Die „S-Reihe“: SS, SSK, SSKL – Modelle in 1/43
Bericht 3 zur Trilogie über die „S-Serie“ von Mercedes-Benz 1927-1932
Bericht von 07/2023, aktualisiert 11/2024.
Zur „S-Serie“ von Mercedes-Benz, zu den Starts in Le Mans 1930-1932 sowie zu den Modellen in 1/43 können hier auf der Minerva-Webseite drei Berichte aufgerufen werden. Der Bericht 1 befasst sich mit der Entwicklungsgeschichte der S-Serie vom Typ „K“ bis zum „SSKL“. Ein weiterer Bericht 2 hat die Auftritte der Mercedes-Benz Rennsportwagen in Le Mans und speziell die Starts des „SS“ in den Jahren 1930-1932 zum Thema. Im hier folgenden Bericht 3 geht es um Modelle der Rennsport-Typen der „S-Reihe“ in 1/43.
Zunächst wird in diesem Bericht ein Überblick darüber gegeben, welche 1/43-Rennsportmodelle der „S-Serie“ bis 2023 produziert worden sind. Dann steht der Bausatz von MCM des Mercedes-Benz SS (Le Mans 1930) im Mittelpunkt.
Neu (2024): Das Ende 2024 von Spark ausgelieferte Modell des Mercedes-Benz SS, Le Mans 1931, wird kurz beschrieben und mit dem Modell von MCM (Le Mans 1930) verglichen (Beschreibung in Kursivschrift).
Und danach werden zwei 1/43-Modelle des SSK und des SSKL vorgestellt, die auf der Basis alter Diecast-Modelle von Solido entstanden sind.
„S-Serie“ von Mercedes-Benz – Modelle in 1/43 (Stand 2023)
Mercedes-Benz „S“ (Typ „680 S“ alias „Weißer Elefant“, Baujahr 1937): Zu diesem Auto gab/gibt es nur ein teures Kleinserien-Fertigmodell von Ilario (Carbone43). Es wurden 75 Exemplare aufgelegt, der Preis (sofern überhaupt noch lieferbar) liegt bei über 300 €. Versionen: Eifelrennen oder Großer Preis von Deutschland, Nürburgring 1927 (außerdem diverse Straßenversionen).
Mercedes-Benz „SS“: Ein Diecast-Modell wurde vor vielen Jahren von Solido hergestellt. Vom Auto, das 1930 in Le Mans am Start war, gab es einen Metallbausatz von MCM, der ganz gelegentlich noch bei Ebay oder anderen Online-Börsen auftaucht, der Bausatz ist auch für die Le Mans-Autos 1931 und 1932 geeignet. Das 1931er Auto, Platz 2 in Le Mans, wird von Spark produziert, die Auslieferung des Modells erfolgt ab November 2024.
Mercedes-Benz „SSK“: Im Gegensatz zu den Vorgängern wurde der „SSK“ von einer Reihe von Herstellern produziert, viele Modelle sind aber schon lange nicht mehr im Handel verfügbar, einige sind recht teuer. Ein relativ günstiges Diecast-Modell kam/kommt von IXO und zugehörigen „Kiosk-Serien“ (Altaya, White Box, Mercedes-Collection, deAgostini). Weiterhin gab es ein Diecast-Modell von Rio. Ein älterer Bausatz kam von Plumbies (made by Western Models), und in neuerer Zeit gab es einen Metallbausatz von MCM, beide Modelle sind heute kaum noch lieferbar. Ein teures Kleinserien-Modell des SSK vom Hersteller EMC aus der Ukraine (über 400 €) ist heute ebenfalls nur noch schwer aufzutreiben. Ein Resincast-Modell aktueller Qualität war bis 2023 noch nicht auf dem Markt.
Neu (2024): Im Laufe des Jahres 2024 nahm Spark den Typ SSK, Sieger der 24 Stunden von Spa 1931, in sein Programm auf.
Mercedes-Benz „SSKL“: Beim „SSKL“ ist das Modellangebot ähnlich wie beim „SSK“. Solido stellte vor langer Zeit ein Diecast-Modell her, auf das hier im Folgenden eingegangen wird. Ein Bausatz von MA Scale könnte heute noch beim Hersteller in den USA aufzutreiben sein. Ein sehr schöner Metallbausatz von MCM ist dagegen nur noch schwer zu beschaffen. Auch beim „SSKL“ fehlte 2023 immer noch ein gutes Resincast-Modell. In diversen größeren Maßstäben waren/sind Modelle produziert worden: Von Pauls Model Art (Minichamps) in 1/24, von CMC in 1/18, von Fulgurex in 1/12 (für einen vierstelligen Betrag) und von Amalgam in 1/8, für Amalgam wäre allerdings ein fünfstelliger Betrag hinzublättern, sofern überhaupt noch lieferbar.
Mercedes-Benz SS, Le Mans 1930 – 1/43-Bausatz von MCM
Die Frage, ob der Mercedes-Benz in Le Mans 1930, 1931 und 1932 ein Typ „SS“ war oder etwa doch ein „SSK“, wurde im Bericht 2 bereits diskutiert: Also ein „SS“.
Der MCM-Bausatz ist zwar schon etwas älter, aber in vieler Hinsicht auch nach heutigen Maßstäben von hoher Qualität, ohne mit einer überbordenden Zahl von Klein- und Kleinstteilen aufzuwarten. Die wesentlichen Elemente der Karosserie, des Chassis und des Cockpits (Sitze, Abdeckung) bestehen aus Weißmetall, der Guss der Teile ist einwandfrei. Die Kühlermaske und einige Kleinteile bestehen aus verchromtem Metall, einige Ätzteile sind ebenfalls enthalten. Die Decals sind für alle drei Autos (Le Mans 1930-1932) geeignet, und die plane Frontscheibe muss zugeschnitten werden. Der Bausatz enthält fünf sehr schöne Speichenfelgen und Reifen (vier plus Reserverad am Heck). Die Bauanleitung besteht aus zwei A4-Seiten mit Fotos der einzelnen Baustufen, allerdings wäre eine zusätzliche Explosionszeichnung sehr hilfreich gewesen.
Die Vermessung des 1/43-Modells zeigt, dass es maßstabgerecht ist: Länge 10,85cm (ohne vorderen Einzelscheinwerfer und ohne Reserverad am Heck)=4,66m, das Original hatte eine Länge von 4,70m; Radstand 7,9cm (=3,40m), Original 3,40m. Auch die Speichenräder haben die korrekte Dimension (Original: 6,50×20).
Fotos des fertigen Modells kann man nicht nur in der Bauanleitung, sondern auch auf diversen Webseiten ansehen: „Modell-Paradies“, „Grand Prix Models“ (nicht mehr aktuell), „Modellautos Budig“ (dort unter MCM Queens Mercedes-Benz SSK), „mimodels“ oder „mb143.ru“. Dabei unterscheiden sich die abgebildeten Modelle in dem einen oder anderen Karosseriedetail.
Bevor auf einige dieser kritischen Details eingegangen wird, muss an dieser Stelle das Problem der Farbwahl angesprochen werden. Einige Elemente des Modells sind weitgehend unstrittig: Weiße Karosserie und weiße Kotflügel, beim 1930er Auto weiße Chassis-Teile, Sitze und Abdeckung der hinteren Sitze dunkel, vermutlich schwarz, Armaturenbrett dunkelbraun oder schwarz, Auspuffrohre in alu-silber bzw. im unteren Bereich in mittelgrau. Bei anderen Elementen ist das weniger klar, z.B. bei der Farbe der Haubengurte oder beim Lenkrad: Die Fotos des Originalfahrzeugs in Le Mans deuten auf einen dunklen Farbton des Lenkrads hin (schwarz?). Und auch bei den Felgen oder den zu Rennbeginn angebrachten Abdeckungen auf den Scheinwerfern kommt man der korrekten Farbe mit den SW-Fotos vom Rennen nicht wirklich auf die Spur.
Denn bei fast allen Vorkriegsautos muss der Modellbauer bekanntlich damit leben, dass authentische Fotos aus der Zeit und vom konkreten Rennen eben nur in SW vorliegen, es gibt keine Farbfotos. Und es ist nun einmal bei SW-Fotos nur möglich, helle von dunklen Tönen, aber nicht zwischen blau, grün oder rot zu unterscheiden. Schlechte Bildqualität, Verschmutzungen oder unterschiedlicher Lichteinfall tun ein Übriges. Exakte Aussagen zu Farben liefern die Originalfotos vom Rennen also nicht, und neuere Farbfotos, z.B. von den Autos in aktuellen Sammlungen oder gar von Modellauto-Herstellern, liefern nach meiner Erfahrung keine sicheren Beweise. Überlieferte Aussagen von Zeitzeugen könnten da weiterhelfen, eventuell auch Illustrationen, sofern sie aus zuverlässiger Quelle stammen. Oder man fragt einfach mal bei Alfred Neubauer nach…
So ist es schwieriger als mancher denkt, z. B. die Frage nach der Farbe der Felgen zu klären. Sie waren auf den Fotos recht dunkel, aber ob schwarz, dunkelrot oder tiefrot (oder in einer anderen Farbe), lässt sich an den SW-Aufnahmen nicht erkennen. Wie sind MCM bzw. die Leute, die das Modell gebaut haben, auf die Idee gekommen, die Felgen dunkelrot zu lackieren? Ähnliches gilt für die Abdeckungen der Scheinwerfer zu Rennbeginn (nach Ablösung Caracciolas durch Christian Werner wurden diese übrigens entfernt). Sie sind auf den Fotos sehr dunkel – schwarz? dunkelrot? Auch einschlägige Fragen bei diversen Mercedes-Experten haben zu keinen definitiven Aussagen geführt. Beim hier abgebildeten Modell blieb also nur die Entscheidung, sich am „Mainstream“ zu orientieren und die Felgen in tiefrot sowie die Abdeckungen in schwarz zu lackieren. Bei den Abdeckungen wäre dabei eine nachträgliche Änderung noch möglich. Außerdem könnte man die Abdeckungen auch weglassen, das wäre dann der Status vor dem Start oder nach der Ablösung Caracciolas durch Werner, als das Rennen in die Nacht ging.
Weitere Karosseriedetails:
Hintere Kotflügel: Bei der Montage der hinteren Kotflügel muss zwischen dem Auto von Le Mans 1930 und den beiden von 1931 und 1932 unterschieden werden. Beim Werkswagen 1930 reichten die Kotflügel hinten weit nach unten, während sie auf der Vorderseite des Hinterrads relativ weit oben begannen. 1931 und 1932 war dies gerade umgekehrt. Beim MCM-Kit kann der Modellbauer die Montage der Kotflügel auf Basis der SW-Fotos des jeweiligen Originalautos selbst bestimmen.
Schutzgitter vor der Kühlermaske: Auch hier bestehen Unterschiede zwischen dem Werkswagen 1930 und dem privaten „SS“ von 1931 und 1932 – bei Letzterem reicht das Schutzgitter bis zum oberen Rand der Kühlermaske. Beim 1930er Auto reicht es dagegen nicht so hoch, sondern nur bis zum oberen Rand der Waben, d. h. der Mercedes-Stern auf der oberen Fassung der Kühlermaske ist frei sichtbar. Entsprechend ist das geätzte Gitter im MCM-Bausatz zuzuschneiden.
Haubenriemen: Beim 1930er Auto ist der Abstand zwischen den beiden Haubenriemen relativ klein – der vordere Riemen verlief (auf der Auspuffseite) zwischen dem vorderen und dem mittleren Auspuffrohr, der hintere zwischen dem mittleren und dem hinteren Auspuffrohr. Das ist auf mehreren Online-Fotos des gebauten MCM-Kits und auch in der Bauanleitung nicht korrekt, der Modellbauer kann das natürlich bei der Montage berücksichtigen.
Scheinwerfer: Die beiden Hauptscheinwerfer und der mittig unten montierte Einzelscheinwerfer waren bei allen Le Mans-Autos zum Rennbeginn mit Überzügen (Material?) abgedeckt, auf SW-Fotos sind diese sehr dunkel – vermutlich schwarz (oder dunkelrot?). Darunter befanden sich vor den Scheinwerfern metallene Schutzgitter, die beim MCM-Kit recht grob ausfallen – so wären die Scheinwerfergläser jedenfalls kaum sichtbar. Zu empfehlen ist daher, die Start-Variante mit abgedeckten Scheinwerfern zu wählen.
Heckpartie: Vom Heck des 1930er Autos konnten die Minerva-Recherchen ein SW-Foto vom Rennen in Le Mans aufspüren, vom 1931er Auto dagegen nicht. Leider verhindern die Urheberrechte hier im Internet eine Wiedergabe des Fotos (bei privater Anfrage kann es aber gern weitergegeben werden). Ein solches Foto lag MCM offensichtlich nicht vor, denn einige Details zum Heck fehlen im Bausatz: Die Riemen-Befestigung des Reserverads, einschließlich Metallplatte als Stütze unter dem Rad, ist unvollständig bzw. nicht korrekt, und beim MCM-Modell fehlen die hintere Tafel mit der Startnummer und das Kennzeichen- und D-Schild, außerdem fehlen die beiden Heckleuchten. Heckfotos sind nun einmal ein latentes Problem für Modellhersteller und Modellbauer. Das Foto vom fertiggestellten MCM-Bausatz zeigt, wie der „SS“ in Le Mans 1930 von hinten in etwa ausgesehen hat.
Neu (2024): Das Spark-Modell des Typ SS, Le Mans 1931
Spark hat den Mercedes-Benz SS von 1931 perfekt und in beeindruckender Qualität umgesetzt. Durch die dunkelrot lackierten Chassis-Holme über die gesamte Länge des Autos wirkt der SS gestreckter und eleganter als der 1930er Werkswagen – eine tolle Bereicherung einer Le Mans-Vorkriegssammlung. Und einem Vergleich mit dem hier beschriebenen MCM-Modell des 1930er SS kann Spark gelassen begegnen, zumal das Spark-Modell mit vielen kleinen Ausstattungsdetails punkten kann, die das MCM-Modell nicht in dem Umfang hatte.
Das Spark-Modell ist ebenso wie der MCM-Bausatz maßstabgerecht, gemessen am Radstand (7,9cm=3,40m). Die Farbwahl ist natürlich wie beim Modell des Vorjahres mit Vorbehalt zu sehen, es fehlt wie oben dargelegt ein stichhaltiger Beweis für die dunkelrote Lackierung der Chassis-Teile, der Speichenfelgen oder der Scheinwerfertöpfe, es sei denn, einer der Leser dieses Berichts kann eine solche Quelle benennen.
In jedem Fall waren die genannten Teile beim 1931er Auto dunkel lackiert. Die Vordersitze und die Abdeckung der hinteren Sitze sind bei Spark schwarz – eine vermutlich zutreffende Interpretation der SW-Fotos.
Die Scheinwerfer sind bei Spark nicht mit dunklen Überzügen abgedeckt, sondern durch metallene Schutzgitter vor Steinschlag geschützt. Beim Start und der ersten Rennphase waren die Überzüge allerdings noch montiert, erst später im Rennverlauf wurden sie entfernt. Wenn man also wie üblich das Modell beim Rennstart (also „unverschmutzt“) darstellen will, müsste man die Überzüge bei Spark ergänzen. Das 1931er Auto hatte übrigens vorn nur drei Scheinwerfer, der 1930er Werkswagen verfügte noch über zwei weitere kleine Scheinwerfer.
Die Speichenräder sind bei Spark recht ordentlich und in ihrer Größe und Breite maßstabgerecht, allerdings sind die Speichenräder des MCM-Bausatzes deutlich feiner gearbeitet.
Kotflügel: Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen dem 1930er und dem 1931er Auto (neben der Lackierung der Chassis-Holme) besteht in der Montage der hinteren Kotflügel. Das wurde oben bereits ausgeführt. Also: 1931 (und auch 1932) reichten die Kotflügel auf der Vorderseite der Hinterräder weiter nach unten als 1930, entsprechend „endeten“ sie hinten höher als 1930 – es waren vermutlich die gleichen Kotflügel, nur etwas anders montiert. Spark hat das für das 1931er Auto (und ebenso für den angekündigten 1932er SS) korrekt umgesetzt.
Eine Heckansicht konnten die Recherchen zu diesem Bericht leider nicht auftreiben, Fotos vom 1931er Rennen wären also sehr willkommen, vor allem Bilder, die zeigen, wie das 1931er Auto hinten ausgesehen hat (beim 1930er Werkswagen lag zumindest ein SW-Foto vom Rennen vor – siehe oben). Spark hat sich – ob mit Fotobasis oder ohne? – für eine bestimmte Befestigung des Ersatzrads entschieden, die von der des 1930er Autos abweicht (siehe Fotos der beiden Modelle). Außerdem fehlen bei Spark die Startnummerntafel und das Kennzeichenschild des 1930er Autos, stattdessen hat das Spark-Modell nur eine (leere) Halterung für das Kennzeichen auf der linken Seite der Heckpartie. Die Rücklichter sind tief angeordnet (beim 1930er Werkswagen waren sie höher montiert), und der Tankstutzen ist links angebracht (1930: rechts). Insgesamt ist das Heck des MCM-Modells eher kastenförmig und ausladender als beim Spark-Modell – was ist richtig?
Die Riemen für die Motorhaube waren 1931 anders angeordnet als 1930. Spark hat dies gegenüber den Fotos der Modellankündigung noch korrigiert und ist in diesem Punkt nun korrekt. Der vordere Riemen verlief vor dem vorderen Auspuffrohr, der hintere hinter dem dritten Rohr, die Riemen waren also weit auseinander angeordnet.
Das Schutzgitter vor der Kühlermaske wird bei Spark ebenfalls korrekt dargestellt: Es reichte 1931 (anders als 1930) bis zum oberen Rand der Kühlermaske. Darauf war die Startnummer „1“ angebracht, weiß mit schwarzem Rand (1930 war sie nur schwarz).
Die Lüftungsschlitze der Motorhaube (oben, seitlich) sind bei Spark deutlich filigraner gestaltet als beim MCM-Modell. Die Schlitze wurden bei Spark auch nicht schwarz abgesetzt: Das kann man durchaus so akzeptieren, denn auf den SW-Fotos des Autos sind die Öffnungen der Schlitze – jedenfalls bei Fotos von vorn oder vorn/seitlich – nicht oder kaum sichtbar.
Die reguläre Frontscheibe war beim 1931er Auto umgelegt, dafür war vor dem Fahrer eine kleine Rennscheibe montiert. Beim 1930er Werkswagen war die breite Frontscheibe dagegen aufgestellt. Spark hat auch dieses Detail korrekt modelliert.
Auch wenn Spark viele der besonderen Details des 1931er Fahrzeugs korrekt umgesetzt hat, bleiben angesichts des auch heute noch recht spärlichen Bildmaterials immer noch offene Fragen bestehen, die insbesondere die Farbwahl bei den genannten Teilen und die Gestaltung des Hecks betreffen. Und am Ende besteht auch noch Unsicherheit darüber, ob das privat eingesetzte 1931er Auto der ehemalige Werkswagen von 1930 war. Dieses Rätsel könnte nur anhand der Fahrgestellnummern gelöst werden – wer kann mehr dazu sagen?
Mercedes-Benz SSK und SSKL 1929 und 1931 – Modelle auf Basis von Solido-Diecasts
Die wichtigsten internationalen Erfolge der Werkseinsätze bei Sportwagenrennen holten die SSK und SSKL in Irland und Italien: 1930 gewann Caracciola mit dem SSK den „Irish Grand Prix“ gegen starke Konkurrenz, und 1931 folgte der berühmte Sieg des SSKL mit Caracciola und Sebastian bei der Mille Miglia. Hinzu kam 1931 noch der Sieg eines privat eingesetzten SSK bei den 24 Stunden von Spa. Im Folgenden werden die beiden Siegerfahrzeuge (Irland, Mille Miglia) als 1/43-Modelle vorgestellt. Sie entstanden in der Minerva-Werkstatt auf Basis alter Solido-Diecasts, der SSKL bereits Anfang der 1980er Jahre, als Fotorecherchen noch ungleich schwieriger waren als im modernen Internet- und Google-Zeitalter.
Mercedes-Benz SSKL, Mille Miglia 1931
Im Maßstab 1/43 stellt der Bausatz von MCM die erste Wahl dar. Die Großserienmodelle (Solido, Rio, IXO) zeigen gegenüber MCM dagegen viele Defizite, z. T. damit erklärbar, dass sie bereits 50 Jahre oder älter sind (Rio, Solido). Für den Modellbauer, der diese Diecasts als Basis wählt, ist vor allem entscheidend, ob die Karosserieform das Original einigermaßen korrekt wiedergibt. Viele weitere Merkmale kann man dann mit einigem Aufwand, Farbgestaltung und mit Hilfe von Zubehörteilen verbessern, um am Ende ein akzeptables Modell für die Vitrine zu erhalten. Tatsächlich scheint das Solido-Modell die Linie des SSKL unter den drei genannten Modellen am besten zu treffen, das gilt insbesondere für die Form der mächtigen Frontpartie mit der langen Motorhaube. Charakteristisch für die Motorhaube war, dass sie nach vorn nicht abfiel sondern genau horizontal verlief. Bei Rio und IXO ist das nicht der Fall, außerdem verjüngt sich die Frontpartie nach vorn bei diesen beiden Modellen im Vergleich zum Solido- (und auch zum MCM-) Modell zu stark.
Für einen Vergleich verschiedener SSKL-Modelle untereinander und mit zeitgenössischen SW-Fotos von der Mille Miglia wurde aus der Gruppe relativ preisgünstiger 1/43-Modelle ein auf Basis von Solido aufgewertetes Modell aus der Minerva-Sammlung ausgewählt. Die anderen Kandidaten sind das 1/43-Modell von MCM sowie die Protagonisten größerer Maßstäbe, Pauls Model Art PMA (1/24), CMC (1/18) und – vielleicht als Referenzmodell – das 1/8-Kunstwerk von Amalgam, Preis ab 20 Tsd. € aufwärts. In der Tabelle, die hier aufgerufen werden kann, wurden außerdem die Merkmale des SSKL in den Illustrationen von Walter Gotschke aufgenommen – warum?
Walter Gotschke (1912-2000) war ein in der Automobilwelt wohlbekannter Pressezeichner und Illustrator, vor allem berühmt durch seine Gouache-Malerei mit Motorsportmotiven, die z.B. in „auto, motor & sport“ in den 1970er Jahren publiziert wurden. Er begann bereits ab 1930 mit Motorsport-Illustrationen für die Presse, anfangs in Brünn (Tschechoslowakei), wo er damals studierte. In den späten 1930er Jahren, als er bei Daimler-Benz unter Vertrag war, entstanden viele berühmte Drucke mit Mercedes-Benz Rennwagen, darunter mehrere Motive des „SSK“ und „SSKL“. Sehr wahrscheinlich basieren seine Bilder des SSKL, der 1931 beim GP von Masaryk am Start war, auf einem persönlichen Besuch des Rennens. Und für seine Gouache-Bilder des Mille Miglia-SSKL, die vermutlich Ende der 1930er Jahre entstanden sind, konnte Gotschke bei Mercedes auf mehrere Augenzeugen von 1931 zurückgreifen.
Insofern ist die Farbauswahl in seinen Bildern besonders interessant: In seiner Bildserie von Caracciolas Siegerfahrzeug haben die Kotflügel des SSKL ein kräftiges Rot, sie sind aber nicht dunkelrot oder rotbraun. Die Scheinwerferabdeckungen sind schwarz, und die Felgen sind dunkel (schwarz?), jedenfalls nicht rot oder dunkelrot. Das hegt durchaus Zweifel an der Farbwahl diverser Modellhersteller, aber auf einen endgültigen Nachweis der Farbe der Kotflügel und der Felgen warten wir immer noch (siehe Webseite „gotschke-art“).
Zurück zur Tabelle des Modellvergleichs – dort sind die unterschiedlichen Farben der Kotflügel und der Felgen aufgeführt: Rote Kotflügel bei MCM und beim Minerva-Modell auf Solido-Basis (übrigens auch beim Original-Solido und beim Rio-Diecast), dunkelrot bei den größeren Modellen (Amalgam, CMC, PMA). Rote Felgen bei MCM und beim Original-Solido (und bei Rio), dunkelrot bei Amalgam und PMA, schwarz beim Minerva-Modell (Basis Solido). Die Felgen in alusilber bei CMC sind definitiv falsch.
Ein weiteres Merkmal ist bei mehreren Modellen falsch umgesetzt worden: Bei der Mille Miglia wurde ein Teilbereich der zur Gewichtsreduzierung in die Längsholme eingelassenen Bohrungen durch Metallplatten abgedeckt, sie sind dort also nicht sichtbar – eindeutig erkennbar auf den SW-Fotos vom Rennen. Das wurde nur beim MCM-Modell korrekt modelliert, sogar bei den teuren Supermodellen von Amalgam und CMC wurde dies nicht richtig umgesetzt.
Beim hier abgebildeten Minerva-Modell wurde dieses Detail allerdings auch nicht beachtet. Außerdem fehlen dort – wie beim Original-Solido – das auf dem Heck zusammengefaltete Notverdeck und das Schutzgitter vor der Kühlermaske. Die nicht abgedeckten Scheinwerfer stellen dagegen keinen Fehler dar, so sah der Mercedes über Teile des Rennens und auf jeden Fall bei der Zielankunft aus.
Fazit: Trotz weiterhin bestehender Unsicherheiten bei einigen Merkmalen des Mille Miglia-SSKL kann ein versierter Bastler mit dem MCM-Bausatz eine weitgehend korrekte 1/43-Replik herstellen, da er die Details noch an vielen Stellen selbst gestalten kann. Alle anderen Sammler, die sich ein schönes 1/43-Fertigmodell dieses berühmten Fahrzeugs wünschen, müssen 2023 weiter darauf hoffen, dass einer der aktuellen Resincast-Hersteller endlich ein solches Modell mit den korrekten Details ins Programm aufnimmt. Immerhin hat Spark aktuell (2024) mit dem Spa-Sieger (SSK) eine gute Basis für das Mille Miglia-Modell.
Mercedes-Benz SSK, Irish Grand Prix 1930
Juli 1930: Das Rennen um den „Irish Grand Prix“ im Phoenix Park (Dublin) geht über 70 Runden je 6,84 km, Gesamtdistanz 483 km, Renndauer ca. 3:30 Stunden. Vor 250 Tsd. Zuschauern treffen die drei großen Sportwagen-Protagonisten mit je drei Fahrzeugen aufeinander: Drei Mercedes-Benz SSK, drei Alfa Romeo 6C 1750, drei Bentley Blower, hochkarätig besetzt mit Weltklassefahren: Rudolf Caracciola, Earl Howe, Malcolm Campbell, Giuseppe Campari, Achille Varzi, Tim Birkin,…. Caracciola zeigt hier ein weiteres Mal sein großes Können als „Regenmeister“, besiegt die gesamte Fahrerelite und holt den wichtigsten internationalen Sportwagen-Erfolg für den „SSK“.
Der Mercedes mit der Startnummer 3 ist in 1/43 bisher nur von Rio als Diecast produziert worden. Das hier abgebildete Modell aus der Minerva-Sammlung basiert wie beim Mille Miglia-Auto wieder auf einem alten Solido-Diecast. Da das Solido-Modell allerdings den „SSKL“ darstellt, mussten alle Bohrungen in den Längsträgern und im vorderen Chassis-Segment beseitigt werden. Dazu war es nötig, den Lack abzubeizen, die Bohrungen zu verspachteln und dann wieder neu zu lackieren. Weitere Änderungen gegenüber dem Solido-Original: Ausstattung mit fünf neuen Speichenrädern (BBR-Räder, 19 Zoll), das fünfte Rad auf der Heckpartie. Kein Tragbrett mit zwei Kästen auf der Beifahrerseite wie beim Mille Miglia-Auto (also entfernen), Startnummer 3 seitlich sowie vorn auf einer kleinen Tafel vor dem rechten Scheinwerfer, Kennzeichenschild vorn (IA 3467, siehe Foto). Da im Internet oder in der Literatur kein Bild vom Heck des Wagens existiert, ist nicht bekannt, ob auch hinten ein Kennzeichenschild oder eine Startnummer angebracht war und ob das Auto Heckleuchten hatte.
Ein paar Fehler wurden beim hier abgebildeten Modell nicht korrigiert: Es fehlt wieder das Notverdeck auf dem Heck, beim Rennen waren die Scheinwerfer nach innen gedreht, und möglicherweise war vor der Kühlermaske wieder ein Schutzgitter angebracht – das ist auf den SW-Fotos vom Rennen allerdings nur schwer erkennbar. Und die Frage nach der Farbe der Felgen und der Kotflügel stellt sich beim Irish GP-Auto natürlich genauso wie beim Mille Miglia-Modell. Als Fazit kann hier der letzte Abschnitt zum „SSKL“ wiederholt werden (siehe oben).
Quellen zu den Berichten „S-Reihe“, Berichte Nr. 1, 2 und 3:
Siehe Rubrik „Über diese Seite“ → „Anmerkungen zu Minerva Endurance“
Bücher (u.a.):
Automobile Club de l´Ouest (Hrsg.), 24 Stunden von Le Mans, Die offizielle Chronik des berühmtesten Langstreckenrennens (2 Bände), Heel, 2010
Karl Ludvigsen, Mercedes-Benz Renn- und Sportwagen, Bleicher, Gerlingen 1991
Karl Ludvigsen, Die Deutsche Rennsport-Geschichte, Deutsche Ausgabe, GeraMond 2012
Cyril Posthumus, Classic Sports Cars, Hamlyn, 1980
Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1930-39, Evro Publ., Sherborne, 2017
Leonardi Acerbi, Mille Miglia – Immagini di una Corsa, A Race in Pictures, Giorgio Nada Editore, Milano, 2015.
Adriano Cimarosti, Autorennen – Die grossen Preise der Welt, Wagen, Strecken und Piloten, von 1894 bis heute, Hallwag, Bern und Stuttgart, 1986
Günther Molter, Rudolf Caracciola – Titan am Volant, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1995
Roger Bell, Die grossen Automobilmarken – Mercedes-Benz, Milter Verlag, Hannover 1980
Berichte in Journals, u.a. zur Mille Miglia 1931 (Mercedes-Benz SSKL) in Motor Klassik 5/2001
Webseiten (u.a.): Racingsportscars, Ultimatecarpage, mercedes-benz-publicarchive, mbpassion, gotschke-art