Im Rahmen des statistischen Streifzugs durch die Le Mans-Geschichte (siehe Bericht) wurde dieses Thema schon einmal kurz angesprochen: Es geht um den äußerst exklusiven Club identischer Fahrzeuge, die (mindestens) zweimal in Le Mans gewonnen haben.
Die Regeln sind streng: Diese Fahrzeuge sind in Bezug auf Karosserie, Antriebsstrang (Motor/Getriebe) und Namensgebung weitestgehend gleich und – entscheidend – sie haben dieselbe Chassis-Nummer. Sie sind eben nicht nur „gleich“ (mit unterschiedlichen Chassis-Nummern), sondern „identisch“. Die Liste ist kurz, sie besteht in der knapp 100jährigen Geschichte des Rennens (bis 2021) aus nur vier Fahrzeugen: Bentley Speed Six, LB2332 / Ford GT 40, 1075 / Joest Porsche 956, 956-117 / Joest TWR Porsche, 001.
Bei anderen „Seriensiegern“ ist dieser spezielle Fall nach meiner Recherche sehr unwahrscheinlich. Die Audi R8-Le Mans-Sieger hatten alle unterschiedliche Chassis-Nummern, ebenso die drei Audi R10. Sehr wahrscheinlich waren auch die jüngeren Seriensieger 2011-2021 (Audi, Porsche und Toyota) jährlich mit neuen Fahrzeugen am Start, und die Alfa Romeo 8C der Jahre 1931 bis 1934 waren ebenfalls wohl jeweils unterschiedliche Fahrzeuge.
Jeder der vier hier genannten Fälle stellt dabei nicht nur eine statistische Besonderheit dar, hinter jedem Fall verbergen sich auch bemerkenswerte Hintergrund-Geschichten. Und natürlich werden die passenden 1:43-Modelle dieser „Doppelsieger“ genannt und z.T. vorgestellt.
(a) 1929/1930: Multimillionär Woolf Barnato startet dreimal in Le Mans und gewinnt alle drei Rennen mit Bentley, Sieg Nr. 2 und Nr. 3 mit dem Speed Six LB2332 „Old Number One“.
(b) 1968/1969: Mit dem Ford GT40 Nr. 1075 gewinnt ein Auto, das auf eine fünf Jahre alte Konstruktion zurückgeht, in den berühmten Gulf-Farben zweimal in Le Mans: 1969 mit gut 100 Metern Vorsprung vor dem Porsche 908 – die bis heute knappste Entscheidung in Le Mans.
(c) 1984/1985: Der erfolgreichste aller privat eingesetzten Porsche 956 (Joest Racing, 956B Nr. 117) gewinnt zweimal hintereinander in Le Mans und scheitert 1986 nur knapp am einmaligen Hattrick für den 956B und Klaus Ludwig.
(d) 1996/1997: Zwei Le Mans-Siege in Folge erzielt der von Joest Racing eingesetzte offene LMP1-Sportwagen, dessen Chassis „001“ schon die Basis für den Jaguar XJR-14, Weltmeister von 1991, und den geplanten Porsche-Werkseinsatz in Daytona/Sebring 1995 bildete. Tom Kristensen holt sich damit 1997 seinen ersten Le Mans-Sieg.
Teil (1) dieses Berichts befasst sich mit dem Bentley (a) und dem Ford (b), Teil (2) danach mit den beiden Porsche-Doppelsiegern (c), (d).
Teil (1) Bentley Speed Six und Ford GT40
(a) Bentley: Zwei Siege in Folge durch „Old Number One“ LB2332
„One of the saddest things about the Criclewood-built Bentley … was its short life span of a mere 12 years … Yet no marque packed more adventure into its career.“ (Cyril Posthumus, Classic Sports Cars, Hamlyn Publ., London u.a., 1980, S. 22)
Fragt man nach dem Ursprung der immensen Bedeutung der jährlichen Rennwoche in Le Mans für die Petrolheads von der Insel, fallen zwangsläufig zwei Namen: Bentley und Jaguar. Beide Nobelmarken prägten mit ihren Erfolgen die Rennen an der Sarthe in den 1920er und 1950er Jahren.
Die Le Mans-Geschichte der Bentleys in der Zeit ihrer Unabhängigkeit von Rolls-Royce (bis 1930), als sie in Cricklewood bei London produziert wurden, kann man in zwei Kapiteln erzählen: (1) Prolog, 1923-1926, viermal in Le Mans, ein Gesamtsieg (1924), und (2) Glanzzeit, 1927-1930, viermal in Le Mans, vier Siege. Die Jahre 1927 bis 1930 waren geprägt von den „Bentley Boys“: Ohne die wunderbaren Sportwagen von W. O. Bentley hätte es die Bentley Boys nicht gegeben, aber – umgekehrt: Ohne diese schillernden Persönlichkeiten, überwiegend Amateure alter Schule, Sportsleute, zum Teil immens vermögende „Playboys“, und ohne die Geschichten hinter ihren Einsätzen im Bentley Team, würde ein Teil der faszinierenden Le Mans-Historie fehlen.
1919 gründete Walter Owen Bentley seine Firma, der Prototyp eines 3 Liter-4 Zylinder-Sportwagens, konstruiert von Bentley und F. T. Burgess, wurde bei der Londoner Olympia Motor Show 1919 vorgestellt, der Verkauf begann 1921. Schon der erste Bentley hatte einen Hochleistungsmotor mit obenliegender Nockenwelle, vier Ventilen pro Zylinder, Doppelzündung und Trockensumpfschmierung. Erste Rennen folgten 1922 in Brooklands und bei der Tourist Trophy. 1923 meldete der Londoner Bentley-Händler John Duff seinen 3 Litre zum ersten 24 Stundenrennen von Le Mans 1923. Der Bentley war das einzige britische Fahrzeug unter französischen und zwei belgischen Mitbewerbern, und Duff belegte zusammen mit Frank Clement Platz vier in der damals noch inoffiziellen Distanzwertung. Im folgenden Jahr gewann ein 3 Litre wiederum mit Duff und Clement am Steuer diese Distanzwertung gegen rein französische Konkurrenz.
Ab 1925 folgten dann regelmäßige Werkseinsätze des Bentley Teams, und die Motoren wuchsen in diesen Jahren von 3 Litern über 4,4 Liter auf 6,6 Liter und von vier auf sechs Zylinder. Höhepunkt der Reihe war der „Speed Six“. Der Speed Six mit der Chassis-Nummer LB2332 (Reg.-Nr. MT3464) gewann zweimal in Folge, 1929 mit Woolf Barnato und Tim Birkin und 1930 wiederum mit Barnato und Glen Kidston. Es waren vermutlich bis heute die Le Mans-Sieger mit den größten Finanzvermögen. Ende 1930 zog Chairman Woolf Barnato sein Geld aus dem Geschäft und Bentley wurde von Rolls Royce übernommen.
Der Speed Six LB2332 war der erste „Le Mans Special“, der aus dem 1926 vorgestellten Sechszylinder-Tourenwagen „6½ Litre“ entstand. Er wurde Ende 1928 vorgestellt und 1929 in Langstreckenrennen erfolgreich eingesetzt, mit Siegen in Le Mans und Brooklands (6 Hours). Le Mans litt 1929 unter einem zahlenmäßig schwachen Teilnehmerfeld: Nur zehn der 25 Fahrzeuge erreichten das Ziel, und vier der fünf Bentleys besetzten die ersten vier Plätze vor den amerikanischen Stutz und Chrysler. Bentley setzte neben dem siegreichen Speed Six vier weitere Vierzylinder (4½ Litre) ein, den Sechszylinder fuhren mit Barnato der Vorjahressieger und mit Birkin der schnellste der „Bentley Boys“.
1930 waren sogar nur 17 Autos am Start, neun kamen in Wertung ins Ziel, die Weltwirtschaftskrise hinterließ auch in Le Mans ihre Spuren. Trotzdem starteten gleich drei Speed Six in Le Mans. Der Vorjahreswagen LB2332 wurde nun „Old Number One“ getauft (die beiden anderen hatten die Fg-Nummern HM2868 und HM2869), und hinzu kamen zwei der legendären 4½ Litre „Blower“, die aber nicht als Bentley-Werkswagen starteten und das Ziel nicht erreichten. Old Number One gewann in dem Jahr erneut in Le Mans mit Barnato und Kidston als Piloten, nun allerdings gegen einen starken Konkurrenten, denn der Mercedes-Benz SS mit Caracciola und Werner war bis zu seinem Ausfall nachts um 2 Uhr ein gleichwertiger Gegner, die Stuttgarter hatten allerdings nur diesen einen Pfeil im Köcher. Danach hatten die zwei verbliebenen Speed Six leichtes Spiel, und Bentley holte sich den vierten Le Mans-Sieg in Folge.
Ein Wort zu Woolf Barnato (1895-1948) – sicher der wichtigste „Bentley Boy“, ein extrem vermögender Erbe (Diamanten- und Goldminen in Südafrika) und Garant für den Fortbestand der chronisch klammen Firma, zumindest bis 1930. Er war der erfolgreichste Endurance-Pilot unter den Bentley Boys: Drei Le Mans-Einsätze 1928-1930, drei Siege – eine Quote, die bis heute (2021) kein anderer Dreifach- oder Mehrfachsieger in Le Mans geschafft hat. Mitte der 1920er Jahre rettete er Bentley Motors mit seinem Vermögen, wurde Eigner und Chairman, W. O. Bentley war nun quasi sein Angestellter.
Einige Daten zum Werks-Speed Six: Sechszylinder-Reihenmotor vorn (Grauguss), eine obenliegende Nockenwelle, Doppelzündung, Trockensumpfschmierung, 4 Ventile pro Zylinder, 2 Vergaser, Bohrung x Hub 100x140mm, 6597 ccm Hubraum, knapp 200 PS (3500 U/min). Leiterrahmen (Stahl), Starrachsen vorn und hinten, Radstand 3,35m, Felgen: 21 Zoll, Karosserie (Holzverbund) von Vanden Plas, Spitze ca. 190 km/h. Alle drei Werks-Speed Six existieren heute noch.
Neben den Werkswagen gab es auch Speed Six-Rennsportwagen für Privateinsätze, die Unterschiede sind eher technischer und nicht optischer Art. Die Werks-Speed Six, die in Brooklands und Le Mans eingesetzt wurden, unterschieden sich optisch vor allem dadurch, dass sie in Brooklands gemäß Vorschrift eine Auspuffanlage mit Schalldämpfer haben mussten, in Le Mans fehlte dieser. Der Le Mans-Wagen von 1929 kann von den 1930er Speed Six am besten anhand der vorderen Kotflügel unterschieden werden: Sie hatten 1929 eine geschwungene Linie, 1930 waren sie einfach an die Form der Räder angepasst.
Modelle in 1:43 (Stand 2021)
Für beide Speed Six Le Mans-Sieger stehen mehrere Diecast-/Resincast-Modelle und Kleinserien-Modelle bereit. Brumm und IXO liefern Diecast-Modelle, Spark kam nun auch mit Resincast-Modellen hinzu. Die Kleinserien-Modelle von MCM, SMTS und Starter kamen als Bausätze, aber auch als Fertigmodelle in den Handel. Alle drei Modelle, bei denen MCM wohl die beste Wahl darstellt, sind allerdings älter und mittlerweile nur noch schwer zu bekommen. Den 1930er Speed Six gab es übrigens in den 1970er Jahren bereits als Metallbausatz von John Day.
Hier sind die folgenden Modelle abgebildet: Sieger 1929 von Spark und IXO, Sieger 1930 von SMTS (Metallbausatz). Alle drei Modelle treffen den Maßstab gemessen am Radstand recht gut: Er müsste bei einem Original-Radstand von 3,35m etwa 7,8cm betragen, bei den Modellen sind es 7,6cm (Spark, IXO) bzw. 7,7cm (SMTS). Das Spark-Modell ist aufgrund des Resine-Gusses und der vielen Anbauteile filigraner als das Diecast-Modell von IXO, aber die Proportionen stimmen bei beiden Modellen, und die Speichenräder sind bei beiden gut gelungen. Das IXO-Modell steht allerdings recht hochbeinig da, auf den Bildern hier wurde die klassische Methode des „Tieferlegens“ angewandt. Beim Vergleich muss immer beachtet werden, dass das Spark-Modell deutlich teurer als IXO ist. Das SMTS-Modell unterscheidet sich von Spark und IXO dadurch, dass die Karosserie etwas kompakter ist als die recht schlanken Aufbauten der beiden Konkurrenten, der Speed Six wirkt so kraftvoller.
Quellen: Webseiten „racingsportscars“, „supercars“, „ultimatecarpage“ (zu den Originalfahrzeugen) und „lm24database“ (zu den 1:43-Modellen);
Bücher u.a.: Cyril Posthumus, Classic Sports Cars, Hamlyn, 1980; Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1930-39, Evro Publ., Sherborne, 2017.
(b) Ford GT40: Zwei Siege in Folge für die Nr. 1075 in den berühmten Gulf-Farben
1967 – beim 1000 km Rennen von Spa am 1. Mai liefert ein junger Belgier, gerade 22 Jahre alt, der Rennsport-Welt einen ersten eindrucksvollen Beweis seiner Weltklasse: Jacky Ickx kommt mit mehreren 100 Metern Vorsprung aus der ersten Runde des anspruchsvollen und mal wieder regennassen Ardennenkurses. Sein Mirage M1, ausgestattet mit einem 5,7 Liter-Ford V8, fährt gerade sein zweites Rennen nach der Premiere in Monza, und die hochkarätige Konkurrenz, Chaparral 2F, Ferrari P4 und 412P, Lola T70, Ford GT40 und Porsche 910, hat keine Chance gegen das Naturtalent. Am Ende sitzt Ickx vier der fünf Stunden am Steuer, nur kurz abgelöst von Dick Thompson, und gewinnt überlegen sein Heimrennen mit einem Fahrzeug, das nach seinem Umbau am Ende der Saison in den beiden folgenden Jahren 1968/69 als GT40 Nr. 1075 noch Renngeschichte schreiben wird.
Doch der Reihe nach: John Wyer, 1950 bis 1963 legendärer Rennleiter bei Aston Martin, war 1963/64 im Rahmen der Organisation „FAV“ (Ford Advanced Vehicles) ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung des Ford GT40 mit dem Ziel, Ferraris Dominanz bei den Prototypen und speziell in Le Mans zu brechen. Nach den missglückten Renneinsätzen 1964 der noch unausgereiften Neukonstruktion änderte Ford (USA) seine Strategie und setzte auf den Big Block (7 Liter-V8) und auf US-Einsatzteams (Shelby American und Holman&Moody). Wyer musste sich zunächst noch um die Straßenversion des GT40 kümmern, danach hatte er freie Hand, seine Idee eines optimierten GT40 mit dem kleineren V8 („Small Block“) zu realisieren. Er tat sich mit Rennstallbesitzer und Pilot John Willment zusammen, und beide gründeten Ende 1966 gemeinsam den Rennstall „JWA“ (J. W. Automotive Engineering), wobei die Initialen JW auf beide Gründer hinweisen.
Im Verlauf des Jahres 1966 entstanden außerdem Kontakte zu Grady Davis, Vizepräsident der Gulf Oil Corporation. Damit waren der finanzielle Hintergrund für den Einsatz eines runderneuerten GT40 in der Saison 1967 und der Grundstein für die bis heute legendären Gulf-Farben gelegt. Über den Winter 1966/67 entwickelte Konstrukteur Len Bailey das auf den Namen „Mirage“ getaufte neue Modell auf Basis des GT40-Chassis (dem Vorschlag, das Auto „Williwyer“ zu nennen, wurde erfreulicherweise nicht gefolgt). Beim Mirage M1 wurden die ab 1966 gelockerten FIA- (bzw. CSI-) Bestimmungen zu den Cockpit-Abmessungen genutzt: Das Auto war deutlich leichter und aerodynamisch günstiger als der GT40, zudem stand neben dem auf 5 Liter vergrößerten und optimierten Small Block-V8 auch ein von Holman&Moody vorbereiteter 5,7 Liter-V8 zur Verfügung. So entstanden drei Fahrzeuge (1001, 1002, 1003), deren WM-Resultate gemäß FIA-Entscheidung nicht Ford zugestanden wurden – Mirage galt also als eigenständige Marke (siehe dazu Anmerkungen am Ende dieses Berichts). Renndebut war im April in Monza, weitere WM-Starts folgten in Spa, am Nürburgring, in Le Mans und in Brands Hatch – in Monza, Spa und Le Mans waren zwei Autos am Start, sonst nur eins.
Anmerkung: Die Rennpremiere des JWA-Teams fand allerdings bereits am Jahresbeginn 1967 in Daytona und Sebring statt, da aber noch nicht mit dem Mirage, sondern mit einem GT40 im Privatbesitz von Gulf-Chef Davis (Chassis 1049), der in Daytona mit Ickx und Thompson immerhin Platz 6 erreichte. Er war noch in den Gulf-Originalfarben dunkelblau und orange lackiert und ist mittlerweile auch als bildschönes Modell von Spark erhältlich (Ein ausführlicher Bericht vom 1. 4. 2021 zu diesem Fahrzeug und dem Spark-Modell steht auf der „auto-und-modell“-Webseite).
Hier geht es aber um den Mirage Nr. 1003, den Sieger von Spa. Nach dem Erfolg in Belgien fiel das Auto am Nürburgring, in Le Mans und Brands Hatch aus, aber in der „Nachsaison“ schafften Ickx und Hawkins damit noch einen Endurance-Sieg in Montlhéry bei den 1000 km von Paris.
Der zweite Teil der Geschichte dieses Fahrzeugs begann mit einer Reglementänderung der FIA-Sportbehörde CSI (Commission Sportive Internationale). Mitten in der Saison 1967, wenige Tage nach dem Rennen in Le Mans, versuchte man mit einer ab 1968 geltenden Hubraumbegrenzung für Prototypen auf 3 Liter den dramatisch gestiegenen Geschwindigkeiten entgegen zu wirken. Für die von privaten Rennställen eingesetzten älteren Sportwagen wurde als Ausnahme eine 5-Liter-Sportwagenklasse eingerichtet, um die Privatteams im Championat zu halten. Zur Zulassung als Sportwagen mussten 50 Exemplare eines Typs existieren – das wurde beim Ford GT40 akzeptiert. Anders als bei Ferrari und Chaparral oder bei den Big Block-Fords war das John Wyer Team dafür bestens vorbereitet: Zwei der Mirage M1 wurden auf den GT40-Standard „zurückgebaut“, aus der Nr. 1002 wurde der GT40 Nr. 1074 und aus der 1003 der GT40 Nr. 1075, um den es hier geht. 1968/69 kamen bei JWA noch zwei weitere Original-GT40 zum Einsatz (Nr. 1084 im Jahr 1968 und Nr. 1076 im folgenden Jahr). Alle JWA-GT40 fuhren in den Gulf-Farben und mit dem 5,0 Liter-V8, der nun bereits deutlich über 400 PS Leistung entfaltete. Es waren die schnellsten und am besten vorbereiteten GT40 in der Geschichte dieser Sportwagen-Ikone.
Anmerkung: Der erste Mirage, Nr. 1001, wurde nicht umgebaut und fuhr 1968/69 noch einige Rennen außerhalb des FIA-Reglements. Er gewann z.B. zweimal hintereinander bei den 9 Stunden von Kyalami, 1968 mit Ickx und Redman und 1969 mit Ickx und Hobbs.
Mit Beginn der europäischen WM-Saison 1968 waren die JWA-GT40 soweit aussortiert, dass sie die Dreiliter-Prototypen zumindest auf schnellen Kursen schlagen konnten, zumal Wyers Nr. 1 mit Ickx und Redman hervorragend besetzt war. Einziger ernst zu nehmender Konkurrent war Porsche mit den 907 und 908 Prototypen, die am Ende fünf der zehn WM-Läufe für sich entscheiden konnten. Vor dem Saisonabschluss in Le Mans (1968 erst im September aufgrund der Unruhen in Paris im Mai/Juni) hatte das JWA-Team vier Siege auf dem Konto, drei davon mit der Nr. 1075. Le Mans musste die Entscheidung über die WM bringen, und ausgerechnet dort konnte John Wyer nicht auf sein Star-Team zählen, da sich sowohl Ickx als auch Redman in vorangegangenen Formel 1-Rennen verletzt hatten. So bekam der ebenso brillante Pedro Rodriguez, Le Mans-Stammgast seit 1958, die Chance, den Klassiker zusammen mit Lucien Bianchi zu gewinnen, was ihm zuvor und in den folgenden Jahren mit hochklassigen Sportwagen (Ferrari, Porsche 917) verwehrt blieb. Nach diversen technischen Problemen der eigentlich schnelleren Porsche 908 Langhecks fiel der Sieg des GT40 Nr. 1075 deutlich aus. Am Ende der Saison gehörte Ickx nun zusammen mit Siffert, Elford und Rodriguez zur Spitzenklasse der Endurance-Szene.
1969 änderte sich das Reglement bei den 3-Liter-Prototypen (günstigere Cockpit- und Frontscheiben-Abmessungen) und bei der Zulassung der 5-Liter-Sportwagen (25 statt 50 Fahrzeuge). Die Prototypen, allen voran Porsche (908), aber auch Ferrari (312P) oder Matra (630, 650), galten nun endgültig als Anwärter auf WM-Siege, dem Ford GT40 – weitgehend unverändert gegenüber 1968 – wurden kaum noch Chancen zugebilligt. Dieser Einschätzung folgte sogar das JWA-Team selbst und entwickelte als Nachfolger den Mirage M2-Prototyp mit einem BRM-V12 Motor aus der Formel 1.
Für die beiden US-Klassiker zu Saisonbeginn (Daytona, Sebring) mussten aber noch einmal die beiden alten GT40 herhalten, und in Sebring ließ der GT40 Nr. 1075 das Team nicht im Stich: Ickx und Jacky Oliver gewannen das Rennen gegen die Ferrari- und Porsche-Prototypen. Im Juni folgte dann der letzte Wyer-Einsatz der GT40 in Le Mans, und es wurde zu einem Jahrhundert-Rennen der Le Mans-Geschichte, mit dem bisher knappsten Resultat zwischen zwei Herstellern nach einem über drei Stunden anhaltenden Schlussduell zwischen dem Ford Nr. 1075 und dem letzten verbliebenen Werks-Porsche. Am Ende kämpfte Jacky Ickx, einer der drei damals besten F1-Piloten, mit einem immer noch intakten Oldtimer, allerdings im Zweifel, ob der Sprit für die letzte entscheidende Runde reichen würde. Ickx gegen den Routinier Hans Herrmann, der mit dem 908 Langheck mit gebremstem Schaum fahren musste, da der Motor bereits etwas angeschlagen war und die Bremskontroll-Leuchte einen Defekt anzeigte – was sich nach dem Rennen als Falschmeldung herausstellte. Ickx und Jacky Oliver jedenfalls bescherten der Nr. 1075 den zweiten Le Mans-Sieg in Folge und den siebten Sieg genau dieses Autos als GT40 oder Mirage M1 in einem WM-Rennen der Jahre 1967 bis 1969.
Anmerkung zum Ausgang der Weltmeisterschaft 1967 (Championat für Sport-Prototypen): Im Zusammenhang mit dem Sieg des Mirage M1 in Spa werden in diversen Quellen zwei Themen diskutiert – (1) Welche Auswirkungen auf den Ausgang der WM hätte es gehabt, wenn Ford durchgesetzt hätte, dass der Mirage als „Ford“ gewertet wird, und (2) Welche Konsequenzen hätte eine Bestrafung des Mirage-Teams für die Überschreitung der maximalen Fahrtzeit von Ickx beim ersten Stint für den WM-Ausgang gehabt? Die offizielle Wertung ergab 1967 folgendes: Ferrari 34 Pkt. vor Porsche 32 Pkt. und Ford 22 Pkt. Hätte der Mirage-Sieg für Ford gezählt, wären die Punkte wie folgt verteilt: Ferrari 34 Pkt., Porsche 32 Pkt., Ford 30 Pkt. – weiterhin ginge der Titel an Ferrari. Wäre der Mirage wegen der Zeitüberschreitung disqualifiziert worden, hätte es folgende Punktzahlen gegeben: Ferrari 36, Porsche 35, Ford 23, Titel also auch hier an Ferrari. Auch eine mögliche Strafe von einer Runde wird in den Quellen erwähnt. Dann wäre der Titel nur dann an Porsche gegangen, wenn der Mirage dadurch zwischen dem Porsche (als Sieger) und dem Ferrari (Dritter) platziert worden wäre, wobei die Beiden am Ziel allerdings nur 24 Sekunden auseinander lagen – also eine wenig wahrscheinliche Variante. Die Fairness von Porsche-Rennleiter von Hanstein, nicht gegen den Mirage zu protestieren, hätte Porsche also nur in diesem speziellen Fall den WM-Titel gekostet – und darüber hat von Hanstein in dem Moment sicher nicht nachgedacht.
Modelle in 1:43 (Stand 2021): Nur wenige Jahre nach den herausragenden Langstrecken-Meisterschaften der Epoche 1966-1971 führte eine Vielzahl neuer kleiner Hersteller von 1:43-Bausätzen in Kleinserie zu einer großen Auswahl von Modellen der berühmten Prototypen, die in Le Mans und auf anderen klassischen Endurance-Strecken zu sehen waren. Seitdem wurde eine Fülle von 1:43-Modellen des Gulf Ford GT40 produziert, angefangen mit John Day, Grand Prix Models, Tenariv oder Record (MRF) und mit Diecast-Modellen von Bang oder Jouef (bei dem die Heckhaube geöffnet und die gesamte Antriebseinheit freigelegt werden konnte), bis zum aktuellen Resincast-Modell von Spark.
Das Spark-Modell ist in jedem Fall dem hier abgebildete Modell von IXO vorzuziehen, auch wenn es teurer ist. Der IXO-GT40 ist deutlich zu breit. Das Original hatte eine Breite von 1,905m (gemessen an den hinteren Kotflügeln). Das Spark-Modell ist hier korrekt, das IXO-Modell ist dagegen hochgerechnet (Maßstab 1:43) um fast 10cm zu breit geraten (in 1:43 sind das ca. 2mm), das ist dann auch mit bloßem Auge sichtbar.
Beim Mirage M1 war das Angebot etwas dünner, aber auch hier hat man die Wahl zwischen Resincast und Bausätzen. Hier ein Überblick:
GT40, Le Mans Sieger 1968 und 1969), Diecast- und Resincast-Modelle: Spark, IXO/Altaya, Bang, Eagles Race, Universal Hobbies, Jouef / Bausätze und Kleinserie: Marsh Models, SMTS, Starter, Record (MRF), Tenariv, Grand Prix Models, John Day. Ich würde Spark bei den Resincast-Modellen und Marsh Models bei den Kleinserien an die jeweils erste Stelle setzen.
Mirage M1 1967, Resincast-Modelle: Spark und (davor) Bizarre / Bausätze und Kleinserie: Marsh Models, Tenariv, Record (MRF), John Day.
Eine Modellvorstellung des Spark-Mirage M1 (Sieger von Spa 1967) findet man auf der „auto-und-modell“-Webseite, Bericht vom April 2020. Die in Le Mans 1967 eingesetzten Mirage sind bisher (2021) nur von Bizarre produziert worden, dürften aber demnächst auch von Spark erhältlich sein. Das Spark-Modell des Gulf GT40 von 1968 wurde auf der genannten Webseite bereits im April 2012 vorgestellt.
Quellen: Webseiten „racingsportscars“, „ultimatecarpage“ (zu den Originalfahrzeugen) und „lm24database“ (zu den 1:43-Modellen);
Bücher u.a.: Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1960-69, Haynes Publ., Sparkford 2010 / Paul Parker, Sportscar Racing in Camera 1960-1969, Haynes Publ., 2008 / Paul Parker, Sportscar Racing in Camera 1960-1969, Volume Two, Behemoth Publ., 2016.
Journal-Bericht in „Automobilsport“ 04/2020, Mirage-Sportwagenerfolge 1967 bis 1982
Teil (2) Joest Porsche 956-117 und Joest TWR Porsche 001
Teil (2) kann hier aufgerufen werden.