17. März 2023: Nach 50 Jahren kehrt Ferrari mit einem Werkseinsatz in die Sportwagen-Weltmeisterschaft zurück.
Der brandneue 499P mit Fuoco, Molina und Nielsen schafft bei den 1000 Meilen von Sebring auf Anhieb einen dritten Platz, und nur drei Monate später holt sich der 499P mit Pier Guidi, Calado und Giovanazzi sogar den Gesamtsieg in Le Mans – 59 Jahre nach dem letzten Sieg eines Werks-Ferrari bei den 24 Stunden (Tipo 275P, 1964).
Ein Blick zurück zur letzten WM-Saison mit Beteiligung eines Ferrari-Werksteams bei den Sportwagen
Sportwagen-Weltmeisterschaft 1973: Ferrari 312PB
Vorgeschichte: Ende 1971 wurde für die Rennsportwagen-Szene der Jahre 1972-1975 eine Reglementänderung vorgenommen. Die neuen „Sportwagen“ lösten die bisherigen Klassen (Prototypen, Sportwagen) ab, dabei galten nunmehr ein Hubraumlimit von 3 Litern und ein Mindestgewicht von 650 kg. Die schnellsten Sportwagen rückten damit näher an die Formel 1 heran: Es waren zweisitzige, offene Fahrzeuge mit Motoren, die ähnlich in der Formel 1 eingesetzt wurden – Beispiele: Matra, Ferrari, Lola und Mirage mit Ford Cosworth-Motoren – ein Trend, der ab 1974 zusammen mit der Ölkrise die Attraktivität der Sportwagen-Szene Schritt für Schritt reduzierte.
1972 setzte sich Ferrari mit dem 312PB deutlich gegen den Alfa Romeo 33TT3 durch, während Matra mit seinem MS 670 nur in Le Mans startete (und siegte), wo Ferrari wiederum fehlte.
Anmerkung zu den Ferrari 312PB-Modellen in 1/43 (1971/72): Der 312PB hatte 1971/72 einen Radstand von 2,22m. Das Solido-Modell (312PB von 1971) und das Brumm-Modell (312PB von 1972) geben den Radstand korrekt wieder. Dagegen ist der Radstand des 312PB 1972 des Ferrari Racing Collection Modells (FRC) zu lang, umgerechnet 2,34m. Das FRC-Modell ist also gemessen am Original zu lang geraten.
Die folgende Saison 1973 war dann spannender, da sich Ferrari und Matra auf Augenhöhe duellierten und nebenbei auch andere Fahrzeuge (Mirage, Porsche) Siege einfahren konnten. Letztlich gewann Matra die WM und das Rennen in Le Mans, und Ferrari verabschiedete sich zum Saisonende von Werkseinsätzen im Endurance-Sport – wie wir heute wissen, für einen Zeitraum von 50 Jahren. (Einsätze von Privatteams im Bereich der GT-Klassen und mit dem 333SP in der WSC- bzw. LMP1-Kategorie gab es in der Zeit zwischen 1974 und 2022 allerdings weiterhin.)
Das Jahr 1973 bot also deutlich mehr als das Vorjahr: Ein über die gesamte Saison anhaltendes Duell zwischen Ferrari und Matra. Die Franzosen setzten den neuen 670B in allen Rennen (außer der Targa Florio) ein, und das Ferrari-Werksteam trat nun auch in Le Mans an, fehlte nur beim Eröffnungsrennen in Daytona. In der Meisterschaft fiel die Entscheidung für Matra dann erst im letzten Saisondrittel mit dem Sieg in Le Mans und den Erfolgen in den beiden letzten Rennen.
Nach Siegen hieß die Jahresbilanz schließlich 5:2 für Matra, bei der Zahl der Podiumsplätze (1-2-3) hatte allerdings Ferrari knapp die Nase vorn (11:10). Das überragende Fahrerteam des Jahres waren die Matra-Piloten Pescarolo und Larrousse, die fünf Rennen (einschließlich Le Mans) gewannen, die Ferrari-Stars Ickx und Redman waren dagegen nur zweimal siegreich. So spannend das Duell Matra vs Ferrari über die Saison auch war, einige Rennen zeigten 1973 bereits Erosionserscheinungen in Form dünner Startfelder, und das sollte sich 1974/75 noch verstärken.
Matra kam zu 9 der 10 WM-Rennen und hatte 19 Einsätze, mit einer Ausfallquote von 42%. Man setzte dabei übers Jahr sechs Fahrzeuge ein: Die drei 670 der Vorjahressaison wurden überarbeitet, die meisten Quellen bezeichnen sie ebenso als „670B“ wie die drei Neubauten für 1973, allerdings sind die Informationen in diesem Punkt nicht immer einheitlich. In Le Mans wurden spezielle „Langhecks“ eingesetzt.
Ferrari veränderte seine 312PB von 1972 in mehreren Punkten (u.a. andere Position des Kühlers, längerer Radstand, höherer Heckflügel) zugunsten ihrer Performance auf schnellen Kursen (Monza, Spa, Le Mans), allerdings geriet man dabei auf kurvigen Strecken gegenüber Matra etwas ins Hintertreffen – der 670B hatte dort das bessere Handling.
Auf den genannten Highspeed-Kursen trat Ferrari mit einer Langheck-Version an. Über die Saison wurden fünf Fahrzeuge eingesetzt (0888 bis 0896, nur gerade Nummern), dabei gab es 22 Einsätze bei den neun Rennen, an denen Ferrari teilnahm. Die Ausfallquote lag bei 32%, Ferrari war also etwas zuverlässiger als Matra. Ferraris Abschied von der Sportwagenwelt kam für viele überraschend, zumal bereits ein neuer 312PB für die Saison 1974 getestet wurde. Aber Ferraris schlechte Formel 1-Bilanz der Jahre 1972 und 1973 führten wohl zu der Erkenntnis, dass ein erfolgreicher Tanz auf zwei Hochzeiten – Formel 1 und Sportwagen – in modernen Zeiten nicht mehr möglich sein würde. Mit Ausnahme des Sportwagens 333SP Mitte der 1990er Jahre, der allerdings nicht vom Werk eingesetzt wurde, blieb Ferrari bis 2022 dieser Entscheidung treu.
Zum Saisonstart ging man davon aus, dass Alfa Romeo oder Mirage die dritte Kraft hinter den beiden Titelanwärtern Ferrari und Matra darstellen würden. Tatsächlich konnte der Mirage M6 in seiner zweiten Saison einen WM-Lauf für sich entscheiden – der Doppelsieg in Spa, erzielt gegen Ferrari und Matra, war sicher eine Überraschung. Bei acht Starts mit je zwei Fahrzeugen gab es neun Ausfälle und nur diese beiden Podiumsplätze. Mirage blickte also auf eine eher enttäuschende Saison zurück.
Für Alfa Romeo war das Jahr 1973 sogar ein absolutes Desaster. Der Tipo 33TT12 mit dem neuen V12-Motor erschien erstmals bei der Targa Florio und am Nürburgring und zeigte dort ganz gute Ansätze, allerdings ohne Zielankunft. Danach verschwanden die Alfas aber im Nirwana: Es blieben übers Jahr vier Einsätze in drei Rennen und ohne Zielankunft.
Die Startfelder der Sportwagenkategorie wurden durch einige private Porsche 908/03 (u.a. Joest Racing), den neuen Lola Ford T282 und den privaten Alfa 33TT3 der Scuderia Brescia Corse ergänzt. Porsche war zwar immer noch für Zielankünfte gut, mit den Saugmotoren aber nicht mehr konkurrenzfähig. Immerhin gewann ein Joest 908 bei den 9 Stunden von Kyalami zum Saisonabschluss, das war aber kein WM-Rennen.
Der neue Porsche Carrera RSR holte sich die Gesamtsiege in Daytona und Sebring (kein WM-Lauf), zwei RSR belegten bei der letzten internationalen Targa Florio die Plätze 1 und 3, und ein RSR kam in Le Mans auf Platz 4. Am Ende lag Porsche in der WM-Wertung damit sogar auf Platz 3 hinter Matra und Ferrari.
Der Verlauf der WM-Saison 1973 war im Grunde zweigeteilt: vor Le Mans und danach. Ferrari und Matra gewannen je zwei der ersten sieben Rennen vor Le Mans, allerdings sammelte Ferrari viele Punkte durch zweite und dritte Plätze, während Matra in Daytona und am Nürburgring kein Auto ins Ziel brachte und bei der Targa Florio nicht antrat. Das Ferrari-Werksteam verpasste es im Gegenzug, bei der Targa Florio – ohne die blaue Konkurrenz – den Vorsprung weiter auszubauen. Dennoch lag Maranello vor dem Saisonhöhepunkt in Le Mans mit 95:64 Punkten klar vorn. Le Mans brachte dann die Wende: Hier hatten beide Teams, auf Augenhöhe und mit großem Aufgebot angetreten (Ferrari drei, Matra vier Autos), die Chance auf den Gesamtsieg, der dann letztlich in der Endphase des Rennens an Matra ging.
Nach Le Mans schwang das Pendel eindeutig auf Matras Seite, mit zwei Siegen in Zeltweg und Watkins Glen. Damit kam Matra in der Punktwertung bis auf 13 Zähler an Ferrari heran (137:124). Es galt aber die WM-Punkteregel, dass nur die sieben besten Ergebnisse in die Wertung eingehen. Matra hatte genau siebenmal gepunktet, behielt also seine 124 Zähler. Ferrari sammelte seine 137 Punkte dagegen in neun Rennen, hatte also zwei Streichresultate und kam daher am Ende nur auf 115 Punkte: Der Titel ging damit an Matra, letztlich durchaus verdient, wenn man die Zahl der Siege (5 zu 2 für Matra) als Maßstab nimmt.
Matra und Ferrari: Fahrer und Varianten 1973
Matra setzte in der Saison 1973 überwiegend französische Piloten ein. Bei den Rennen mit mittleren Distanzen (1000 km) bestand das Team aus zwei Fahrzeugen: Der „weiße“ Matra (blau, Seitenstreifen und Heckflügel weiß) war mit den beiden Formel 1-Piloten Cevert und Beltoise besetzt, der „grüne“ mit den Endurance-Spezialisten Pescarolo und Larrousse.
Ferraris Fahrerteam war dagegen international: Das „gelbe“ Auto (rot, Längsstreifen und Heckflügel gelb) fuhren Ickx und Redman, das „grüne“ die beiden Formel 1-Piloten Pace und Merzario.
Die Mehrzahl der Fahrer der Sportwagen-Werksteams waren auch in der Formel 1-WM zu Hause, der Jahreskalender erlaubte diese Praxis damals noch – das trug 1973 neben dem spannenden Saisonverlauf auch zur Attraktivität der Sportwagen-Szene bei.
Bei Ferrari versuchte Ingeniere Mauro Forghieri im Verlauf der Saison, die Leistungs- und Handling-Defizite gegenüber Matra zu überwinden. Beim „grünen“ 312PB wurde ab Ende Mai (Nürburgring) der Formel 1-Motor des 312B3 eingebaut. Dazu waren ein breiterer Lufteinlass über dem Überrollbügel und die Verlegung des Ölkühlers in den rechten Schweller erforderlich. Die beiden am Nürburgring, in Zeltweg und in Watkins Glen eingesetzten Ferrari unterschieden sich entsprechend (und nicht nur in ihrem Farbdesign). Am Ende blieben die Matra aber auf den kurvenreichen Passagen der Rennkurse die schnelleren Autos.
Ferrari und Matra 1973 – Modelle in 1/43
Es überrascht nicht, dass das Modellangebot bei den Le Mans-Autos mit ihren speziellen (Langheck-) Karosserien deutlich besser war und ist als bei den „normalen“ Versionen – begründet durch die große Zahl der Le Mans-Modellsammler und die entsprechende Ausrichtung der Modellhersteller.
Matra MS670B, Le Mans:
Bausätze/Kleinserie (BS/KS): Provence Moulage, Starter, DAM/TeamT
Diecast-/Resincast-Modelle (DC/RC): Spark, IXO (Altaya), Minichamps
Ferrari 312PB, Le Mans:
BS/KS: Marsh Models, Styling bzw. Leader (BBR)1, DAM/TeamT, Starter, Tecnomodel, Gasoline
DC/RC: Redline, IXO (Altaya bzw. Ferrari Racing Collection)
Matra MS670B, „normale“ Version:
BS/KS: Provence Moulage
DC/RC: Spark (Das Spark-Modell gab es vor vielen Jahren bereits in einer Sonderserie für Frankreich, es ist nun für den allgemeinen Markt angekündigt.)
Ferrari 312PB – Versionen neben der Le Mans-Variante: „normale“ Version mit kurzem Heck, darunter die Variante „grün“ mit den genannten Änderungen ab Nürburgring; Langheck-Variante für Monza und Spa.
BS/KS: Marsh Models, Styling bzw. Leader (BBR), Starter, FDS („grüne“ Version von Marsh Models)
DC/RC: IXO (Ferrari Racing Collection) (auch für die „grüne“ Version)
312PB Langheck, Monza: BS/KS: Tecnomodel, Leader (BBR); DC/RC: IXO (Ferrari Racing Collection)
1 BBR-Serien: Leader (Bausätze), Styling (Fertigmodelle)
Anmerkungen zu den hier abgebildeten 1973er Ferrari 312PB-Modellen: Der Radstand des 1973er 312PB lag bei 2,34m, war also um 12cm länger als beim Vorjahresauto. Bei den Modellen von FDS, Styling und Ferrari Racing Collection (FRC) ist der Radstand umgerechnet zu kurz (2,15 bis 2,17m). Erst durch die im Folgenden beschriebene Korrektur der Vorderräder kommt der Radstand des FRC-Modells dem Original recht nahe (umgerechnet 2,27m).
Zum Ferrari 312PB von Ferrari Racing Collection (made by IXO)
Wie gerade erwähnt, fuhr der „grüne“ 312PB mit Merzario und Pace (Fzg.-Nr. 0890) ab Nürburgring und bei den letzten beiden Rennen der WM-Saison 1973 (nach Le Mans) in Zeltweg und Watkins Glen mit dem Formel 1-Motor des 312B3 und den entsprechend notwendigen Modifikationen. Zwischen den beiden Rennen wechselte das Fahrzeug nur die Startnummern, das Zeltweg-Auto kann also als Modell relativ leicht in das Watkins Glen-Auto verwandelt werden.
1000 km Zeltweg (Österreich), 24. Juni, Startnummer 2, Platz 6
Watkins Glen 6 Hours (USA), 21. Juli, Startnummer 11, Platz 3
Der dazu passende Bausatz von Marsh Models liefert nach aller Erfahrung und nach den Fotos im Internet ein sehr gutes Modell, die Marsh-Bausätze sind auch üblicherweise gut zu montieren. Außerdem sind sie auch als „Factory Built“-Fertigmodelle erhältlich, dann muss man aber etwas tiefer in die Tasche greifen.
Andererseits liefert IXO in seiner preiswerten Serie der „Ferrari Racing Collection“ recht ordentliche Diecast-Modelle, so auch hier beim 312PB Zeltweg 1973, bei dem alle Besonderheiten dieses Autos beachtet wurden – und das zu sehr günstigen Preisen um die 15-20 Euro (Stand 2024).
Es gibt eigentlich nur einen gravierenden Mangel, der vom Modellbauer aber ganz gut korrigiert werden kann: Die vorderen Räder sind innerhalb der Radausschnitte zu weit hinten positioniert – das kann durch Neubefestigung der Räder geändert werden (siehe Fotos), und wenn das Modell nicht rollfähig sein muss, ist das auch nur ein kleiner Eingriff, für den das Modell nicht einmal demontiert werden muss.
Des Weiteren sollte man den Reifen „Goodyear“-Aufkleber spendieren, die sind entweder im Handel leicht zu beschaffen oder finden sich sowieso im gut sortierten Decal-Fundus des Modellbauers. Und schließlich sind die kleinen Zusatzgrills hinter den Frontscheinwerfern, die vermutlich ab Nürburgring eingebaut wurden, beim IXO-Modell schwarz eingefärbt, auf den Farbfotos der Originalfahrzeuge ist dort aber nur ein gegenüber der Lackierung etwas dunkleres Rot erkennbar – das kann man ebenfalls leicht ändern.
Ansonsten ist der 312PB der Ferrari Racing Collection ein erfreulich gutes und sehr preisgünstiges Modell des Autos, mit dem die Geschichte der Ferrari-Werkseinsätze in der Sportwagen-WM nach 20 Jahren endete und erst nach 50 weiteren Jahren wiederbelebt wurde. Eigentlich schade, dass man bei den 2023 eingesetzten 499P nicht wie 1973 ein „gelbes“ und ein „grünes“ Auto an den Start brachte.
Quellen
Warren W. Fitzgerald, Richard F. Merritt, Jonathan Thompson, Ferrari – The Sports and Gran Turismo Cars, CBS Publications, 3rd Edition, o. O. 1976. / Antoine Prunet, Ferrari Sport- und Rennwagen Prototypen, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1983 / Paul Parker, Sportscar Racing in Camera 1970-1979, Haynes Publ., 2009. / Alan Henry, Die Ära der Ferrari Prototypen 1962 bis 1973, Heel, Deutsche Ausgabe, Königswinter 2008.
Webseiten: lmdatabase (1/43-Modelle in Le Mans), racingsportscars (Rennprotokoll des 312PB)
Links zu anderen Berichten auf dieser Webseite: Bericht zu Henri Pescarolo, Bericht zur WM-Saison 1973