Kurt Kuhnke und sein VLK Volkswagen von 1947 – AutoCult-Modell in 1/43
Über die Anfänge des Automobilsports in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, die Jahre 1947 bis 1953, und das bislang noch spärliche Modellangebot in 1/43 wurde auf dieser Webseite schon mehrfach berichtet:
Motorsport in Deutschland: Die Pionierjahre ab 1947, Teil 1 & Teil 2 (Berichte von 2013)
Petermax Müller: Volkswagen Spezial 1950 (Bericht von 2017)
Kieler Hafenkurs 1949-1952 (Bericht von 2017)
Walter Glöckler und Max Hoffman (Bericht von 2018)
Quellen für den folgenden Bericht über den VLK Volkswagen 1947-1949 werden am Ende des Textes genannt.
1946: Der Automobilsport begann schon ein Jahr nach dem Krieg im von den Westalliierten verwalteten Teil Deutschlands mit zwei Veranstaltungen, da starteten allerdings nur Vorkriegsfahrzeuge. Aber 1947 gab es bereits ein kleines Rennprogramm mit fünf Rundstecken- und einem Bergrennen mit überregionaler Bedeutung, und da standen auch schon einige Neukonstruktionen an der Startlinie. Bei den meisten Autos beruhte die Technik noch auf bereits vor dem Krieg gebauten oder zumindest entwickelten Fahrzeugen (u.a. BMW 328 und Volkswagen). In der Klasse bis 1100ccm Hubraum bildete dabei die VW-Technik die Basis für Neukonstruktionen, die – in der Tradition vieler deutscher Rennwagen der 1930er Jahre – auf aerodynamische Karosserien setzten. Das war gerade für die leistungsschwachen VW-Motoren auf den damals oft schnellen Rennkursen (Avus, Hockenheim, Grenzlandring, abgesperrte Autobahnabschnitte) eine erfolgversprechende Strategie.
In den Rennen der kleinen Klasse traten Konstrukteure und Rennfahrer (meist in Personalunion) wie Petermax Müller, Kurt Kuhnke oder Jürgen Hennig mit Autos auf technischer Basis von VW und mit meist voll verkleideten Alu-Karosserien an. Der erfolgreichste unter ihnen war, zumindest bis 1949, Müller mit seinem VW Spezial, der 1948 und 1949 zweimal Deutscher Sportwagenmeister in der Klasse wurde. Er hatte wohl auch den finanziellen Hintergrund, sein Auto über mehrere Jahre zur Rennreife zu entwickeln. Erst die Neukonstruktion von Walter Glöckler mit dem bei Porsche optimierten VW-Motor beendete ab 1950 Müllers Erfolgsgeschichte.
Die formal interessantesten Autos waren aber das Alu-Coupé von Kurt Kuhnke und der von Emil Vorster gebaute „Vorster AFM“, der mit einem von Alex von Falkenhausen entwickelten 1100ccm-Motor (AFM) fuhr und 1948 mehrere Rennen der Klasse gewinnen konnte.
Vom „VLK“ („Vollstromlinien-Leichtbau-Konstruktion“) des Kurt Kuhnke soll im Folgenden die Rede sein.
Eine sehr schöne Beschreibung der Entstehung des VLK und des aktuell (Sommer 2023) von AutoCult aufgelegten 1/43-Modells findet sich auf der Webseite „auto-und-modell“ – die Ausführungen von Rudi Seidel kann ich hier fast eins zu eins übernehmen. Wer den Bericht bereits kennt, kann den im Folgenden kursiv wiedergegebenen Text überspringen.
Kurt Kuhnke, geboren 1910 in Stettin, gründete vor dem Krieg in Braunschweig ein Fuhrgeschäft, mit dem er so viel verdiente, dass er sich ein Rennmotorrad leisten konnte. Diese DKW baute er selbst auf Kompressorbetrieb um und war damit ab 1946 wieder am Start. Parallel dazu ließ er sich den hier beschriebenen Sportwagen auf Volkswagen-Basis bauen. Ab 1952 war er in der Formel 3 aktiv und startete 1962/63 sogar ein unglückliches Formel 1-Projekt mit Lotus-Chassis und Rennmotoren aus der Konkursmasse des 1961 gescheiterten Borgward-Konzerns. Leider war das Kuhnkes letzte motorsportliche Aktivität, er starb 1969 noch nicht einmal 60-jährig an einem Schlaganfall.
Bereits zum Jahreswechsel 1945/1946 traf Kuhnke den VW-Ingenieur Walter Hampel, und es entstand die Idee eines Rennsportwagens auf Volkswagen-Basis. Der Konstruktionschef Josef Kales und die britische Verwaltung standen dem Projekt positiv gegenüber, allerdings sollte das Auto nicht im VW-Werk gebaut werden und nicht den Namen VW oder Volkswagen tragen, daher die Bezeichnung VLK (= Vollstromlinien-Leichtbau-Konstruktion). Man fand eine Baracke außerhalb des Werks, die ursprünglich Zwangsarbeiter beherbergte. Das Fahrgestell stammte von einem Käfer oder von einem Kübelwagen. Im ersten Fall musste der Radstand auf 2,20 Meter verkürzt werden. Monteure der Firma Heinrich Schwen & Sohn waren für einen filigranen Rohrrahmen verantwortlich, der auf das VW-Chassis montiert wurde. Darauf kam bei der Firma Petersen & Sattler eine aerodynamische Alukarosserie. Der Motor wurde mit vom Wolfsburger Motorenchef Gustav Vogelsang konstruierten Zylinderköpfen versehen, damit erreichte man schon anfangs 36 statt der serienmäßigen 25 PS.
Bereits bei der Premiere am 24. August 1947 siegte Kuhnke mit dem VLK beim Autobahnrennen in Braunschweig in der Klasse bis 1100 ccm unangefochten. Beim Hamburger Stadtparkrennen eine Woche später reichte es nur für Rang zwei hinter dem Münchner Wilhelm von Müller auf einem Fiat Spezial. Kuhnke war mit dem VLK auch noch 1948 aktiv, allerdings blieben Siege in der 1100ccm-Klasse aus. Anschließend erfolgten der Umbau in einen offenen Rennsportwagen und der Verkauf an Richard Trenkel aus Bad Harzburg. Für 1951 ließ dieser sogar noch ein Porsche-Triebwerk in den VLK montieren, ersetzte das Auto dann allerdings 1952 durch einen Glöckler-Porsche. Über den weiteren Verbleib des VLK ist leider nichts bekannt.
Soweit die Beschreibung von Rudi Seidel.
Ein paar Ergänzungen dazu: Kuhnke fuhr Motorradrennen ab 1939 und dann wieder ab 1946, beginnend mit dem Großen Preis von Braunschweig, Platz 6 in der 350ccm-Klasse. Er war damals Vorsitzender der „Braunschweiger Motorsport-Gemeinschaft“.
Der Bau des VLK bei der Wolfsburger Firma Schwen erfolgte im Frühjahr 1947, bei Schwen wurden danach übrigens auch die Stromlinien-Volkswagen von Petermax Müller, Jürgen Hennig und Hans Finke gebaut. Weitere Volkswagen „Spezial“ entstanden in diesen Jahren rund um die Region Braunschweig/Wolfsburg und wurden von Piloten wie Vollmer, von Hanstein, Scholz, Hampel oder Faulhaber gefahren. Einige der Autos hatten dabei noch separate Kotflügel.
Kuhnke siegte 1947 mit dem VLK in Braunschweig mit der Startnummer 54 und wurde Zweiter in Hamburg mit der Nummer 7. 1948 folgten Platz 3 in Hockenheim (Nummer 45), Platz 2 in Köln (Autobahnkurs, Nummer 52) und Platz 4 beim Aachener Waldrennen (Nummer 45). Zumindest bis Ende Mai 1949 fuhr Kuhnke noch sein VLK Coupé in der 1100ccm-Klasse: Am 8. Mai in Hockenheim (Platz 6) und am 29. Mai in Berlin Zehlendorf („Kleine Avus“, Platz 3). Am 19. Juni trat dann Richard Trenkel als neuer Besitzer des VLK, nun in offener Form, beim Rennen um den Kieler Hafenkurs an (Platz 3). Trenkel war zuletzt am 12. Juni („Rund um Schotten“) noch seinen Eigenbau auf Fiat-Basis gefahren. Wie es zu dem Wechsel kam, insbesondere, wer für die Veränderung der Karosserie in einen offenen Rennsportwagen sorgte, ist je nach Quelle umstritten. Zwei seriöse Quellen kommen zu unterschiedlichen Aussagen: Nach Schumann, der immerhin das Standardwerk der Rennsportszene im frühen Nachkriegsdeutschland verfasst hat (siehe „Quellen“ am Ende des Berichts), hat Trenkel den VLK umgebaut. Nach Schimpf, Experte der Motorsportszene rund um Braunschweig/Wolfsburg (siehe „Quellen“), war Kuhnke für den Umbau verantwortlich. Wer kann das Rätsel lösen???
Einige technische Daten: Volkswagen-Vierzylinder-Boxermotor, vermutlich 1095 oder 1086 ccm Hubraum. Neuer Zylinderkopf, entwickelt von Gustav Vogelsang. Unklar ist, ob hier als Basis die von Vogelsang im Krieg entwickelten VW-Schnellbootmotoren dienten – so war es jedenfalls bei den Motoren für den Petermax Müller-Volkswagen. Anfangsleistung 36 PS, Gewicht um 500 kg, Spitze als Coupé ca. 150 km/h, Radstand 2200mm.
Die zweite Karriere des VLK im Besitz von Richard Trenkel: Trenkel wurde 1909 in der Nähe von Bad Harzburg geboren. Er betrieb nach dem Krieg einen Mineralölgroßhandel und besaß einige Tankstellen – eine gute finanzielle Grundlage für den Einstieg in den Motorsport. Zunächst fuhr er in der 1100ccm-Klasse mit einem Eigenbau auf Fiat-Basis, das war bis Mitte Juni 1949, letztmalig bei „Rund um Schotten“. Dann übernahm er im Juni 1949 Kuhnkes VLK, nun in offener Form, siehe oben. Der Motor wurde weiter von Vogelsang betreut, die Leistung stieg auf über 40 PS. Er fuhr ihn auch in der folgenden Saison 1950 (Platz 2 auf dem Grenzlandring und Platz 3 auf der Solitude), geriet aber gegenüber dem neuen, kompakten und leichteren Glöckler VW ins Hintertreffen. 1951 bekam Trenkel einen von Glöckler vorbereiteten stärkeren Porsche-Motor und konnte damit z.B. das „Prinzenpark“-Rennen gewinnen. Ab Mai 1952 findet man Trenkels Rennergebnisse unter dem Namen „Porsche“ wieder. Ob es sich dabei um seinen von Kuhnke übernommenen Eigenbau mit Porsche-Motor handelte oder bereits um einen „echten“ Glöckler-Porsche, lässt sich aus den Quellen nicht schlüssig ermitteln – auch hier: Wer kann diese Frage beantworten???
In jedem Fall erhielt Trenkel dann für die Saison 1953 einen neuen, für ihn bei Glöckler gefertigten Glöckler Porsche, mit dem er die Deutsche Sportwagen-Meisterschaft in der 1100ccm-Klasse gewann, aber das ist dann eine andere Geschichte.
Das AutoCult-Modell
Rudi Seidel beschreibt das im Sommer 2023 neu aufgelegte AutoCult-Modell des VLK auf der „auto-und-modell“ Webseite wie folgt (Kursivtext):
Ich finde, dass Autocult sehr gute Arbeit geleistet hat. Die windschnittige, sehr modern wirkende Form ist perfekt wiedergegeben, die Oberfläche einer unlackierten Aluminiumkarosserie hat man toll reproduziert, das wirkt beim Original noch besser als auf den Fotos. Naturgemäß gibt es nicht viele Details zu sehen, das liegt natürlich am Vorbild. Die Hebel zum Öffnen der Cockpitverkleidung und der Heckklappe, der dünne Auspuff, die Scheinwerfer und die feinen Scheibenrahmen, das war’s schon. Die Räder sieht man sowieso kaum, es sind nur schwarze Scheibenräder mit vielleicht etwas zu kleinem Durchmesser. Die Startnummer 7 weist auf das Hamburger Stadtparkrennen hin, könnte aber auf der Fronthaube etwas weiter hinten platziert sein. Im Cockpit gibt es natürlich außer Lenkrad und Fahrersitz nicht viel zu sehen.
Soweit die Beschreibung von Rudi Seidel. Dazu folgende Anmerkungen: Der VLK hatte vermutlich wie alle anderen Volkswagen damals 16 Zoll-Felgen, die Räder des Modells wären dann sicher zu klein. Das ist bei der geschlossenen Karosserie und den vorn wie hinten abgedeckten Rädern aber eigentlich kein gravierendes Problem.
Die besondere Lackierung wird von Rudi Seidel ausdrücklich gelobt. Sie passt zum Original auf jeden Fall besser als eine perfekte Alusilber-Lackierung wie z.B. beim AWE von AutoCult. Die wenigen SW-Fotos des VLK zeigen zwar in dieser Hinsicht kein einheitliches Bild, aber die Fotos vom Hamburger Stadtparkrennen – das ist ja das Vorbild des Modells – bestätigen die „schmutzige“ Oberfläche des Autos, die angesichts der kurzen Renndistanzen damals sicher nicht auf eine Verschmutzung während des Rennens zurückgeführt werden kann. Ich weiß eigentlich nicht, wie man die Oberfläche des Originals anders hätte darstellen können.
Bei der Frage des Scheibenwischers und des Rückspiegels gibt es allerdings Diskussionsbedarf. Auch hier sind Rückschlüsse anhand der oft unscharfen SW-Fotos schwierig, aber es sieht wohl wie folgt aus: (1) Beim Debutrennen in Braunschweig 1947 hatte das Auto keinen Scheibenwischer und keinen Rückspiegel. (2) In der Saison 1948 und vermutlich bis zum Umbau im Juni 1949 war ein kleiner Wischer an der unteren Kante der Windschutzscheibe vor dem Fahrer montiert, auch hier fehlte der Rückspiegel (mehrere Fotos, u.a. Schimpf, Prinzenpark, S. 55).
(3) Zum Hamburger Stadtparkrennen 1947 kam der VLK direkt nach seinem Einsatz in Braunschweig, wie dort wohl noch ohne Scheibenwischer und Rückspiegel. In Hamburg angekommen, und auf jeden Fall bei der Startaufstellung, hatte er einen Scheibenwischer auf dem Dach (Fahrerseite) und einen kleinen schwarzen Rückspiegel, Quelle: Schimpf, Prinzenpark, S. 56, sowie ein Pressefoto von der Startaufstellung in „Das Auto“, 10/1947, aktuell auf der Webseite „Jornal dos Classicos“. Es gibt auch ein Foto vom Rennen, auf dem Wischer und Rückspiegel zu sehen sind; auf einem anderen, allerdings unscharfen Foto vom Rennen scheint der Rückspiegel zu fehlen, und ob der Wischer montiert war, ist nicht erkennbar (Quelle: Schimpf, Prinzenpark, S. 57). Beim Modell fehlen Wischer und Rückspiegel ganz. Man könnte die beiden Teile daher für die Hamburg-Version ergänzen – das sollte kein großes Modellbau-Problem sein.
Das sind allerdings Kleinigkeiten gegenüber der besonderen Anerkennung dafür, dass AutoCult den Mut hat Modelle zu entwickeln, die seit Jahrzehnten nicht mehr existieren und auch nur spärlich dokumentiert sind – so wie es beim VLK der Fall ist. Bei anderen AutoCult-Rennsportmodellen, z.B. Petermax Müllers VW oder AWE, konnte man sich noch auf vorhandene Museumsmodelle stützen, die in diesen Fällen aber immerhin den historischen Fahrzeugen gleichen. Andere Modellhersteller machen es sich dagegen manchmal zu einfach, indem sie aktuell restaurierten Vorbildern alter Fahrzeuge folgen, selbst wenn sie sich in mehreren Details vom damaligen Original unterscheiden. Ein solches Beispiel ist der Veritas RS in 1/43 von Matrix: Das Modell eignet sich daher nicht zur Darstellung der erfolgreichen Veritas-Rennsportwagen der späten 1940er Jahre. Insofern wurde da eine Chance vertan. Naja, vielleicht greift AutoCult (oder ein anderer Modellhersteller) das Thema in naher Zukunft mal auf und liefert endlich ein korrektes Modell des berühmten Veritas RS von 1948-1950 (Stand 2023).
Quellen:
Eckhard Schimpf, Prinzenpark – Auto- und Motorradrennen der Nachkriegszeit, Delius Klasing
Reinald Schumann, Deutscher Automobil-Rennsport 1946-1955, Monsenstein und Vannerdat, Münster 2013
Karl Ludvigsen, Die Deutsche Rennsport-Geschichte, Deutsche Ausgabe, GeraMond 2012
Journals: Eckhard Schimpf, Die Geschichte vom kleinen Silberpfeil, in: Automobilsport 15 (01/2018)
Webseiten: pre67vw (Forum), flat4 (Forum), jornaldosclassicos, racingsportscars. Ein Kurzfilm zum Sportwagenrennen „Aachener Waldrennen 1948“ mit Bildern vom VLK kann auf You Tube aufgerufen werden.