Bericht von 2016
Die Endurance-Welt 2016 und der Jahreshöhepunkt Le Mans waren durch den scheinbaren Widerspruch „Kontinuität und Wandel“ bestimmt: Die Kontinuität betraf Audis anhaltende Dominanz, die nach fünf erfolgreichen Jahren fortgesetzt wurde, und der Wandel stand für Audis Wechsel vom R8 zum R10, vom Benzin- zum Dieselmotor. Am Ende der Saison war die im Rennsport bislang nur sporadisch und wenig erfolgreich eingesetzte Dieseltechnologie für die wichtigsten Endurance-Erfolge der Saison verantwortlich: Der neue R10TDI siegte bei der Premiere im März in Sebring, dann in Le Mans und später noch beim dritten Langstrecken-Klassiker des Jahres, dem „Petit Le Mans“ in Atlanta (USA). Daneben war der R10 das erfolgreichste Fahrzeug der American Le Mans Serie (ALMS).
In der europäischen Endurance-Saison (Le Mans Series, „LMS“) ging Audi dagegen nicht an den Start, hier dominierte der Pescarolo Judd C60: Er gewann alle sechs LMS-Rennen, darunter die Generalprobe für Le Mans in Spa. So waren die Rollen für Le Mans verteilt: Der neue Diesel-Audi kam mit der Empfehlung des Premierensiegs in Sebring an die Sarthe, hatte aber die erste Prüfung rund um die Uhr noch vor sich. Und das Team um Henri Pescarolo – in Le Mans 2005 noch knapp dem „alten“ Audi R8 unterlegen – übernahm die Rolle des lokalen Herausforderers. Der schnellste LMP der europäischen Serie bestach durch Standfestigkeit, Speed und professionellen Einsatz, und er hatte zudem Heimvorteil und die Sympathie vieler – nicht nur französischer – Zuschauer auf seiner Seite. Alle anderen LMP-Konkurrenten um den Gesamtsieg, Lola, Courage, Dome, Zytek oder Creation, hatten wohl nur Außenseiterchancen.
Neben dem LMP-Wettbewerb um den Gesamtsieg stand außerdem das GT1-Duell Corvette (C6R) gegen Aston Martin (DBR9) auf dem Speisezettel. Im Vorjahr waren die Amerikaner in Le Mans trotz schnellster Trainingszeit des neuen DBR9 noch siegreich, dasselbe Resultat lieferte Sebring 2006. So waren wir gespannt, ob dem britischen ProDrive-Team mit den vielsagenden Startnummern 007 und 009 die Revanche gelingen könnte. Und in der GT2-Kategorie vertraute man der bewährten Porsche 911 GT3-Armada diverser renommierter Teams.
So war das Minerva-Team, das sich im Juni 2006 mit dem Wohnmobil auf den Weg nach Le Mans machte, mit der Frage beschäftigt, ob man am Ende den ersten großen Rennerfolg eines Diesels oder den in Frankreich lang ersehnten Gesamtsieg des tapferen Henri feiern würde. HH und HP bildeten die Stammbesetzung, ergänzt um MB, und mit einem zweiten WoMo kamen MS und erstmals MG hinzu. Für unseren Le Mans-Experten HP war es die letzte Minerva-Fahrt – er verstarb Anfang 2010, und bei unserem nächsten Le Mans-Besuch, der aus verschiedenen Gründen erst 2010 stattfinden sollte, wurde er schmerzlich vermisst.
In schöner Gewohnheit gestalteten sich unsere Tage bis zum Rennstart auf ähnliche Weise wie bei unseren vorangegangenen Le Mans-Besuchen (siehe z.B. Berichte 2002 und 2004): Anreise am Wochenende vor der „Rennwoche“, Tickets beim ACO Welcome Center abholen, Campingplatz „Bleu Nord“ beziehen (damals noch ohne Platzreservierung), erste Fahrt in die Stadt zum zweiten Tag der technischen Abnahme, erster Gang durch die Boxengasse. Dann die Trainingssitzungen am Mittwoch und Donnerstag: Wir saßen z.T. auf der ACO-Pressetribüne, da wir durch eine spezielle Clubmitgliedschaft freien Zugang zu einigen Einrichtungen hatten. Ansonsten nutzten wir wie gewohnt den freien Tribünenzugang während der Trainingssitzungen. Freitag dann nochmal in die Stadt, Besuch des Modell-Ladens von Manou (der seit 2016 leider nicht mehr existiert), Fahrerparade und zum Abschluss ein schönes Abendessen in der historischen Altstadt. 2006 musste man noch mit dem normalen Stadtbus fahren – das war kein Vergnügen, denn die gesamte Strecke in die Innenstadt war eine einzige Baustelle: Man baute an der Stadtbahn, die dann zum Rennen 2008 fertig war und fortan gute Dienste leistet.
Beim Trainingsduell zwischen Audi und Pescarolo ging es am Mittwoch noch sehr knapp zu, die Franzosen sicherten sich die Wertung des ersten Tages. Audi konterte dann am Donnerstag und war am Ende pro Runde zwei Sekunden schneller als die beiden Pescarolo, außerdem konnte man im Rennen mit dem Dieseltank zwei Runden mehr fahren als die benzingetriebenen LMP. Trainingsschnellster in der GT1-Klasse war erneut der Aston Martin DBR9 (Nr. 007) vor der Corvette.
Das Rennen fand bei schönem Sommerwetter statt. Die letzten Stunden vor dem Start, dieses Mal erst um 17 Uhr, und die ersten Rennstunden verfolgten wir auf unseren reservierten Sitzplätzen der Boxentribüne („Stand“), danach gingen wir an die Rennstrecke zwischen den Porsche-Kurven und Tertre Rouge, Riesenradfahrt nach Mitternacht eingeschlossen.
Im Rennen waren die beiden neuen Audi R10 drückend überlegen, schneller, verbrauchsgünstiger und mit deutlich besserer Straßenlage als die Pescarolo und mit einer 2006 noch ungewohnten Geräuschentwicklung. Die flüsternden Selbstzünder waren so gar nicht nach dem Geschmack der Rennfans, die Judd-Saugmotoren der LMP-Konkurrenz boten eindeutig die bessere Akustik, von den Corvette- und Aston Martin-Motoren ganz zu schweigen. Andererseits: In der Tertre Rouge-Kurve, die zur Hunaudieres-Gerade führt, bekam man einen Eindruck von der überragenden Renneffizienz der Ingolstädter. Am Ende gewann dann – wie so oft in Le Mans – das Fahrzeug mit der geringsten Boxen-Standzeit, und das war dieses Mal nicht der höher eingeschätzte Kristensen-Audi, sondern der R10 mit Biela, Pirro und Werner. Pescarolo blieb der schwache Trost eines erneuten 2. Platzes hinter dem siegreichen Audi. Die GT1-Klasse ging nach großem Kampf über die gesamte Renndistanz an die Corvette mit Gavin, Beretta und Magnussen, der Aston DBR9 mit Lamy, Sarrazin und Ortelli fiel erst kurz vor Schluss entscheidend zurück. Die größte Überraschung des Rennen lieferte die GT2-Klasse: Hier konnte der Panoz Esperante eines britischen Privatteams alle Porsche GT3 in die Schranken weisen – ein orangeroter Farbtupfer unter den 22 Teilnehmern, die am Ende in Wertung ins Ziel kamen.
Wie schon bei unseren vorangegangenen Le Mans-Fahrten führte die Rückreise zunächst nach Chartres auf den schon bekannten schönen Campingplatz und am Montag dann zurück in den hohen Norden nach Kiel. Zusammen mit den französischen Zuschauern und vielen anderen Le Mans-Fans freuten wir uns schon jetzt auf die für 2007 angekündigten Duelle des Audi-Teams mit dem neuen Peugeot 908, ebenfalls mit Dieseltechnik: Zum ersten Mal seit dem Siegeszug der Turbo-Technik in den 1970er Jahren standen bei technischen Innovationen die Sportwagen und nicht die Formel 1 im Rampenlicht.
Le Mans 2006 – die Modelle in 1:43
Bei den Modellen in 1:43 gab es seit 2004 eine deutliche Trendwende: 2004 herrschte noch ein Gleichgewicht zwischen Großserienprodukten (Diecasts, Resincasts) und Kleinserienmodellen (Bausätze, handgebaute Modelle), nun schlug das Pendel eindeutig zugunsten der Resincast-Sparte aus. Spark gehörte nun endgültig zu den etablierten Großserien-Herstellern, und die Spark-Modelle waren meist etwas besser, aber auch etwas teurer als die Diecast-Konkurrenz von Minichamps oder IXO. Bei einigen LMP-Fahrzeugen trat daneben auch Ebbro als Anbieter auf.
Modellübersicht Le Mans 2006 (Stand 2016)
Die Fotos der Fahrzeuge in Le Mans habe ich bei unserem Besuch 2006 selbst geschossen. Die Fotos der 1:43-Modelle stammen aus der „Minerva“-Sammlung. Wer Fotos oder bewegte Bilder des Rennens sucht, dem sei das übliche ACO-Jahrbuch (Teissedre, Moity, 2006 Le Mans 24 Hours, Apach Publishing, 2006) zu empfehlen. Es gab auch wieder das Le Mans-Sonderheft des französischen Modell-Journals „Auto Modelisme“ mit mehreren Fotos von jedem teilnehmenden Fahrzeug, sowie eine Aufzeichnung vom Rennen auf DVD, Bezug z.B. über Duke Video.