Drei Siege in Le Mans: Olivier Gendebien und Phil Hill

Der Bericht „Le Mans – Die erfolgreichen Fahrerteams“ vom Dezember 2024 (LINK) befasste sich mit Teams, die in Le Mans mehrfach siegten oder durch herausragende Leistungen in Erinnerung blieben – darunter vier Fahrerpaarungen, die jeweils dreimal gewinnen konnten. Das älteste dieser „Dream Teams“ war die Kombination Olivier Gendebien und Phil Hill, die untrennbar mit der großen Zeit Ferraris bei den 24 Stunden (1958-1965) verbunden ist. „Monsieur Le Mans 1.0“ begründete die Tradition erfolgreicher belgischer Piloten, die dann 20 Jahre später durch „Monsieur Le Mans 2.0“ Jacky Ickx noch erfolgreicher fortgesetzt wurde. Und Phil Hill war der erste Amerikaner, der mit seinen drei Le Mans-Erfolgen, weiteren Sportwagen-Siegen und dem Formel 1-WM-Titel 1961 einen nachhaltigen Fußabdruck der Rennfahrer aus Übersee in Europa hinterließ.

Gendebien und Phil Hill fuhren ab Mitte der 1950er Jahre als Werkspiloten in Ferraris Sportwagen-Equipe. Die Ära der auf drei Liter Hubraum begrenzten Sportwagen in den Jahren 1958 bis 1961 war die erfolgreiche Zeit dieser Fahrerpaarung, und der Ferrari 250 Testa Rossa (TR) stellte vor allem in Le Mans dank seiner Motorleistung und seines Stehvermögens eine Macht dar. Nur Aston Martin konnte die Siegesserie 1959 unterbrechen, als alle Werks-250 TR ausfielen. Ferrari setzte damals sein gesamtes Formel 1-Starensemble auch bei den Sportwagen ein, aber Gendebien und Hill waren das bei weitem erfolgreichste Team – nicht nur in Le Mans – obwohl sie in Maranello zunächst (1958) gar nicht zu den Superstars der Scuderia gehörten.

Offensichtlich hatte das Team aber ein besonderes „Händchen“ für Langstreckenrennen und speziell für Le Mans – einen Material schonenden, abwägenden Fahrstil, gemeinsame Abstimmung und etwa gleiches Leistungsvermögen, sicher auch das Glück, dass Le Mans sie gewinnen lies. So bildeten die Beiden speziell dort fast immer ein Team. 1962 holte Gendebien mit seinem gewohnten Partner mit dem 4-Liter Ferrari 330LM seinen vierten Le Mans-Sieg. Der Belgier beendete damit seine Laufbahn, während Phil Hill nach seinen drei Le Mans-Siegen noch bis 1967 bei Langstreckenrennen startete und auch nach Le Mans kam.

Sieg in Le Mans 1962: Ferrari 330 LM, Gendebien – Phil Hill (Modell: BAM-Starter)

Olivier Gendebien (1924-1998)

Der Belgier begann seine Motorsport-Karriere mit Rallyes, zunächst im Kongo (damals belgische Kolonie), wo er stationiert war, dann ab Anfang der 1950er Jahre nach seiner Rückkehr nach Belgien in Europa, u.a. mit Jaguar und später mit dem Mercedes-Benz 300SL. Der Sieg bei der Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich 1955 war ein erstes Ausrufezeichen. 1952-1954 begann seine zweite Karriere, nun auf der Rennstrecke, z.T. mit Einsätzen bei der Ecurie Francorchamps (Veritas, Jaguar, Ferrari, Gordini). 1955 holte er bei der Mille Miglia mit dem 300 SL (Kopilot Jaques Washer) einen beachtlichen siebten Platz, gefolgt von Platz 5 mit einem Porsche 550 Spyder in Le Mans (Ecurie Belge, Kopilot Wolfgang Seidel).

Mille Miglia 1955: Gendebien und Washer, Platz 7 in der Gesamtwertung mit dem Mercedes-Benz 300SL (Modell: Schuco)

Der endgültige Durchbruch folgte 1956. Gendebien war nun Werksfahrer bei der Scuderia Ferrari, wurde in internationalen Sportwagenrennen und – allerdings nur sporadisch – in der Formel 1 eingesetzt und war auf Anhieb bei den Sportwagen erfolgreich, mit Podiumsplätzen, z.B. Rang 2 in Buenos Aires und Rang 3 am Nürburgring und in Le Mans. Am Nürburgring teilte er erstmals das Cockpit mit Phil Hill. Dabei bewegte er über das Jahr unterschiedliche Fahrzeuge, vom 857S, 290MM und 625LM bis zum 250GT.

Ferrari 625 LM, Le Mans 1956, Platz 3 für Gendebien und Trintignant (Modell: Gaffé)

Nebenbemerkung: Bei den Formel 1-Einsätzen der Scuderia spielte Gendebien bis 1959 allerdings nur eine Nebenrolle – es gelang ihm nicht, in die Riege der Stars wie Hawthorn, Musso oder Collins und ab 1959 Phil Hill, Brooks, Gurney oder von Trips vorzudringen, wofür sicher auch Ferraris Teampolitik verantwortlich war. So war die F1-Bilanz des Belgiers 1956-1959 recht mager. Seine Stärken entfaltete der Belgier bei Ferrari – außer in Le Mans – vielmehr bei seinen GT-Einsätzen oder bei Rennen, die ihm aufgrund seiner Basis im Rallye-Sport entgegen kamen: Mille Miglia, Targa Florio, Tour de France.

Gendebiens beste Platzierung bei den Rennen zur Sportwagen-WM 1957 war Rang 2 am Nürburgring, zusammen mit Peter Collins fuhr man dort den bärenstarken 335S. Danach wechselte der Belgier das Auto und den Partner: Der neue 250 Testa Rossa (250TR), entwickelt für die kommende Saison, durchlief ab Saisonmitte ein gründliches Testprogramm, nicht nur auf der Teststrecke, sondern auch in den WM-Rennen einschließlich Le Mans, neuer Partner war dabei Maurice Trintignant. Bei den GTs war Gendebien mit verschiedenen Kopiloten das Maß der Dinge und der 250GT das überlegene Auto. Mit Bianchi gelang der erste Tour de France-Sieg, den die Beiden 1958 und 1959 wiederholen konnten, und der dritte Platz des GT bei der Mille Miglia, mitten unter den Rennsportwagen (zusammen mit Washer), war mindestens genauso beeindruckend.

Mille Miglia 1957: Ferrari 250 GT Nr. 417, Gendebien-Washer, Platz 3 (Modell: Box)

1958 übernahm Ferrari mit dem 250TR bei den Sportwagen und dem 250GT in der GT-Klasse eine dominierende Rolle im Endurance-Sport. Gendebien fuhr mehrere WM-Rennen zusammen mit Luigi Musso, in Le Mans aber erstmals mit Phil Hill. Bei der Targa Florio und in Le Mans holte er seine ersten WM-Siege. Hinzu kamen Siege in Reims (12 Stunden) und bei der Tour de France – 1958 war sein bisher erfolgreichstes Jahr.

Ferrari 250 Testa Rossa, Sieg in Le Mans 1958 Gendebien-Hill (Modell: Starter)

Ferrari 250 Testa Rossa, Nürburgring 1958, Platz 3 (Gendebien – von Trips) (Modell von John Day)

1959 wurde Phil Hill sein „Stamm-Partner“, den größten Sportwagen-Erfolg erzielte Gendebien aber zusammen mit Dan Gurney in Sebring. Hinzu kam sein Hattrick bei der Tour de France, zusammen mit Lucien Bianchi.

Ferrari 250 Testa Rossa, Le Mans 1959, Gendebien-Hill (ausgefallen), Modell von Starter

1960 war Gendebien nicht nur bei Ferrari unter Vertrag und gewann für Maranello erneut in Le Mans, er fuhr in der Sportwagen-WM auch mehrere Rennen für Porsche, holte dabei mit Herrmann den Sieg in Sebring (Porsche RS60) und zwei weitere Podiumsplätze: Der Belgier war damit der erfolgreichste Sportwagen-Pilot des Jahres. Hinzu kamen endlich auch Erfolge in der Formel 1 mit dem Cooper Climax Team (2 Podiumsplätze).

Ferrari 250 Testa Rossa, Sieg in Le Mans 1960, Gendebien-Frére (Modell: Starter)

1961 konzentrierte sich Gendebien wieder auf Ferrari und die Sportwagen, abgesehen von einem Abstecher in die USA, wo er einige Sportwagenrennen mit einem Lotus Monte Carlo fuhr. Wieder holte er den inoffiziellen Titel des erfolgreichsten Piloten in der Sportwagen-WM, mit Siegen in drei der fünf WM-Rennen: Sebring, Targa Florio und Le Mans. Dabei fuhr er nicht nur den modernisierten 250TRI mit Frontmotor, sondern auch den neuen 246SP mit Mittelmotor.

Gendebien – Sieger bei der Targa Florio 1961 (mit von Trips), Ferrari 246SP, Modell von John Day

Ferrari 246SP, Targa Florio 1961, Sieger (Gendebien-von Trips), Modell: John Day

Ferrari 250 TRI/61, Sieger in Le Mans 1961 (Gendebien-Phil Hill), Modell von Starter

1962 war seine letzte Saison, und sie verlief ebenso erfolgreich: Drei Siege und ein zweiter Platz in den vier Rennen der „Challenge Mondial“: Targa Florio, Nürburgring und Le Mans – zweimal mit dem 246SP und in Le Mans mit dem Vierliter-330 LM. Dies war sein vierter Sieg in Le Mans (ein neuer Rekord), der dritte zusammen mit Phil Hill (auch ein Rekord), und der letzte Gesamtsieg eines Frontmotor-Sportwagens bei den 24 Stunden (Stand 2024).

Ferrari 246SP, Targa Florio 1962, Sieger (Gendebien-Mairesse-P. Rodriguez), Modell: Art Model

Resümee: Mit seinem vierten Le Mans-Sieg, dem dritten in Folge, verabschiedete sich Gendebien vom Motorsport – nach acht überaus erfolgreichen Jahren, in denen er elf Siege in der Sportwagen-WM holte, davon neun für Ferrari. Der Belgier war da gerade 38 Jahre alt, seine Karriere hätte er bei der Ferrari-Dominanz, die noch drei weitere Jahre anhalten sollte, durchaus noch fortsetzen können. Aber der Le Mans-Sieg 1962 war ein würdiger Abschluss. Hinzu kam wohl auch ein schmerzlicher Rückblick auf die Motorsport-Szene der Jahre ab 1957, auf die vielen Kollegen, die gerade in dieser Zeit und besonders bei Ferrari ihr Leben auf der Rennstrecke verloren: Castellotti und de Portago 1957, Musso und Collins 1958. Hinzu kam der Rücktritt von Hawthorn nach der Saison 1958, der kurz danach bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam: Ein großer Teil des Ferrari-Teams war Ende 1958 nicht mehr am Leben. Hinzu kam dann noch von Trips´ tödlicher Unfall 1961. All das mag Gendebiens Entscheidung mit beeinflusst haben.

Seine elf Siege in der Sportwagen-Weltmeisterschaft holte der Belgier bei den WM-Rennen der Jahre 1958-1962. In neun dieser 24 Rennen war dabei Phil Hill sein Partner, mit ihm holte Gendebien fünf Siege, davon drei in Le Mans. In den 38 WM-Rennen der Zeit 1956-1962 (einschließlich Le Mans 1956) kamen zu den elf Siegen noch 13 Podiumsplätze (2. oder 3. Platz) hinzu – insgesamt also 24 Platzierungen auf dem Podium in 38 Rennen – eine wahrlich beeindruckende Bilanz. In der auf dieser Minerva-Webseite angewandten Punktwertung auf Basis aller Endurance-Rennen seit 1947 liegt Gendebien in der Piloten-Rangliste auf Platz 6 (Stand 2024), er wäre demnach in den Jahren 1960, 1961 und 1962 Sportwagen-Weltmeister geworden.

Anmerkung: Umfassende Ergebnis-Statistiken aller Langstreckenrennen seit 1947 können in einem Bericht aufgerufen werden, der über Links zu den einzelnen Ergebnisse und Saisonverläufen führt. Ein Link führt auch zur Fahrerwertung 1947-2024.

In einer Übersicht ist die Gendebiens Rennhistorie in den Jahren 1953 bis 1962 zusammengestellt worden. Die 10 wichtigsten Sportwagen seiner Karriere und Modelle in 1/43 wurden außerdem in einer Tabelle aufgeführt.

 

Philip Toll Hill (1927-2008): „He is remembered as a motorsport icon, known for his kindness, easy-going manner and immense talent.“ (Quelle siehe unten). Hill ist bislang der einzige Rennfahrer, der im selben Jahr sowohl die Formel 1-Weltmeisterschaft als auch Le Mans gewonnen hat (Stand 2024). Er war in den Nachkriegsjahren (1950er und 1960er) zusammen mit Dan Gurney und Carrol Shelby der Pilot aus den USA, der in der klassischen Motorsportwelt (Formel 1, Sportwagen) den stärksten Eindruck hinterlassen hat. Seine Resultate in diesen beiden Kategorien, vor allem natürlich seine beeindruckende Sportwagen-Bilanz, sprechen für sich.

Hills Rennkarriere von 1950-1967 gleicht einem „Tanz auf drei Hochzeiten“. Über den gesamten Zeitraum blieb er der US-amerikanischen Sportwagen-Szene mehr oder weniger treu – von den Anfängen mit privaten MG oder Jaguar XK120 (1949/50) bis zu Einsätzen mit dem legendären Chaparral im Rahmen der CANAM-Rennserie (1966). Ab Mitte der 1950er Jahre nahm er dann zunehmend auch an den klassischen europäischen Langstreckenrennen teil, seit 1955 als Mitglied der Scuderia Ferrari. Die erfolgreichste Zeit bei Ferrari waren die Jahre 1958 bis 1962. Und die dritte „Hochzeit“ waren seine Jahre in der Formel 1, auch hier in der Zeit 1958-1962 als Werksfahrer bei Ferrari.

Formel 1:

Hills mit Abstand erfolgreichste F1-Saison war das Jahr 1961, als er den Titel holte. Ferrari hatte in dem Jahr mit dem Tipo 156 das überlegene Auto. Hill und von Trips kämpften um die F1-Krone, mit dem tragischen Ende in Monza, als der Deutsche tödlich verunglückte und Hill das Rennen und die WM gewann – einen Titel, der ihm nie Freude bereitet hat.

Foto: Ferrari 156 Formel 1 1961

Ansonsten waren Hills Jahre bei Ferrari von der schwankenden Konkurrenzfähigkeit der Scuderia bestimmt. 1959 und 1960 schaffte er zwar Rang 4 und 5 in der Jahreswertung, mit dem veralteten Frontmotor-Dino 246 hatte er aber gegen die modernen Mittelmotor-Rennwagen, insbesondere von Cooper, kaum Siegchancen. Und nach dem „Ferrari-Jahr“ 1961 zogen die Neukonstruktionen aus England (Lotus, Cooper, BRM) an den Autos aus Maranello vorbei. Der 1963 folgende Wechsel zum Formel 1-Neuling ATS brachte dann keine zählbaren Resultate mehr.

Trotzdem sah die F1-Gesamtbilanz der Ferrari-Jahre ganz beachtlich aus: 31 Einsätze in der Formel 1-WM, 17mal auf dem Podium (3 Siege, 6 zweite und 8 dritte Plätze) und der Titel 1961 stehen in der Formel 1-Statistik. Die erfolgreiche Zeit in der Formel 1 währte also nur vier Jahre, und trotz des WM-Titels rangierte Phil Hill bei der Frage nach den besten Piloten nie ganz vorn: 1959/60 stand er im Schatten von Stirling Moss (damals der anerkannt beste Rennfahrer), Tony Brooks oder Jack Brabham, und ab 1962 zogen die jungen Piloten Jim Clark, Graham Hill oder Bruce McLaren an ihm vorbei.

Sportwagen:

Hier war seine Position eine andere: Zum einen war er deutlich länger auf Weltklasseniveau aktiv (etwa von 1956 bis 1967), zum anderen rangierte in den Jahren 1958-1962 eigentlich nur Moss vor ihm und seinem Partner in vielen Rennen, Olivier Gendebien. Die Gesamtbilanz seiner Sportwagen-Jahre gibt das eindrucksvoll wieder: 13 Siege in Langstreckenrennen für Sportwagen und Prototypen (Sportwagen-WM 1956-1961 bzw. ab 1962 „Challenge Mondial“), darunter elf Siege für das Ferrari-Werksteam; neun dieser Siege entfielen auf die Jahre 1958-1962. Podiumsplätze 1955-1962 für die Scuderia Ferrari: 11 Siege, 4 zweite und 3 dritte Plätze; weitere 3 zweite Plätze für andere Ferrari-Teams und zusätzlich 2 Siege für Chaparral 1966/67, also insgesamt 23 Podiumsplätze. Zusammen mit Partner Gendebien: 6 Siege in 13 Rennen für Ferrari, darunter die drei Le Mans-Siege 1958, 1961 und 1962.

Mit seinen Endurance-Siegen liegt Phil Hill in der „Minerva“-Rangliste aller Langstreckenpiloten 1947-2024 auf Platz 7 direkt hinter Gendebien, und in den „Minerva“-Jahreswertungen hätte Hill 1958 den Titel des Sportwagen-Weltmeisters erreicht

Anmerkung: Umfassende Ergebnis-Statistiken aller Langstreckenrennen seit 1947 einschließlich einer Fahrerwertung über den gesamten Zeitraum können in einem Bericht aufgerufen werden, der über Links zu den einzelnen Ergebnisse und Saisonverläufen führt.

Anfänge, 1949-1954:

Nach dem Krieg entstand in den USA eine neue Kategorie des Rennsports: Rundstreckenrennen, meist mit europäischen Sportwagen, die in Italien, England oder Deutschland gekauft und importiert wurden. Es begann 1948 in Watkins Glen, und 1951 wurde daraus eine Sportwagen-Meisterschaft, organisiert vom SCCA (Sports Car Club of America). Bei den Sportwagen war damit eine Querverbindung über den Atlantik entstanden, während die Szene der Formelrennwagen (Formel 1, Indianapolis) weiterhin getrennt blieb.

In der Folge entwickelten sich diese Verbindungen sowohl bei den Piloten wie auch bei den Fahrzeugen weiter: Amerikaner kamen über den großen Teich und bereicherten die europäische Szene – Namen wie Phil Hill, John Fitch, Dan Gurney, Richie Ginther oder Carroll Shelby seien hier stellvertretend genannt. Im Gegenzug waren die Stars der europäischen Rennen bei ausgewählten amerikanischen Rennen zu Gast, insbesondere zum Jahresende nach der europäischen Rennsaison. Bei den Sportwagen trat Amerika auf zweierlei Weise auf der europäischen Bühne und speziell in Le Mans in Erscheinung: Erstens durch die Kombination europäischer Fahrzeuge mit großvolumigen amerikanischen Motoren und zweitens durch das Projekt des reichen US-Sportsmanns Briggs Cunningham, die 24 Stunden von Le Mans mit einer eigenen Konstruktion zu gewinnen.

Phil Hill begann die Rennerei 1949/50 auf ähnliche Weise wie einige andere der später bekannten US-Rennfahrer mit privat eingesetzten Sportwagen, beginnend mit dem kleinen MG und dann mit dem Jaguar XK 120. 1951 erhielt er die Gelegenheit, einen der legendären Alfa Romeo 8C 2900B zu fahren, 1938/39 der erfolgreichste Sportwagen in Europa. Der „Spider Corsa“, der 1938 bei der Mille Miglia den zweiten Platz belegte (Fahrzeug Nr. 030), gelangte in den Kriegsjahren in die USA, und Hill fuhr das Auto recht erfolgreich bei einigen Rennen, u.a. in Pebble Beach und Palm Springs. Ein Bericht zu dem Auto und einem 1/43-Modell auf Basis des alten Bausatzes von John Day kann HIER aufgerufen werden.

Alfa Romeo 8C 2900B, Pebble Beach (USA) 1951, Phil Hill (Modell: John Day)

1952 folgten Einsätze mit dem Jaguar XK 120 und auch bereits mit einem Ferrari (212 Export), darunter war Hills erster Start bei der Carrera Panamericana, wo er auf Anhieb den sechsten Platz erreichte. Mit einem Ferrari 225S war er 1953 beim Eröffnungsrennen der neuen Sportwagen-WM in Sebring am Start, bei seinem ersten Besuch in Le Mans fuhr er einen kleinen OSCA und bei der Carrera Panamericana zusammen mit Richie Ginther bereits einen stark motorisierten Ferrari 340 Mexico.

Ferrari 250 MM, Santa Barbara (USA) 1953, Sieger Phil Hill (Modell: John Day)

1954 folgten weitere Starts in der Sportwagen-WM mit privat eingesetzten Ferraris (Buenos Aires, Sebring).

Ferrari 340 Mexico, Buenos Aires 1000 km, WM-Lauf 1954, Hill-Sykes (Modell: Art Model)

Als erstes Ausrufezeichen seiner Karriere holte er 1954 mit Ginther einen starken zweiten Platz in Mexiko mit einem offenen Ferrari 375MM, dabei gewann er drei der acht Etappen. Und natürlich war Hill in den Jahren 1952-1954 bei den SCCA-Rennen am Start, auch hier meist mit Ferrari Sportwagen.

Scuderia Ferrari, 1955-1962:

Die Saison 1955 begann erfolgreich mit einem zweiten Platz in Sebring, den Ferrari 750 Monza fuhr Hill zusammen mit Carroll Shelby. In Le Mans folgte sein erster Einsatz für die Scuderia Ferrari mit dem Tipo 121LM. Ab 1956 war er fester Bestandteil des Ferrari Werksteams und fuhr mehrere Rennen zur Sportwagen-WM. In Schweden gelang sein erster Sieg in einem WM-Lauf mit einem Ferrari 290MM, Kopilot war Trintignant. In den USA fuhr er 1955/56 diverse Ferrari-Sportwagen, aber auch Mercedes (300SL) und Porsche (550 Spyder). 1957 ein ähnliches Bild: Bestes Resultat war der Sieg beim WM-Lauf in Venezuela (Caracas), zusammen mit Peter Collins (Ferrari 335S).

1958 begannen Hills erfolgreichste Jahre mit dem Ferrari 250 Testa Rossa, mit Siegen in Buenos Aires und Sebring (Partner: Collins) und als Höhepunkt in Le Mans mit Gendebien – ein neues „Dream Team“ war geboren. In den USA fuhr Hill einen Ferrari 412MI mit 4 Liter-V12 Motor.

Ferrari 250 Testa Rossa, Le Mans-Sieger 1958 (Gendebien-Hill), Modell: Starter

Ferrari 412 MI, Riverside (USA) 1958, Phil Hill. Modell von Record

1959 war der Sieg in Sebring sein größter Erfolg, hinzu kamen in der WM ein zweiter und ein dritter Platz, immer zusammen mit Gendebien. In den USA fuhr Hill nun, mit der Doppelbelastung bei Ferrari (Formel 1 und Sportwagen), nur noch wenige Rennen.

Foto Ferrari 250TR 1959

1960 waren seine Kopiloten in der Sportwagen-WM von Trips oder Allison. Auch in diesem Jahr gelang ein Sieg (Buenos Aires) sowie ein zweiter (Targa Florio) und ein dritter Platz (Nürburgring). In seinem Erfolgsjahr 1961 fuhr Hill wieder zusammen mit Gendebien und gewann mit ihm sowohl in Sebring als auch in Le Mans mit dem Frontmotor- 250TRI/61. Seine Einsätze mit dem neuen Mittelmotor-Ferrari 246SP (Targa Florio, Nürburgring) endeten dagegen mit Ausfällen.

Ferrari 250 TRI/61, Le Mans-Sieger 1961 (Gendebien-Hill), Model: Starter

1962 war sein letztes Jahr bei Ferrari. Währende die Formel 1-Bilanz nach dem Weltmeisterjahr 1961 allenfalls als „gemischt“ eingestuft werden kann, blieb er bei den Sportwagen weiterhin auf der Erfolgsspur. Die Sportwagen und Prototypen waren in den vier klassischen Endurance-Rennen des „Challenge Mondial“ am Start. Hill startete in Sebring, am Nürburgring und in Le Mans und holte zwei Siege und einen zweiten Platz, jedes Mal mit Gendebien als Partner. Das Rennen in Le Mans mit dem 330LM Frontmotor-Ferrari war letzter Höhepunkt und Schlussakkord seiner Jahre beim Ferrari Werksteam. Gendebien trat danach vom Rennsport zurück und Hill suchte in den USA neue Herausforderungen.

Foto Ferrari 330 LM

Shelby und Ford, 1963-1965:

1963 kam Hill in der Formel 1 mit seinem Wechsel von Ferrari zum neuen Team ATS vom Regen in die Traufe, aber bei den Sportwagen und GTs blieb er aufgrund seiner Erfahrung ein hoch geschätzter Pilot. 1963 und 1964 kam er zum neu gebildeten Shelby American Team seines Freundes Carrol Shelby. Bei der Entwicklung des Shelby Cobra GT, auf Basis des britischen AC Roadsters und eines Ford V8-Motors „von der Stange“ geschaffen, war Hill Teil eines amerikanischen Teams aus hochkarätigen Ingenieuren und Rennfahrern (u.a. Dan Gurney). Den Cobra auf das Niveau des Ferrari 250GTO zu heben, der seit 1962 die Klasse beherrschte, war allerdings ein anspruchsvolles Ziel. Erst mit der Entwicklung des Cobra Daytona Coupe kam man 1964 auf Augenhöhe mit Maranello, nun auch auf den schnellen Rennkursen (Le Mans, Spa, Monza), wo man zuvor mit dem Roadster – mit der Aerodynamik einer Litfaßsäule – chancenlos war.

Shelby Cobra Roadster, Sebring 1963, Phil Hill – Dan Gurney, Modell von Box

Shelby Cobra – Roadster und Daytona Coupe, Sebring 1964. Coupe von True Scale, Roadster von Provence Moulage

Aston Martin P215, Le Mans 1963, Phil Hill-Bianchi (Grand Prix Models, Classic Cars – aus dem Modellmuseum)

1964 kam ein weiteres Engagement hinzu: Der US-Gigant Ford startete seine Kampagne, Ferrari auf europäischen Rennstrecken und speziell in Le Mans zu besiegen. FAV (Ford Advanced Vehicles) engagierte u.a. Phil Hill für die Entwicklung und den Einsatz des brandneuen „GT 40“, den Hill beim Debut am Nürburgring, in Le Mans und in Reims steuerte. Im ersten Einsatzjahr wurden allerdings noch keine zählbaren Resultate erzielt. Immerhin holte Hill zusammen mit Pedro Rodriguez den Sieg bei den 2000 km von Daytona, dem Vorläufer der 24 Stunden, mit einem Ferrari des North American Racing Teams (NART). 1965 wurden die Ford Prototypen von Shelby American eingesetzt, Phil Hill war weiterhin Teil des Teams.

Ford GT 40, hinten: Le Mans 1964 (Hill-McLaren), Modell von Tenariv; vorn GT 40, Daytona 1965, Modell von Spark

In Le Mans setzte Ford 1965 zwei neue GT 40 Mark II mit dem gewaltigen Siebenliter-Motor ein. Hill fuhr die mit Abstand schnellste Trainingszeit und zeigte damit, dass er immer noch zu den ganz schnellen Sportwagen-Piloten gehörte: Seine Zeit lag über 5 Sekunden unter der des Zweiten und neun Sekunden unter der schnellsten Trainingszeit 1964. Gleichwohl: Nach drei Stunden war die Show der beiden Überflieger vorbei.

Ford GT40X (alias „Mark II“), Le Mans 1965 (Phil Hill fuhr die Nr. 2), Modell von Tenariv

Chaparral, 1966 und 1967:

1966: Sein letztes Engagement führte Hill nach Texas zu Jim Hall und seinem Chaparral Team. Zusammen mit Joakim Bonnier fuhr er in den Rennen des Prototypen-Weltpokals den Typ 2D als FIA-Coupé und nach der europäischen Saison in der CANAM-Meisterschaft den Typ 2E als offene Version mit dem neuen revolutionären Heckflügel. Wichtigster Erfolg war der Gesamtsieg bei den 1000 km auf dem Nürburgring.

Chaparral 2D, Daytona 1966 (Phil Hill-Bonnier), Modell von MA Scale

Chaparral 2D, Nürburgring 1966, Sieger Phil Hill-Bonnier (Modell: Thundersport von Marsh Models)

Chapparal 2E, CANAM-Rennserie, Riverside 1966, Platz 2, Phil Hill (Modell von John Day)

Die Abschlusssaison 1967 verlief ähnlich wie das Jahr 1966: Sieben Einsätze des neuen Chaparral 2F im Prototypen-Weltpokal, zusammen mit Mike Spence, mit sechs Ausfällen und einem Sieg zum Saisonausklang in Brands Hatch. Der Typ 2F war über die Saison der schnellste Prototyp, scheiterte meist an der zu schwachen Kraftübertragung. Mit dem Ende der „offenen“ Prototypen-Klasse – ab 1968 galt eine Hubraumbegrenzung – schloss Hill seine grandiose Sportwagen-Karriere standesgemäß mit einem Sieg ab – einen schöneren Abschluss kann man sich nicht wünschen.

Chaparral 2F, Targa Florio 1967, Phil Hill-Spence (Modell von Thundersport, Marsh Models)

Chaparral 2F, Le Mans 1967, Phil Hill-Spence, Modell von Minichamps

Resümee: In Erinnerung bleiben bei Phil Hill aber nicht nur seine Erfolge auf der Rennstrecke, sondern auch seine Zurückhaltung und Bescheidenheit, ganz untypisch nach unseren Vorstellungen eines Amerikaners. Bezeichnend ist dabei sein eigenes Zitat: „I don´t want to be the big hero. I am a peaceful man, nothing more.“ (siehe folgende Quellen-Liste)

In einer Übersicht ist Hills Rennhistorie in den Jahren 1950 bis 1967 zusammengestellt worden. Die 13 wichtigsten Sportwagen seiner Karriere und Modelle in 1/43 wurden außerdem in einer Tabelle aufgeführt.

Quellen

Quelle für die Phil Hill-Zitate: Artikel „Who was Phil Hill“, auf der ACO-Webseite „24h-lemans“ vom 02.09. 2024

Automobile Club de l´Ouest (Hrsg.), 24 Stunden von Le Mans, Die offizielle Chronik des berühmtesten Langstreckenrennens (2 Bände), Heel, 2010  /   Warren W. Fitzgerald, Richard F. Merritt, Jonathan Thompson, Ferrari – The Sports and Gran Turismo Cars, CBS Publications, 3rd Edition, o. O. 1976  /  Mike Lawrence, Directory of Classic Sportsracing Cars, Aston Publications, 1988  /   Christian Moity, The Le Mans 24-Hour Race 1949-1973, Edita Lausanne, 1974  /  Daryl E. Murphy, Carrera Panamericana – History of the Mexican Road Race 1950-1954, Motorbooks International, 1993  /  Paul Parker, Sportscar Racing in Camera 1950-1959, Haynes Publishing, 2010  /  Paul Parker, Sportscar Racing in Camera 1960-1969, Haynes Publ., 2008  /  Dominique Pascal, Ferraris at Le Mans, Haynes Publ., Sparkford 1986  /  Antoine Prunet, Ferrari Sport- und Rennwagen Prototypen, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1983  /  Michael L. Shoen, The Cobra-Ferrari Wars 1963-1965, CFW, Vancouver, Washington 1988  /  Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1960-69, Haynes Publ., Sparkford 2010  /  Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1949-59, Haynes Publ., Sparkford 2011  /  Janos Wimpffen, Open Roads & Front Engines, David Bull, 2005

Weitere Buchquellen: siehe Link in der Rubrik „Über diese Seite“ (Titelblatt)

Internet-Webseiten, u.a.: wikipedia, racingsportscars

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