Mercedes-Benz W125 – ein Höhepunkt der Grand Prix-Geschichte

Über die Grand Prix-Szene der Jahre 1934 bis 1939, geprägt von den deutschen Silberpfeilen von Mercedes-Benz und Auto Union, gab es 2014 auf dieser Webseite bereits einen ausführlichen Bericht. Dort werden auch die wichtigsten Quellen genannt, insbesondere die tolle und umfassende Webseite „goldenera.fi“ von Leif Snellman (in englischer Sprache). Der folgende Bericht konzentriert sich auf einen der „Giganten“ dieser Zeit, den Mercedes-Benz W125, mit dem Rudolf Caracciola 1937 die Europameisterschaft und zudem den Sieg beim GP von Deutschland auf dem Nürburgring errang. Anlass dazu ist ein interessanter Vergleich zwischen den beiden jüngeren Diecast-Modellen in 1:43 von Spark und Minichamps.

Mercedes-Benz W125, Großer Preis von Deutschland 1937, Sieger Caracciola (Modell: Minichamps)

Mercedes-Benz W125, 1937 (Modell: Spark)

Entwicklung und technische Daten

Der W125 war der Gigant der 750 kg-Formel, die 1934 bis 1937 das Reglement für die Grand Prix-Rennen und die Fahrer-Europameisterschaft bildete. Er stellte leistungsmäßig alle Vorläufer weit in den Schatten – seine Motorleistung von fast 600 PS wurde im Grand Prix-Sport erst fast 50 Jahre später übertroffen. Die Saison 1937 war wiederum die spektakulärste dieser Jahre, und der Große Preis von Deutschland im Juli des Jahres war unbestritten der Jahreshöhepunkt.

Die Entstehung des W125 ist untrennbar mit Rudolf Uhlenhaut verbunden, der 1936 die vakante Leitung der DB-Rennabteilung übernahm. Tatsächlich war der W25K von 1936 nach den Erfolgen seiner Vorgänger in den Jahren 1934/35 kein Erfolgsmodell – gegen Bernd Rosemeyer mit dem Auto Union Typ C hatte man über die Saison kaum eine Chance. Bei der Konzeption des Nachfolgemodells galt es also, die Defizite aufzudecken und auszumerzen.

Uhlenhaut war dafür geradezu prädestiniert, denn wie kaum ein anderer der großen Konstrukteure konnte er das Renngerät in vollem Renntempo über die Test- oder Rennstrecke bewegen und auf diese Weise selbst die Schwächen aufdecken, ohne den Umweg über die Aussagen der Piloten. Der W125 war das erste Meisterstück Uhlenhauts, dem weitere folgten: W154 (1938/39), W165 (1939), 300 SL (1952-54), W196 (1954/55), 300 SLR (1955), und, und… – jedenfalls:  Zusammen mit Ettore & Jean Bugatti, Vittorio Jano oder Ferdinand Porsche gehört er für alle Zeiten zu den berühmtesten Konstrukteuren der ersten 60 Jahre des 20. Jahrhunderts.

Zurück zum Herbst 1936. Den erfolglosen W25K der abgelaufenen Saison hätte man eigentlich durch einen Rennwagen nach der neuen Formel ersetzen müssen, denn die Saison 1936 sollte ursprünglich die letzte der 750 kg-Formel sein (Maximalgewicht ohne Fahrer, Betriebsstoffe und Reifen). Für 1937 hatte die oberste Rennbehörde AIACR (Association Internationale des Automobile Clubs Reconnus) ein neues Reglement mit einem Mindestgewicht von 850 kg und einer Hubraumgrenze von 3 Litern (ursprünglich 3,5 Liter) für Motoren mit Kompressoraufladung vorgesehen. Mitten in die Entwicklung des neuen Grand Prix-Mercedes platzte die Meldung der AIACR, die 750 kg-Formel noch um ein weiteres Jahr zu verlängern. So galt es, den W125-Entwurf an die Bedingungen der alten Gewichtsformel anzupassen. Dabei wurden zwei Strategien verfolgt: (1) Mehr Motorleistung, und (2) verbesserte Fahreigenschaften.

(1) Da die 750 kg-Formel kein Hubraumlimit vorsah, vergrößerte Uhlenhaut den Achtzylinder-Reihenmotor auf nunmehr fast 5,7 Liter Hubraum, mit einer Leistung von 570-580 PS und einem satten Gewicht des Motors von 220 kg, bei dem dennoch das Gewichtslimit des Fahrzeugs eingehalten wurde. So hatte man nun wieder einen Leistungsvorsprung von ca. 60 PS gegenüber dem Konkurrenten Auto Union.

(2) Entscheidend für den Erfolg des W125 – insbesondere im Vergleich zum W25K des Vorjahres – war aber die Verbesserung der Fahrstabilität, ein besonderes Anliegen Uhlenhauts angesichts der Defizite des 1936er Modells. Vier Maßnahmen standen im Vordergrund: Verlängerung des Radstands um nicht weniger als 34 cm, ein neues, verwindungssteifes Rohrrahmen-Chassis, eine neue Hinterachse (De Dion) und eine neue Abstimmung von Federung (langer Federweg) und (straffer) Dämpfung – damals eine völlig neue Idee im Rennwagenbau.

Alle Maßnahmen griffen ineinander und schufen ein fast unschlagbares, ultimatives Renngerät – obwohl der geniale Bernd Rosemeyer mit dem gegenüber dem Vorjahr fast unveränderten Auto Union Typ C dem Mercedes-Starensemble (Caracciola, von Brauchitsch, Lang, Seaman) im Verlauf der Saison doch mehrfach in die Suppe spucken konnte.

Technische Daten des W125: Achtzylinder-Reihenmotor (Stahl), 94x102mm = 5660 ccm Hubraum, 2 Vergaser, 4 Ventile pro Zylinder, Kompressor-Aufladung, 2 obenliegende Nockenwellen, 570-580 PS (5800 U/min), am Saisonende bis zu 590 PS. Ovalrohrrahmen (Leichtmetall), Alu-Karosserie, 4 Gänge, Getriebe mit dem Differential verblockt, De Dion-Hinterachse, Radstand 2798mm, Maße LxBxH in mm: 4200x1750x1200.  Gewicht lt. Reglement ohne Fahrer, Betriebsstoffe, Reifen: 750 kg. Gewicht fahrfertig mit 240 Litern Sprit, ohne Fahrer: ca. 1020 kg. Verbrauch bis zu 160 Liter/100 km. Felgen/Reifen: 5,75 bzw. 7,00×19 Zoll, hinten gelegentlich auch 22 Zoll-Felgen. Spitze bis zu 320 km/h. Über die Saison 1937 wurden neun W125 hergestellt und eingesetzt.

Die Saison 1937 in Schlagzeilen

Die vierte und letzte Grand Prix-Saison unter der 750 kg-Formel bestand aus fünf Rennen zur Europameisterschaft und sechs weiteren wichtigen Grand Prix-Rennen außerhalb des Championats (sowie dem Rennen auf der Avus, das aber als „formelfreies“ Rennen nicht dem 750 kg-Reglement unterlag).  Auto Union vertraute erneut der erfolgreichen Kombination des Vorjahres, Bernd Rosemeyer mit dem Typ C, Mercedes-Benz konterte mit dem neuen W125. Andere Konkurrenten (u.a. Alfa Romeo) blieben dabei ohne Siegchance.

Am Ende der Saison hieß es bei der Konfrontation der beiden Hersteller 6:5 für Mercedes und im Duell Caracciola gegen Rosemeyer 4:4. Allerdings erzielte „Caratsch“ drei seiner Erfolge in den Grands Prix der Europameisterschaft und holt damit nach 1935 seinen zweiten Titel. Auch beim Saisonhöhepunkt, beim Großen Preis von Deutschland, siegte der Routinier vor Manfred von Brauchitsch, ebenfalls mit Mercedes, und Bernd Rosemeyer. Der Star der Auto Union holte seine vier Siege in den Rennen außerhalb der Europameisterschaft, während er bei den Meisterschaftsläufen regelmäßig vom Pech verfolgt war. Sein Erfolg beim Abschlussrennen im englischen Donington blieb sein letzter Sieg. Im Januar 1938 verunglückte der Liebling der Nation und das größte deutsche Fahrtalent vor Bellof und Schumacher bei einer Weltrekordfahrt auf der Reichsautobahn bei Darmstadt.

Auto Union Typ C 1936/37 (Modell: IXO)

Saisonübersicht siehe Tabelle

Modelle in 1:43 (Stand 2020)

Der W125 war schon in der Frühzeit der 1:43-Bausätze Gegenstand verschiedener Hersteller, angefangen mit dem Weißmetall-Pionier Paddy Stanley Anfang der 1970er Jahre (siehe Fotos). Später folgten Bausätze von Tin Wizard und Metal43 – letzterer wurde von Western Models produziert und im Geschäft/Versand von Danhausen in Aachen (Vorläufer von Minichamps) vertrieben. Das war zu der Zeit (1980er Jahre) schon ein vorzügliches Modell mit sehr schönen Speichenrädern. Im Diecast-Bereich steuerte Brumm ein Modell des W125 bei, das aber den Sammler eigentlich nicht zufriedenstellen konnte (falsche Frontpartie, schlechte Speichenräder), aber für Umbauten geeignet (siehe Foto) und recht preisgünstig war. Der Brumm-W125 war allerdings gemessen am Original etwas „pummelig“ geraten.

Mercedes-Benz W125, Großer Preis der Schweiz 1937 (Sieger Caracciola) (Modell: Paddy Stanley)

White Metal-Bausatz von Paddy Stanley, aus dem Modellmuseum

Mercedes-Benz W125, Donington 1937 (Modell auf Basis des Brumm-Diecastmodells)

Später kamen zwei preislich sehr unterschiedliche Angebote heraus, einerseits ein superdetaillierter Bausatz von MCM (Top Queens), auch erhältlich als Fertigmodell, und andererseits ein Diecast-Modell verschiedener Billig- bzw. Kiosk-Serien (Altaya, de Agostini, Edicola), die alle wohl bei IXO entstanden sind (jeweils mit der Startnummer 12, dem Sieger am Nürburgring). Nach den Bildern im Internet zu urteilen, ist die Form des W125 bei den IXO-Billigserien ganz ordentlich, die Speichenräder aber unbrauchbar. Sie zu ersetzen ist allerdings problematisch: Die Felgen der zum Nachrüsten geeigneten 20 Zoll-Speichenräder von BBR würden gut passen, der Felgen-/Reifensatz des italienischen Herstellers kostet aber bereits mehr als das gesamte Modell, und außerdem sind die Reifen bei BBR gleich groß, während sie beim W125 vorn deutlich kleiner waren als hinten.

Die beiden jüngsten Modelle sind Diecasts von Spark und Minichamps. Spark hatte ja mehrere Mercedes-Silberpfeile im Auftrag von Mercedes-Benz als Diecast-Modelle und nicht wie üblich als Resincasts produziert. Sie kamen zunächst ohne Startnummern heraus, später bot Spark den W125 auch mit der Nummer 12 an (Sieger Caracciola, GP von Deutschland). Minichamps produzierte den W125 ebenfalls mit der Startnummer 12. Wer also andere Versionen haben möchte, müsste auf das „blanke“ Spark-Modell zurückgreifen und ggf. rote Startnummern aus einem Decalsatz auftragen – so geschehen bei dem hier abgebildeten Spark-Modell, das den W125 der Coppa Acerbo darstellt (Nr. 8), den Caracciola und Seaman fuhren. Das Spark-Modell als Nürburgring-Sieger wurde übrigens auf der „auto-und-modell“-Webseite bereits ausführlich präsentiert, der Bericht von 2014 steht dort im Archiv.

Spark und Minichamps im Vergleich

Spark-Modell, Coppa Acerbo 1937 (Caracciola – Seaman)

Minichamps, GP Deutschland, Nürburgring 1937 (Caracciola)

Gemessen am Radstand sind beide Modelle maßstabgerecht. Entscheidend für den Gesamteindruck sind neben dem Maßstab die korrekte Wiedergabe der Karosserieform, insbesondere der Seitenlinie, die Reifen und Felgen sowie die Lackierung.

Die Alu-Lackierung des Spark-Modells ist sehr dünn und ohne Glanz aufgetragen, die Oberfläche ist an einigen Stellen sogar etwas uneben. Das ist die Philosophie von Spark bei den Mercedes-Diecast-Modellen. Da die Karosserien damals handgedengelt waren, kann man das durchaus vertreten. Die Minichamps-Lackierung ist im Vergleich dazu makellos, aber auch nicht zu dick und hochglänzend aufgetragen. Was man nun vorzieht, ist Geschmackssache.

Bei der Seitenlinie der Karosserie zeigen sich starke Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten. Beim Minichamps-Modell geriet die gesamte Partie hinter dem Cockpit recht massig, beim Spark-Modell ist die Seitenlinie flüssiger. Mehrere Fotos des Originalfahrzeugs und einige Schnittzeichnungen deuten darauf hin, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen, nach meinem Eindruck aber näher am Spark-Modell liegt.

Betrachtet man die Modelle von oben, macht das Minichamps-Modell dagegen die bessere Figur. Es gibt den Übergang von der breiteren Karosserie um die Vorderachse zur schmaleren Linie zwischen den Achsen besser wieder als das Spark-Modell. Beim Spark-Modell ist der vordere Teil des Autos zu massig, hier ist Minichamps besser. Anders bei der Frontansicht: Bei Spark sind die Grills als Ätzteile eingesetzt und damit filigraner als die farblich angedeuteten Grills bei Minichamps. Dagegen wurde bei Spark nicht beachtet, dass der mittlere Grill im unteren Bereich etwas schmaler ist als oben.

Spark

Minichamps

Ein wesentlicher, den Gesamteindruck prägender Punkt sind die Reifen und Felgen, die sich bei den Modellen stark unterscheiden. Der Felgendurchmesser beträgt bei beiden Modellen umgerechnet ca. 20 Zoll, das ist nahe am Original (19 Zoll), wobei Mercedes wohl bei einigen Rennen hinten größere Felgen eingesetzt hat. Aber die Minichamps-Speichenfelgen sind deutlich besser ausgeführt als die Spark-Felgen. Hier zeigt Minichamps, was auch im Bereich relativ preisgünstiger Diecast-Modelle möglich ist. Die Spark-Felgen sind eine echte Schwäche des Modells.

Bei den Reifen zeigen beide Modelle Licht und Schatten. Die Reifengröße ist bei Minichamps zwischen Vorder- und Hinterreifen sehr unterschiedlich – das ist m. E. übertrieben. Bei Spark sind die Reifen dagegen vorn und hinten nahezu gleich groß – die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen, das zeigen auch meine Messungen anhand vorliegender Schnittzeichnungen oder Fotos in Seitenansicht. Die Zeichnungen sind allerdings keine offiziellen DB-Abbildungen, sie sind unterschiedlich und daher nicht zuverlässig. Außerdem arbeitete man bei Mercedes mit gelegentlich  größeren Felgen auf der Hinterachse (bis zu 22 Zoll) und von Rennen zu Rennen mit wechselnden Reifendimensionen – eine korrekte Nachbildung ist also für die Modellhersteller nicht einfach.

Zwei weitere Merkmale sprechen einmal für das eine und einmal für das andere Modell: Die Lüftungsschlitze auf der Fronthaube sind bei Spark zu kurz, bei Minichamps haben sie die korrekte Länge. Umgekehrt verhält es sich bei der Trennung der beiden Gussteile (Karosserie und Unterboden): Bei Spark verläuft die Trennlinie unterhalb des Modells und ist auf diese Weise nicht sichtbar, wenn das Modell in der Vitrine steht. Bei Minichamps verläuft sie dagegen im sichtbaren Bereich, das hätte man dort besser lösen können.

Die Cockpits sind bei beiden Modellen weitgehend gelungen. Beim Spark-Modell steht das sehr schöne Vierspeichen-Lenkrad etwas zu flach, Minichamps ist da besser. Bei Spark ist die kleine Frontscheibe dagegen feiner gearbeitet. Der blaue Fahrersitz hat bei Minichamps eine etwas breitere Lehne, das scheint mir korrekt zu sein. Die Aufhängungsteile sind bei Spark feiner gearbeitet als bei Minichamps. Der Auspuff ist bei Spark im hinteren Teil zunehmend leicht bräunlich angelaufen (Hitzewirkung?), bei Minichamps ist er durchgehend alu-farbig, so, wie es vermutlich am Beginn eines Rennwochenendes war.

Am Ende fällt der Vergleich also nicht eindeutig aus – Stärken und Schwächen sind gleichmäßig verteilt, ein perfektes Modell liefern beide Hersteller nicht. Mich stören bei Spark vor allem die heute nicht mehr zeitgemäßen Speichenfelgen und bei Minichamps die zu großen Unterschiede der vorderen und hinteren Reifen und die zu hohe Heckpartie. Schließlich sollte man aber auch noch berücksichtigen, dass das Minichamps-Modell im Internethandel (Ebay) gelegentlich deutlich günstiger angeboten wird als das Spark-Modell.

Minichamps

Spark

Minichamps

Spark

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