Das Original
Ferrari begann seine Le Mans-Erfolgsgeschichte 1949 beim ersten Rennen nach dem Krieg mit einem Paukenschlag: Der 166 Mille Miglia mit seinem im Vergleich zur Konkurrenz kleinen, aber hoch gezüchteten 2-Liter-V12-Motor und einer ebenso attraktiven wie modernen offenen Barchetta-Karosserie gewann auf Anhieb gegen die französische und britische Konkurrenz, deren Technik meist noch auf die Vorkriegszeit zurückging. Über 23 Stunden am Steuer: Luigi Chinetti, gebürtiger Italiener, seit 1946 amerikanischer Staatsbürger. Nur für ca. 30 Minuten ließ er sich von Lord Selsdon alias Peter Mitchell-Thomson ablösen – das war damals noch erlaubt.
Zwei Jahre später, beim dritten Auftritt Ferraris in Le Mans, griff Maranello erstmals ins Regal mit großvolumigen Motoren: Der 1950 von Lampredi entwickelte 4,1 Liter-V12 des Typs „340 America“ galt mit seinen ca. 230 PS als einer der Favoriten auf den Gesamtsieg in Le Mans 1951, neben dem neuen Jaguar XK 120 C, dem Allard Cadillac und dem Vorjahressieger Talbot-Lago mit dem standfesten 4,5 Liter-Motor. Nicht ganz unberechtigt, hatte doch ein 340 America im Mai die Mille Miglia gewonnen. Vier 340 America, alle in privaten Händen, waren in Le Mans gemeldet, aber nur einer, die Nr. 15 mit Chinetti und Lucas am Volant, erreichte das Ziel auf einem mäßigen 8. Platz. Keiner der großen Ferrari konnte dem Rennen seinen Stempel aufdrücken. Am Ende gewann der moderne 3,4 Liter-Jaguar vor einem Talbot-Lago, der nach Vorkriegssitte noch mit separaten Kotflügeln („Cycle Wings“) antrat.
Trotzdem: Der 340 America war Ausgangspunkt einer überaus erfolgreichen Reihe üppig motorisierter V12-Ferrari Sportwagen der „Lampredi-Epoche“, die als 340 oder 375 Mille Miglia und zuletzt als 375 Plus die ersten beiden Sportwagen-Weltmeisterschaften 1953 und 1954 nach Maranello holten. Der 340 America ist also ein wichtiges Element einer Ferrari- oder Sportwagen-Modellsammlung der frühen 1950er Jahre. Leider wurde die 1951er Touring-Barchetta bislang in korrekter Form nur von Tron bzw. von der Tron-Serie „Glamour“ als Resine-Bausatz produziert. Das ist zwar schon einige Jahre her, die Bausätze sind aber heute (2013) im Handel oder über das Internet (Ebay) immer noch erhältlich.
Ferrari und Aurelio Lampredi
Im Jahr 1948 kam Aurelio Lampredi im Alter von 31 Jahren zu Ferrari als zweiter Chefingenieur neben Gioacchino Colombo, der 1947 den kleinen V12-Motor entwickelt hatte, angefangen mit 1,5 Litern Hubraum (1947), bis 1950 schrittweise vergrößert auf 2,2 Liter und später auf letztlich 3,3 Liter Hubraum im Ferrari 250 LM und 275 P von 1964. Lampredi entwickelte zunächst parallel zum kleinen Colombo-Motor einen größeren V12, der 1951 in der Formel 1 eingesetzt werden sollte – dort waren 4,5 Liter Hubraum (ohne Kompressor-Aufladung) erlaubt. Dieser große Lampredi-V12 eignete sich natürlich auch als Antriebsquelle der Ferrari-Sportwagen für ihren Einsatz in den klassischen Langstreckenrennen, aber auch für leistungsstarke Straßensportwagen. Ab 1950, nachdem Colombo Ferrari verlassen hatte, war Lampredi alleiniger Chefingenieur, allerdings wurden bei Ferrari beide V12-Motorlinien weiter entwickelt.
Im Mai 1950 kam der Lampredi-V12 erstmals im „275 S“ Sportwagen mit 3,3 Litern Hubraum bei der Mille Miglia zum Einsatz. Die beiden Touring-Barchettas mit Villoresi und Ascari am Steuer fielen allerdings aus. Im Oktober 1950 wurde dann der „340 America“ auf dem Pariser Autosalon als offener Barchetta-Zweisitzer von Touring vorgestellt und Privatiers zum Verkauf angeboten, insbesondere rennverrückten, reichen Amerikanern, die einen starken Hochleistungssportwagen für die Rennen im Rahmen des SCCA (Sports Car Club of America) suchten. Sie bevorzugten großvolumige Maschinen, weniger die kleinen Colombo-Motoren, der Name „America“ war für den 4,1 Liter-Ferrari also nicht zufällig gewählt.
Parallel zur Entwicklung des 4,5 Liter-Formel 1-Ferrari („375 F1“) für die Saison 1951 wurden mehrere 340 America für die großen Sportwagenrennen der neuen Saison vorbereitet. Dabei war es Anfang der 1950er Jahre durchaus üblich, die Fahrzeuge unter dem Namen von Privatiers zu melden, die z.T. auch wirklich die Eigentümer waren. Der 340 America erschien 1951 in offener Form als Barchetta oder als Berlinetta (Coupé) von Touring in Superleggera-Bauweise oder als Vignale-Berlinetta. Sein Debut gab er beim Giro di Sicilia am 1. April (Touring-Barchetta, Pilot Bracco, Nr. 54, ausgefallen), dann folgte als erster Saisonhöhepunkt die Mille Miglia. Dort waren vier 340 America am Start, hier tatsächlich als Werkswagen. Drei Touring-Barchetta fielen aus (Nr. 411, Vittorio Marzotto / Nr. 416, Ascari / Nr. 428, Serafini), den vierten 340 fuhr Villoresi: Die Vignale-Berlinetta (Nr. 405) gewann das Rennen – der erste und letztlich größte internationale Erfolg des 340 America.
In Le Mans waren wie gesagt ebenfalls vier 340 America am Start, hier privat gemeldet: Nr. 15 und 16 (Chinetti), Nr. 17 (Spear) und Nr. 18 (Hall), allesamt als offene Touring-Barchetta-Zweisitzer, allerdings mit kleinen Unterschieden: So hatte die Nr. 15 (Chinetti – Lucas) eine abweichende Form der Frontscheibe und einen zusätzlichen Lufteinlass über dem Kühlergrill. Wie bereits erwähnt, war das Resultat enttäuschend (8. Platz für die Nr. 15, Ausfall der drei weiteren Wagen).
340 America (1951): Aluminium-V12-Motor (Lampredi), Bohrung x Hub 70 x 68 mm = 4,1 Liter Hubraum, eine obenliegende Nockenwelle (OHC) pro Zylinderreihe, 3 Weber-Doppelvergaser, 220 PS (6000 /min) Anfangsleistung. Kastenrahmen, hinten Starrachse, Trommelbremsen, Radstand: 2,42m. Rennsportwagen mit Karosserie von Touring: 7 offene (Barchetta) und 2 geschlossene (Berlinetta) Fahrzeuge / Vignale: 5 offene und 5 geschlossene Fahrzeuge, dazu eine Handvoll Straßensportwagen.
Die Vignale-Barchettas kamen im folgenden Jahr 1952 zum Einsatz, und zum Jahresende wurden für die Carrera Panamericana Mexico drei „340 Mexico“ vorbereitet, mit stärkerem Motor (280 PS) und spezieller Vignale-Berlinetta-Karosserie mit längerem Radstand. Die großen Rennerfolge der Lampredi-Sportwagen folgten dann aber erst 1953 mit dem 340 Mille Miglia („MM“) sowie 1954 mit dem 375 MM und dem 375 Plus, am Ende mit satten 5 Litern Hubraum.
Ferrari und Luigi Chinetti (1901-1994)
Luigi Chinetti verließ seine faschistische Heimat Italien und ging in den 1920er Jahren nach Frankreich, blieb dort aber Alfa Romeo als Verkäufer, Mechaniker und Rennfahrer treu. 1932 startete er erstmals zusammen mit dem Franzosen Raymond Sommer, der den Alfa Romeo 8C 2300 für das Rennen in Le Mans gemeldet hatte, und gewann das Rennen auf Anhieb. 1933 verlor er dort zusammen mit Varent mit dem selbst gemeldeten Alfa 8C 2300 nur denkbar knapp gegen das gleiche Modell von Nuvolari und Sommer, im Ziel fehlten ihm 400 Meter. Später war er aber mit Chiron als Copilot bei den 24 Stunden von Spa erfolgreich, natürlich wieder mit dem Alfa Romeo 8C. Im folgenden Jahr 1934 wiederholte er dann zusammen mit dem Franzosen „Phi-Phi“ Etancelin auf dem Alfa Romeo 8C den Le Mans-Sieg von 1932. In den weiteren Jahren bis zum Krieg war er in Le Mans mit Alfa Romeo und später Talbot-Lago allerdings nicht mehr erfolgreich.
1940 blieb Chinetti nach einem Besuch der 500 Meilen von Indianapolis in den USA und wurde 1946 amerikanischer Staatsbürger. Durch seine bereits vor dem Krieg in der Alfa-Zeit entstandene Verbindung mit Enzo Ferrari war Chinetti einer der ersten, der die Neukonstruktionen Ferraris in den Rennen der frühen Nachkriegsjahre einsetzen durfte. Schon 1948 war er mit einem Ferrari 166 SC („Spider Corsa“) bei den 12 Stunden von Paris in Montlhery siegreich. Der noch mit den traditionellen separaten Kotflügeln ausgestattete 2 Liter-V12-Sportwagen war von ihm selbst gemeldet worden, ein Copilot kam dabei nicht zum Einsatz. In den Jahren 1948 bis 1951 gewann Chinetti mit Ferrari fünf internationale Endurance-Klassiker. Er war damit zusammen mit Clemente Biondetti, der zwischen 1947 und 1950 dreimal die Mille Miglia und zweimal die Targa Florio gewann, der erfolgreichste Sportwagen-Pilot dieser Zeit.
1948: 12 Stunden von Paris, Ferrari 166 SC (Alleinfahrt) / 1949: 24 Stunden von Le Mans, Ferrari 166 MM, Chinetti – Lord Selsdon / 1949: 24 Stunden von Spa, Ferrari 166 MM, Chinetti – Lucas / 1950: 12 Stunden von Paris, Ferrari 166 MM, Chinetti – Lucas / 1951: Carrera Panamericana Mexico, Ferrari 212 Inter, Chinetti – Taruffi.
Das Prädikat „Sportwagen des Jahres 1949“ für den Ferrari 166 MM ging also ganz wesentlich auf das Konto der beiden Endurance-Experten Chinetti und Biondetti. Der Sieg in Le Mans 1949 war im übrigen Chinettis dritter Erfolg bei diesem Klassiker, erst 1962 wurde diese Marke von Olivier Gendebien übertroffen, und kein anderer Pilot schaffte einen Le Mans-Sieg sowohl vor als auch nach dem Krieg.
In den Jahren 1950 bis 1953 nahm Chinetti mit Ferrari-Sportwagen – meist von ihm selbst gemeldet – am Rennen in Le Mans teil, ohne allerdings seinen Erfolg von 1949 wiederholen zu können.
1950: Ferrari 195 S (Touring Barchetta), Chinetti – Dreyfus („Helde“), vorübergehend auf Platz 2, am Ende ausgefallen / 1951: Ferrari 340 America (Touring Barchetta), Chinetti – Lucas, 8. Platz / 1952: Ferrari 340 America (Vignale Barchetta), Chinetti – Lucas, Ausfall / 1953: Ferrari 340 MM (Vignale Barchetta), Chinetti – Cole, Ausfall.
Das Tron-Modell
Zunächst eine Übersicht über die 1:43-Modelle des 340 America und Mexico von 1951/1952 (Stand 2013): (BS = Bausatz oder Kleinserien-Fertigmodell / DC = Großserien-Fertigmodell, Diecast / RC = Großserien-Fertigmodell, Resincast):
340 America, Touring Barchetta 1951: Tron/Glamour (BS) / Top Model (RC)
340 America, Vignale Berlinetta 1951: BBR (BS) / Jolly Model (RC)
340 America, Vignale Barchetta 1952: Provence Moulage (BS) / Starter (BS) / Gamma (BS) / Top Model (RC) / John Day (BS)
340 America, Vignale Berlinetta 1952: BBR (BS) / Top Model (RC) / John Day (BS)
340 Mexico, Vignale Berlinetta 1952: BBR (BS) / Tameo (BS) / Starter (BS) / Art Model (RC) / John Day (BS)
Anmerkungen zum 340 America Bausatz von Tron (Touring Barchetta Le Mans 1951, Nr. 15, Chinetti – Lucas, 8. Platz)
Der Tron-Kit von 1995 entspricht in seiner Ausführung den damals marktbeherrschenden Bausatz-Herstellern Provence Moulage und Starter: Sehr gute Gussqualität, fehlerlose Umsetzung der äußeren Proportionen sowie Maßstabtreue, schöne Ausstattungsteile, z.T. in Ätztechnik. Typisch auch die überschaubare Zahl der Einzelteile: Der Kit ist damit durchaus für den weniger erfahrenen Modellbauer geeignet. Positiv – und besser als bei den beiden Konkurrenten aus Frankreich – ist die präzise Bauanleitung (Fotos vom fertigen Modell und vor allem eine Explosionszeichnung, siehe oben).
Dagegen erfordern die aus 6 Einzelteilen bestehenden, also noch zu montierenden Speichenfelgen ein wenig Mühe, anders als bei der Konkurrenz, bei der die Räder bereits fertig montiert sind. Das hier abgebildete Modell ist allerdings nicht mit den Tron-Felgen, sondern mit BBR-Speichenfelgen ausgerüstet, die Tron-Felgen sind aber ebenfalls gut verwendbar. Ein Kritikpunkt ist die allzu grobe Modellierung der Sitze.
Die Decals sind mit Vorsicht zu verwenden: Sie sind sehr dünn, waren bei meinem Bausatz vielleicht auch schon recht alt. Jedenfalls müssen sie äußerst sorgsam behandelt werden – das Resultat ist am Ende aber gut. Allerdings muss die Sektion oberhalb des Frontgrills rund um die Zusatzöffnung mit Sorgfalt behandelt werden, da hier die Resine-Karosserie, das kleine Ätzteil für den Zusatzgrill und ein relativ großes Decal-Segment aufeinander treffen. Die Startnummer im Frontgrill habe ich mit Farbe (schwarz-matt) gestaltet und nicht die „15“ aus dem Decalsatz verwendet. Für die unteren (Nebel-?) Scheinwerfer wurden etwas kleinere Exemplare als im Tron-Bausatz verwendet. Bei der Lackierung der Karosserie ist zweierlei zu beachten: Erstens war das Ferrari-Rot Anfang der 1950er Jahre etwas dunkler als in späteren Jahren, man nimmt am besten ein kräftiges Rot und kein Orange-rot. Und zweitens sollte man auf eine nachträgliche Klarlack-Behandlung verzichten – die Fahrzeuge aus der Zeit hatten bei weitem nicht den Hochglanz wie heute üblich.
Ein genauer Vergleich mit dem Resincast-Fertigmodell von Top Model kann hier nicht gezogen werden, da mir das Modell nicht vorliegt. Die Bilder im Internet scheinen allerdings anzudeuten, dass der Radstand bei Top Model nicht ganz dem korrekten Maß des Originals entspricht sondern eher dem kürzeren Randstand der 195 S- oder 212 Export-Barchetta. Das Tron-Modell ist jedenfalls in diesem Punkt exakt, die deutlich längere Front, die der große Lampredi-V12-Motor erforderte, wurde hier korrekt herausgearbeitet.
Quellen:
Siehe Rubrik “Über diese Seite” → “Anmerkungen zu Minerva Endurance”
Siehe insbesondere: Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1949-1959, Haynes, 2011. Sowie Internet-Information zu Ferrari 340 America, Luigi Chinetti, Aurelio Lampredi.