Berlinettas („Sprint“), wunderschön eingekleidet von Touring, Pininfarina, Zagato oder Ghia, die Sport-Versionen 1900SS (Zagato) und die Erfolge des 1900 im Motorsport – einer der ersten Renntourenwagen der Geschichte – liefern den notwendigen Glamour, ohne den ein Alfa Romeo nun einmal nicht auskommt. Mehr noch: Die fliegende Untertasse alias „Disco Volante“, offizieller Titel „Alfa Romeo 1900 C52“, schlägt 1952/53 mit seinem futuristischen Design wie ein UFO in die Autowelt ein, findet allerdings weder als Straßensportwagen noch als Rennversion einen dauerhaften Platz in den automobilen Geschichtsbüchern.
Modelle in 1:43: 1900 Berlina – M4 und Brumm als Diecasts, ABC Brianza und BBR als Kleinserien-Modelle / 1900 Sprint – BBR, Gamma, ABC Brianza / SS Coupé – Gamma, Ma Collection, Klaxon, angekündigt von Neo / C52 Disco Volante – Resincast von Bizarre, Bausätze von Provence Moulage und Autostile (Carlo Brianza)
1953: Nach dem Abschied aus der Formel 1 (1951) entscheidet sich Alfa Romeo für eine Werks-Teilnahme an der 1953 neu geschaffenen Sportwagen-Weltmeisterschaft. Dafür wird der 6C 2500 Competizione von 1950 weiter entwickelt, er heißt nun 6C 3000CM. Der Sechszylinder-Reihenmotor mit 2 obenliegenden Nockenwellen wird auf 3,5 Liter vergrößert und erreicht nun 275 PS. Fahrgestell und Karosserie (von Colli) werden auf den aktuellen Standard gebracht. Vier Renn-Coupés und zwei offene Wagen bilden das Alfa-Werksteam. In der WM werden allerdings nur die Berlinettas eingesetzt, und man konzentriert sich auf die beiden wichtigsten Läufe, Mille Miglia und Le Mans, wo man mit drei Fahrzeugen antritt (nur in Spa wird noch ein einzelnes Coupé gesichtet). Obwohl die Performance stimmt, kommt am Ende nur ein zweiter Platz bei der Mille Miglia (mit Fangio am Steuer) heraus. So endet die WM-Saison für Alfa enttäuschend. Am Ende gibt es noch einen versöhnlichen Abschluss mit dem Sieg eines offenen 6C in Meran. Das Rennen zählt allerdings nicht zur Premium-Kategorie. Damit pausiert Alfas Werksbeteiligung an den großen Sportwagenrennen bis Mitte der 1960er Jahre.
Vor diesem 1953er Intermezzo treten die Alfa 6C-Sportwagen nur bei italienischen Rennen, insbesondere bei den Klassikern Targa Florio und Mille Miglia, in Erscheinung. Zum Teil sind es von Privatiers eingesetzte, über den Krieg konservierte 6C 2500-Sportwagen – immerhin wurden in der Zeit 1938-1945 einige 100 Exemplare gebaut, darunter mehrere „Super Sport“-Rennsportwagen, die vom Werk bereits 1939 (Le Mans) und 1940 (Mille Miglia) eingesetzt wurden. Für die Jahre 1948-1950 setzt Alfa auf Basis der 6C-Linie werksseitig einen „Competizione“ ein, der als Berlinetta bei der Mille Miglia und der Targa Florio zweite und dritte Plätze erreicht, u.a. mit Fangio am Steuer, und der z.T. schon mit einem 3 Liter-Motor ausgestattet ist.
Die für die Straße gebauten 6C 2500 („Tourismo“ oder „Sport“) sind bis Anfang der 1950er Jahre die letzten in Handarbeit gefertigten Modelle, eingekleidet von den bekannten italienischen Karosseriebauern. Herausragend unter den vielen 6C-Modellen ist die Berlinetta „Villa d´Este“, die beim traditionellen „Concorso d´Eleganza“ am Comer See preisgekrönt wird, sowie in der Sparte „Tourismo“ der große 6C „Freccia d´Oro“ (goldener Pfeil), eine 1,6-Tonnen-Sportlimousine mit sechs Sitzen, die dennoch einige Renneinsätze (Mille Miglia, Carrera Panamericana) nachweisen kann.
Modelle in 1:43: 6C 2500 Berlinetta Competizione 1939, 1940 – BBR / 6C 2500 Comp. Roadster 1940,1948 – TopModel Collection, AlfaModel43 / 6C 2500 Freccia d´Oro 1948-49-50 – BBR, Jolly Models, Minichamps / 6C 2500 SS Berlinetta – Gamma / 6C 2500 SS Berlinetta Villa d´Este – BBR, Alfa Romeo Sport Collection, Western Models / 6C 2500 und 3000 Competizione (Berlinetta) – BBR, AlfaModel43, TopModel Collection / 6C 3000CM Berlinetta 1953 – Provence Moulage, Jolly Model.
1954: Alfa Romeo zündet die zweite Stufe auf dem Weg zum Großserien-Hersteller mit Fließband-Fertigung: Die Giulietta-Reihe mit der kleinen 1,3 Liter-Vierzylinder-Hochleistungsmaschine soll nun endgültig den Zugang zu größeren Kundenkreisen öffnen. Acht Jahre später folgt der nächste Schritt mit der Giulia-Reihe, wiederum auf der Basis des Alu-Doppelnockenwellenmotors, nun mit 1,3 und 1,6 Litern Hubraum. Es sind diese beiden Baureihen der Jahre zwischen 1955 und Ende der 1970er Jahre, die den Namen Alfa Romeo heute prägen, weniger die teuren Handarbeitsmodelle vor 1954. Vor allem die Giulia-Reihe mit der Limousine („Berlina“), dem Coupé („Sprint“ bzw. „Bertone“) und dem Cabriolet („Duetto“ und „Spider“) steht auch noch im 21. Jahrhundert im Fokus der „Alfisti“, die Modelle tauchen immer noch gelegentlich im alltäglichen Straßenbild auf und bilden das Rückgrat so vieler Veranstaltungen mit klassischen Fahrzeugen bis hin zum historischen Motorsport.
„Die Giulietta ist zuallererst eine Herzensangelegenheit. Und zu allerletzt ebenfalls.“ (Motor Klassik 5/2014)
Beginnen wir 1954 mit dem zweiten Coup von Orazio Satta Puliga nach dem Tipo 1900 aus dem Jahr 1950. Als kleiner Gruß aus der Küche wird zunächst das Coupé (Giulietta Sprint) vorausgeschickt. Es schlägt wie eine Rakete ein und überschwemmt Alfa und Karosseriebauer Bertone mit Aufträgen. Der Sprint wird zur Blaupause für einen kleinen Gran Turismo. Das 2+2 Coupé ist leicht (unter 900 kg), für die damalige Zeit kräftig (80 PS, als Veloce 90 PS), schnell (bis 170 km/h) und wunderschön. Noch heute sind sein günstiges Leistungsgewicht und die harmonische Karosserie beispielhaft. Design und Motorkonzept sind ihrer Zeit jedenfalls weit voraus, und in Deutschland hat der Sportfahrer mit mittlerem Einkommen nun endlich eine Alternative zum Porsche 356 Coupé, auch und gerade in der beliebten 1,3 Liter-Rennklasse. Die viertürige kleine Limousine „Berlina“ folgt 1955. Sie wird bis 1963 gebaut, ab 1957 als „Giulietta t.i.“, die geht fast 160 Spitze! Sie stellt den Urtyp der Sportlimousine dar, 10 Jahre vor dem BMW 1602 und dem Ford Lotus Cortina und fast 20 Jahre vor dem Golf GTI, und sie wird mit über 130 Tsd. Einheiten zu einem Erfolgsmodell in Italien, leider etwas zu teuer für den deutschen Markt.
Und wer anders als Max Hoffman, geboren in Wien (Maximilian Hoffmann), Händler exklusiver und sportlicher Autos in New York, befördert Alfas Entscheidung, auch für die Giulietta-Reihe eine offene Version anzubieten. Seine untrügliche Nase für die Wünsche amerikanischer Sportfahrer ist in den 1950er Jahren für Sportwagen wie den Mercedes 300SL und 190SL, den BMW 507 oder den Porsche 356 Speedster verantwortlich. Der Spider mit seiner attraktiven, von Pininfarina entworfenen und gefertigten Karosserie wird zum Vorbild des kleinen italienischen Roadsters und zum Klassiker dieser Gattung. Seine Daten – Länge 3,90m, Breite 1,58m, Gewicht 860kg – lassen aktuelle Spider und Roadster alt aussehen, und ich frage mich, ob sich die Entwicklung dieser Gattung in den letzten 50 Jahren wirklich als Fortschritt darstellt. Im Interesse verwöhnter Amerikaner überzeugt Hoffman die Italiener davon, vom spartanischen Charakter britischer Roadster abzuweichen und den Spider mit „ordentlichen“, per Kurbel absenkbaren Seitenscheiben, einer vernünftigen Frontscheibe, einem leicht auf- und abzubauenden Verdeck und einem gewissen Federungskomfort auszustatten. Trotz dieser Komfortzugeständnisse ist der Alfa den Briten der entsprechenden Hubraumklasse in seinen Fahrleistungen und seiner technischen Brillanz hoch überlegen. Der Spider wird 1956 bis 1962 als Giulietta mit 1,3 Liter-Motor und 80 PS (90 PS als „Veloce“), danach noch drei weitere Jahre als „Giulia Spider“ mit dem 1,6 Liter-Motor gebaut (Veloce 1,6 Liter: über 110 PS). Allen drei Giulietta-Reihen gemeinsam ist das typische Gesicht mit dem „Scudetto“ (Schildchen) im Zentrum und den beiden „Baffi“ (Schnauzbärtchen) links und rechts davon.
Alfa wäre aber nicht Alfa, wenn man die neue Reihe nicht auch im Rennsport einsetzen würde. Dies gilt hier insbesondere für den Sprint GT, eine ideale Basis für den Amateur-Sportfahrer in der kleinen Gran Turismo-Klasse. Bereits ab 1955 treten die Sprint Veloce (SV) in großer Zahl bei den italienischen Klassikern Mille Miglia und Targa Florio, aber auch bei den 1000 km auf dem Nürburgring auf und kämpfen erfolgreich gegen die etablierten Porsche 356, die oft nur noch mit dem teuren Carrera-Rennmotor die Hoheit in der kleinen GT-Klasse wahren können. Ende der 1950er Jahre werden die Giulietta Sprint mit leichter Zagato-Alu-Karosserie als Rennversionen eingesetzt: 1958/59 Typ SVZ „Giulietta Sprint Veloce Zagato“, danach Typ „SZ“ mit kurzem Radstand und kurzer oder langer Version. Diese Renncoupés haben 100 PS und zuletzt deutlich unter 800 kg Gewicht. Besonders erfolgreich sind die SVZ und SZ bei der Targa Florio der Jahre 1958 bis 1963, immer mit Zielankünften unter den ersten zehn im Gesamtklassement, größter Erfolg: Platz 6 im Jahr 1959. Aber auch in Le Mans tauchen die Zagato-Sprints regelmäßig auf (1958, 1960, 1962, 1963), besonders erfolgreich eingesetzt vom Sant Ambroeus-Rennstall.
Modelle in 1:43 (Auswahl): Giulietta Berlina – IXO (Altaya) und Rio, als Kleinserie (Bausatz) von Tron (Provence Moulage) / Giulietta Sprint – Bang, IXO, Minichamps, Solido, Bausatz von Tron (Provence Moulage) / Giulietta Spider – Solido (Metosul), Kleinserie von Tron (Provence Moulage) und SMTS / SVZ – Kleinserie von Tron (Provence Moulage) und IV Model / SZ – Bang, IXO (Altaya), Pinko, Kleinserie von BBR, Tron (Provence Moulage) / SZ2 (lange Version, Coda Trunca) – IXO (Altaya), M4, Jolly Models, Kleinserie von Tron (Provence Moulage) und Renaissance / SS – Politoys, IXO (Altaya), M4.
1962: Vom Julchen zur Julia
Im Jahr 2012 wurde Geburtstag gefeiert: Die Giulia löst 1962 die Giulietta ab und wird bis 1978 produziert, sie ist DAS Erfolgsmodell von Alfa Romeo. Kein Nachfolger, sei es die 1750/2000 Berlina (1968-1976), die Alfetta (1972-1984) oder die zweite Giulietta (1977-1985), können auch nur entfernt an den Erfolg der Giulia anknüpfen. Schon die Karosserieform ist bemerkenswert: Knapp, kurz, schmal (Breite unter 1,6 m), mit viel Glas rundum, mit charakteristischen Ecken und Kanten, und dennoch einem fabelhaften Cw-Wert von 0,34: Verbunden mit kleiner Stirnfläche wird daraus geringer Luftwiderstand, mit viel Übersicht und Wendigkeit. Dazu ein Leergewicht unter 1000 kg – bei knapp 100 PS bei der Giulia Super sind das 10 kg pro PS Leistungsgewicht, Spitze 175 km/h. Ausgestattet ist die Giulia ähnlich wie beim Vorgänger mit reinster Sporttechnik: 1,6 Liter-Alu-Motor (Giulia Super) mit 2 obenliegenden Nockenwellen, und schon nach wenigen Jahren werden die Giulias mit vier Scheibenbremsen und fünf Gängen ausgestattet. Man schlage nur Autokataloge von 1962-1965 auf und vergleiche das PKW-Sortiment jener Tage mit der Giulia!
„Es gibt Autos, die man nicht vergessen kann. Auch ihre Erbauer können sie nicht vergessen und versuchen ein Remake – meistens vergeblich.“ (Fritz B. Busch, „Steiler Zahn“, Auto, Motor und Sport Edition, Faszination Alfa Romeo, Stuttgart 2018)
Und der Vergleich mit Modellen des Jahrgangs 2012, als dieser Bericht entstand? Kennzahlen der aktuellen Alfa Romeo Giulietta, stellvertretend für viele Sport-PKW aus heutiger Produktion: 1350 kg Gewicht (35% mehr als bei der alten Giulia) und 120 PS in der Basisversion ergeben ein Leistungsgewicht von über 11 kg pro PS. Fast 1,80 m Breite führen zu einer um 18% größeren Stirnfläche und Problemen in engen Straßen, Garagen und Parkhäusern, schmale hintere Seitenfenster und ein nicht einsehbares Heck schränken die Übersicht ein. Fortschritt? Das mag jeder für sich beurteilen. Nach über 16 Jahren Produktion bleibt jedenfalls für die Giulia eine Erfolgsbilanz von knapp 600 Tsd. Fahrzeugen und – zumindest meine – Erkenntnis, dass sie bis heute (bei Alfa oder anderen Herstellern) keinen würdigen Nachfolger gefunden hat. (Anmerkung 2023: Vergleichsdaten der neuen Giulia von 2020 in der Basisversion: Breite 1,86m, Gewicht 1500 kg)
Hinzu kommen noch einmal ca. 230 Tsd. Exemplare des „Giulia Sprint GT“, heute kurz „Bertone“ genannt, denn das schöne 2+2 Coupé, von Giugiaro entworfen, wird 1963 bis 1976 bei Bertone produziert. Es ist die Basis für den GTA, einen der erfolgreichsten Renntourenwagen der 1960er Jahre. Und schließlich ab 1966 die offene Variante, Nachfolger des Giulia Spider, anfangs genannt „Duetto“, als Neubeginn einer Baureihe, die – ab 1970 als „Fastback“ mit Kamm-Heck – bis 1993, also bis in die Fiat-Jahre hinein, produziert wird und mit 120 Tsd. Exemplaren eines der erfolgreichsten Cabriolets weltweit wird. Der ursprüngliche „Rundheck“-Entwurf stammt noch von Pininfarina Senior (Battista). Der Duetto wird in den USA nur „Graduate“ genannt, weil ihn seine Rolle im Film „Reifeprüfung“ mit Dustin Hoffman unsterblich gemacht hat. Bis 1983 ist der Spider ein optischer Leckerbissen, danach nicht zuletzt durch amerikanische Sicherheitsregeln etwas verunstaltet, aber immer noch mit der traditionellen Giulia-Technik ausgestattet. Auch er ist bis heute ohne einen wirklichen Nachfolger geblieben, der Ästhetik und Hochleistungstechnik in einen kompakten, leichten und von Ausstattungs-Gimmicks unbelasteten Roadster verpackt.
„Unter dem eleganten Pininfarina-Kleid war er immer der gleiche lebendige Sportwagen für Leute, denen die unerreichte Leichtigkeit des Fahrens wichtiger ist als Modetrends, Spaltmaße oder rostende Schweller.“ Heinrich Lingner, Motor Klassik 2/2000
Alfas Rennsportaktivitäten in der Giulia-Epoche lassen sich in drei Themen gliedern: Tourenwagensport mit dem „GTA“, GT-Sport auf Basis der Giulia-Technik mit den Zagato-Coupés TZ und TZ2 (1964/65) und schließlich Rückkehr in den großen Prototypensport, beginnend 1967 mit dem Tipo 33 und dem neuen V8-Rennmotor, dazu weiter unten mehr. Für die Endurance-Rennen 1964/65 setzt Alfa auf Carlo Chitis Rennstall „Autodelta“ und die von Zagato mit leichten Alu-Karosserien ausgestatteten TZ („Tubolare Zagato“, 1964) und TZ2 (1965). In der 1,6 Liter-GT-Klasse sind sie die überlegenen Fahrzeuge, der TZ dringt 1964 bei der Targa Florio sogar auf die Plätze 3 und 4 im Gesamtklassement vor.
Modelle in 1:43 (Auswahl): Giulia – Minichamps, Norev, Progetto, Bausatz von Provence Moulage / Sprint GT „Bertone“ – Minichamps, M4, Progetto, Auto Art, Kleinserienmodell von Look Smart / Duetto – Exem, Schuco, Minichamps, Vitesse, Bausatz von Provence Moulage / Spider (Fastback) – Vitesse, MaxiCar, Minichamps, Bausatz von Provence Moulage / Giulia TZ – Best, Solido (Verem), IXO, Bausatz von Tron/Provence Moulage / Giulia TZ2 – Best, Minichamps, Kleinserienmodelle von BBR, Carlo Brianza, Provence Moulage.
Anmerkung zum Namen „Spider“:
Offene Fahrzeuge mit Stoffverdeck werden allgemein als „Cabriolets“ bezeichnet, leichte offene Zweisitzer gern auch als „Roadster“, abgeleitet von der britischen Sportwagen-Tradition offener Sportwagen mit Notverdeck und Steckscheiben. Für Sportwagen mit aufwändigem Stoffverdeck und versenkbaren Seitenscheiben ist dagegen eigentlich der Begriff „Cabriolet“ eher zutreffend.
Parallel wird bei zweisitzigen Sportwagen, auch bei Rennsportwagen, der Name „Spider“ verwendet. Er stammt aus der Kutschen-Typologie („Spider-Phaeton“) und beschreibt eine leichte Ausführung einer offenen, zweiachsigen Kutsche mit zwei vorderen Sitzen in Fahrtrichtung („Selbstfahrer“), einem Klappverdeck und zwei weiteren Notsitzen. Gleichzeitig erinnert diese Kutschform mit den frei stehenden großen Rädern angeblich an eine Spinne – englisch: Spider. Diese Bezeichnung wurde zunächst von amerikanischen Autofirmen der 1920er Jahre (Stutz, Cord, Duesenberg) als Name für leichte Sportzweisitzer übernommen. Bei Alfa Romeo kam die Bezeichnung wohl erstmalig 1934 beim 6C 2300 Aerodinamica Spider („Aerospider“) ins Gespräch, dann wieder beim Tipo 1900 und bei der Giulietta- und Giulia-Reihe für die zweisitzigen offenen Sportwagen.
Zusatzbemerkung: Porsche verwendete bei seinem Rennsport-Typ 550 ab 1954 den Zusatz „Spyder“ (vor Ende 1954 gab es diesen Zusatznamen für den 550 noch nicht). Eigentlich hätte man „Spider“ schreiben müssen – wie letztlich das „Y“ in den Namen kam, würde mich auch mal interessieren. Die neue Rennsaison 1955 bescherte der Welt damit einen griffigen Namen für den neuen Star der 1,5 Liter-Sportwagenklasse: „550 Spyder“. Wieder war es das Verkaufsgenie Max Hoffman (siehe oben), der den Verkauf einer kleinen Serie von 550 an amerikanische Rennfahrer damit förderte. Wie auch immer: „Spyder“ ist heute – mit dem falschen „Y“ – vor allem ein Porsche-Name, den die Stuttgarter auch bei späteren offenen Rennsportwagen verwendet haben. Ansonsten hat der Kunstbegriff „Spyder“, der mittlerweile z.B. auch von Maserati oder Lamborghini verwendet wird, mit dem Ursprung aus der Kutschenzeit oder den 1920er Jahren nichts mehr zu tun, und korrektes Englisch stellt er ebenfalls nicht dar.
1967: Mit dem „Trenta Tre“ kehrt Alfa Romeo nach 14 Jahren wieder in die oberste Sportwagen-Kategorie der Endurance-Szene zurück. Am Ende von elf wechselvollen Jahren mit sieben Varianten zum Thema Tipo 33 stehen zwei Weltmeisterschaften, aber auch Jahre mit mäßigen Rennerfolgen in den Büchern, und der private Sportfahrer freut sich über den „Montreal“, der als Nebenprodukt aus dem Tipo 33 abgeleitet und in den 1970er Jahren in kleiner Stückzahl (knapp 4.000) produziert wird.
Der Tipo 33 ist das Kind von Carlo Chiti, bis 1962 Renningenieur bei Ferrari und danach Gründer des Rennstalls „Autodelta“, der von Alfa für die Rückkehr der Italiener in den Rennsport engagiert wird: Zuerst für die GT-Sportwagen Giulia TZ und TZ2 (1964/65), dann für die T33-Prototypen von 1967 bis 1974 und 1977, beginnend mit dem „Projekt 105.33“ von 1965/66, aus dem der erste T33 von 1967 entsteht – zunächst mit einem 2-Liter-V8, eingesetzt in der hart umkämpften und stark besetzten 2-Liter-Prototypenklasse der Endurance-WM, mit Ferrari (206S Dino) und Porsche (906, 910, 907) als hochkarätige Konkurrenz, und ab 1969/70 mit 3-Liter-Motoren, dem Limit der Prototypenklasse entsprechend. Aber der Reihe nach…
Der erste T33 feiert sein Debut in der Prototypen-WM bei den 12 Stunden von Sebring im März 1967. Sein 900-V8-Motor mit 2 obenliegenden Nockenwellen ist mit einem 6-Gang-Getriebe verblockt und als Mittelmotor in einen Rohrrahmen gesetzt. Frischluft erhält er über eine 1967 noch ungewöhnliche Lufthutze, daher sein Name „Periscopia“. 1967 ist noch ein Entwicklungsjahr, meist fallen die T33 aus, aber immerhin wird am Nürburgring ein 5. Platz erreicht. 1968 ist der T33 dann ausgereift und fährt in seiner zweiten Entwicklungsstufe (33/2) reichliche Ernte ein. In der 2-Liter-Klasse ist er die Nummer 1, zumal Porsche nun in die 3-Liter-Klasse aufgestiegen ist. Seinen größten Erfolg feiert der 33/2 „Daytona“, benannt nach seinem gelungenen Einstand beim US-Marathon, bei der Targa Florio (Plätze 2, 3, 5 und 6), wo nur ein entfesselt fahrender Vic Elford den einzigen verbliebenen Porsche 907 noch vor der Alfa-Streitmacht platzieren kann. Am Ende belegt Alfa Romeo Platz 3 in der Weltmeisterschaft.
Der Weg vom 2-Liter-V8 zum 3-Liter-Alfa 33/3 beginnt 1968 mit einer 2,5-Liter-Version. Der erste echte 33/3, nun mit einem Monocoque-Rahmen, debutiert dann in Sebring im März 1969. Autodelta benötigt aber eine volle Saison, um dem Neuling Rennreife anzuerziehen. Erst 1970 ist er leidlich zuverlässig und schnell, aber wie alle anderen 3-Liter-Prototypen, von Matra bis Alpine, steht er im Schatten des Giganten-Duells der 5-Liter-Sportwagen Porsche 917 und Ferrari 512S. 1971 wendet sich das Blatt: Der aufgefrischte neue 33/3 ist nun ein Muster an Zuverlässigkeit, leicht und schnell und mit guten Fahrern besetzt, allen voran Rolf Stommelen in Höchstform. Gegen die starken Porsche 917 und 908/3 gelingen drei WM-Gesamtsiege (Brands Hatch, Targa Florio und Watkins Glen) und weitere 8 Podiumsplätze in den 11 WM-Rennen – am Ende wird man Zweiter in der WM-Wertung. Für die neue Saison 1972, in der die großen 5-Liter-Sportwagen nicht mehr starten dürfen, ist Alfa damit Favorit. Der neue 33TT3 hat nun wieder einen Rohrrahmen („Telaio Tubolare“), aber gegen die schnellen und nun auch standfesten Ferrari 312PB gelingt in elf WM-Rennen kein einziger Sieg, es bleibt bei zweiten und dritten Plätzen. 1973 kommt es noch schlimmer: Der Nachfolger 33TT12, mit einem 1800-12-Zylinder-Motor und neuer Aerodynamik, ist noch zu unerprobt – Konsequenz: Keine zählbaren Resultate. 1974 ist er zwar standfest, kommt aber nicht ganz an den Speed der Matra 670C heran. Es bleibt bei einem Sieg in Monza und mehreren Podiumsplätzen.
Dann folgt das erfolgreichste Jahr für den Tipo 33: In Händen des Privatteams von Willy Kauhsen – allerdings ohne die starke Konkurrenz von Matra – gelingen sieben Erfolge in neun WM-Rennen, die Sportwagen-Weltmeisterschaft geht überlegen an Alfa Romeo, und die Erfolge teilen sich Fahrer wie Merzario, Laffite, Pescarolo, Bell oder Mass. Der 33 ist damit aber noch nicht am Ende. Nach einer Saison 1976 mit nur sporadischem Einsatz in der Gruppe 6-Weltmeisterschaft für Sportwagen erscheint der neue „33SC12“ mit Monocoque-Rahmen (Scatolato) und 520 PS in der Sportwagen-WM 1977, nun wieder eingesetzt von Autodelta. Die Rennen gehen meist über 500 km, sie sind allerdings nur schwach besetzt, so fällt es Alfa leicht, alle acht Rennen zu gewinnen und den Titel zu holen. Auf dem Salzburgring belegt eine neue Turbo-Version des 33 SC mit 2,1-Liter-Motor und ca. 640 PS den zweiten Platz. Damit verabschiedet sich Alfa aus der Sportwagen-Szene und konzentriert sich zunehmend auf die Formel 1, zunächst als Motorenlieferant, später mit eigenem Fahrzeug. Aber das ist eine andere Geschichte. Ein Sportwagen-Projekt für die Gruppe C im Jahr 1992 wird erst Jahre später bekannt, es gelangt nicht mehr zur Rennreife.
Modelle in 1:43: 33 (1967) – M4, Mercury, MCW, Bausatz von Provence Moulage, ALM43, Tecnomodel / 33 Stradale – M4, Minjichamps, True Scale, Bausatz von Tenariv / 33.2 (1968/69) – Best, M4, TopModelCollection, Bausatz von Provence Moulage / 33.3 (1969) – BBR / 33.3 (1970) Kurzheck: Best, Politoys, Bausatz von BBR / 33.3 (1970) Le Mans-Heck – Solido, M4, True Scale, MG, Fast, BBR / 33.3 (1971) – Minichamps, M4, True Scale, Bausatz bzw. Kleinserie von BBR, FDS, Sapphire / 33TT3 (1972) – M4, Bausatz bzw. Kleinserie von BBR, FDS, Fast, MG / 33TT12 (1973) – Maydero / 33TT12 (1974/75) – Solido, Brumm, Minichamps, Altaya, Maydero / 33SC12 (Turbo, 1977) – M4, Bausatz von FDS
1972: Mit dem Alfasud führt Alfa Romeo eine neue Baureihe der Kompaktklasse ein, dies vor dem Hintergrund, dass die klassischen Alfa Giulia und Sprint noch bis weit in die 1970er Jahre beliebte und heute noch geschätzte Modelle sind. Der Spider bleibt sogar bis Anfang der 1990er Jahre im Programm – einer der letzten Evergreens der 1960er Jahre und einer der erfolgreichsten Roadster/Cabrios aller Zeiten. Die „Berlina“, produziert 1968 bis 1976, führt dagegen – viele Alfisti meinen unverdient – nur ein Schattendasein. Ihre schlichte, schlanke Silhouette ist das genaue Gegenstück der aktuellen wenig kompakten, übergewichtigen und oft „overstyled“ wirkenden Karosserien aus den Windkanal- und Marketing-Departments.
1971 erscheint nun also der Alfasud in der „Golf-Klasse“, die es da eigentlich noch gar nicht gibt, denn der Golf kommt erst 1974. Direkte Konkurrenten sind Simca 1300, Peugeot 204, Fiat 128 oder Citroen GS, bis auf letzteren also eher wenig innovative Mobile.
Der Alfasud ist ein Geschöpf des Österreichers Rudolf Hruska, der Karosserieentwurf stammt vom Star-Designer Giorgio Giugiaro. Er wird ab 1972 im neuen Montagewerk bei Neapel produziert: Alfas vermutlich größter Fehler, denn mit der regionalpolitisch motivierten Entscheidung für diesen Standort und mit dubiosen Verträgen mit der Sowjetunion zur Lieferung von (wie sich dann herausstellt) minderwertigem Stahl wird der Grundstein für einen der tragischsten Irrtümer der Autogeschichte gelegt: Die berechtigte Kritik an Rostanfälligkeit und Fertigungsmängeln legt sich wie Mehltau über eine eigentlich vorzügliche Konstruktion und Interpretation des Themas „kompakte untere Mittelklasse“. Der Vierzylinder-Boxermotor ist ein Vorbild an Laufruhe und Zuverlässigkeit, die Raumökonomie ist deutlich besser als bei der Konkurrenz, einschließlich des zwei Jahre später auftretenden Golf, vom Längenmaß unter 4 Metern, einem Gewicht von deutlich unter 800 kg und dem niedrigen Schwerpunkt profitieren Temperament und Straßenlage, und die Innenausstattung (Cockpit, Sitze) übertrifft den Klassenstandard bei weitem. Mit seinem Konzept ist der Alfasud – so auch meine Erfahrung aus den Jahren 1976-1983, als ich nacheinander Alfasud und Golf besaß – dem damaligen Golf I überlegen. Immerhin werden im Zeitraum bis 1984 ca. 900 Tsd. Alfasud gebaut, zusätzlich 120 Tsd. „Sprint“ Coupés: Nach Stückzahl gemessen ist er also der bis dahin erfolgreichste Alfa Romeo. Dennoch: Heute bleibt als ernüchternde Erkenntnis, dass in den Köpfen der Alfisti und anderer „Petrol Heads“ vor allem die Qualitätsprobleme haften bleiben. Und aus den genannten Gründen ist der Alfasud heute leider auch eine Rarität in der Oldtimer-Szene.
„Fiat hat Alfasud mit allen Mitteln bekämpft, um Alfa zu ruinieren und später für ein Butterbrot zu bekommen. Eine Schweinerei!!“ Rudolf Hruska, Turin 1992, in: Motor Klassik 3/1995, Portrait Rudolf Hruska.
Modelle in 1:43: Modelle des Alfasud als 4-Türer, der gegenüber dem 2-Türer die deutlich harmonischere Form hat, gibt es aktuell nicht. Vor vielen Jahren war ein recht guter und sehr preisgünstiger 1:43-Plastikbausatz von Heller lieferbar (siehe Foto), er ist über den Ebay-Handel auch hin und wieder noch erhältlich. Die 4-Türer-Modelle von ProgettoK und Mebetoys sind dagegen nicht zu empfehlen, und das Modell von deAgostini ist nur schwer zu erhalten, es stellt den 4-Türer aus den späteren Produktionsjahren (mit dicker US-Stoßstange) dar. Den 2-Türer gibt es als Diecast von Minichamps und von diversen Billigserien, die aber nicht so schön sind. Auch beim Sprint sollte man auf das schöne Modell von Minichamps zurückgreifen, es sei denn, man sucht verspoilerte Sportversionen, die von Alezan als Bausatz angeboten werden.
Ein Jahr nach dem Alfasud erscheint die „Alfetta“, innerhalb der Alfa-Flotte oberhalb der Giulia angesiedelt, die noch bis 1978 (zuletzt als „Nuova“) parallel produziert wird. Die Alfetta bleibt bis 1984 im Programm, sie folgt – ein technischer Leckerbissen – der Transaxle-Idee, das Getriebe ist also an der de Dion-Hinterachse mit dem Differenzial verblockt, was der Gewichtsverteilung zugutekommt. Zwei Jahre später (1974) folgt das Coupé „Sprint GTV“, das später auch mit einem V6-Motor ausgestattet wird, der einen weiteren, oft verkannten Höhepunkt der Alfa-Motorbaukunst darstellt.
Die letzten Jahre unabhängiger Alfa-Produktion – vor der Eingliederung in den Fiat-Konzern 1985 – sind von schnellen Modellwechseln und dem Versuch geprägt, den einzigartigen Erfolg der Giulia-Reihe zu wiederholen. Ab 1977 wird die zweite „Giulietta“ zum Nachfolgemodell der Giulia, der Alfasud wird 1983 vom Alfa 33 abgelöst, Mitte der 1980er Jahre folgen der Tipo 90 und – anlässlich des 75jährigen Bestehens der Firma – der Tipo 75. Der Tipo 164 schließlich entsteht noch in den Konstruktionsbüros von Alfa Romeo. Die Produktion ab 1987 erfolgt dann aber bereits unter der Fiat-Regie. 75 Jahre eigenständige Entwicklung, Produktion und Motorsportaktivität Alfa Romeos finden damit ihr Ende.
„Dann ließ Erzfeind Fiat seinen politischen Einfluß spielen und riß sich Alfa unter den Nagel. Die Vorgänge erregen noch Jahre später EG-Finanzkommssare und italienische Untersuchungsrichter.“ Karl-Heinz Lange in „Portrait Rudolf Hruska“, Motor Klassik 3/1995.
Quellen:
Eine Liste aller einschlägigen Alfa Romeo-Bücher oder Internet-Quellen würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, daher hier nur drei kurze Anmerkungen: (1) Motor Klassik gab Ende der 1980er Jahre ein Sonderheft (Spezial Nr. 4) „Alfa Romeo Giulietta“ heraus, das noch im Antiquariat bzw. bei Ebay erhältlich ist und ein buntes Kaleidoskop rund um die Giulietta bietet.
(2) Wer Gefallen an antiquarischer Literatur zu Alfa Romeo hat: Peter Hull, Alfa Romeo, Introduction by Count Johnny Lurani, Ballantine´s Illustrated History of the Car, Marque Book No 2, Ballantine Books, New York 1971.
(3) Wer es lieber in Bild und Ton mag, dem sei eine wunderbare DVD über die Alfa-Rennhistorie (Vorkriegs- und Nachkriegszeit) empfohlen: „Victory by Design – Alfa Romeo“: Ein Schmaus für Auge und Ohr, insbesondere die Akustik ist atemberaubend, die Kommentare von Alain deCadenet anregend und kompetent und die Kameraführung (Tony Maylam) ein Genuss. Die DVD-Serie ist im Übrigen auch für Jaguar, Ferrari, Maserati oder Aston Martin lieferbar und präsentiert Leckerbissen für jeden Motorsport-Enthusiasten.