Endurance-Rennsaison 1955 zwischen Triumph und Tragödie
Palermo, Sizilien, 16. Oktober 1955: Mit einem Doppelsieg bei der 39. Targa Florio holt sich Mercedes-Benz beim letzten Lauf zur Sportwagen-Weltmeisterschaft den Titel vor Ferrari.
Die beiden jungen britischen Piloten Stirling Moss und Peter Collins, beide am Anfang einer vielversprechenden Karriere, gewinnen das Rennen über 936 km (13 Runden) überlegen trotz eines heftigen Ausritts von Moss, der das Team fast 10 Minuten kostet, und mit stark ondulierter Karosserie – mit demselben Fahrzeug, das zuvor bereits bei der Mille Miglia (im Mai) und bei der Tourist Trophy (im September) siegreich war, in beiden Fällen wiederum mit Moss am Volant. Der 300 SLR mit der Nummer 0004/55 wird damit zu einer Ikone unter den Rennsportwagen der Nachkriegsepoche.
Entscheidend für den Titelgewinn, der zweiten Welt-Trophäe für Mercedes im Jahr 1955 nach der überlegen gewonnenen Formel 1-WM, war aber nicht der Sieg von Moss und Collins, sondern der zweite Platz von Weltmeister Fangio, wodurch der stärkste Konkurrent, der Ferrari 857S mit Castellotti und Manzon, auf Platz drei verdrängt wurde. Nur so konnte Mercedes den Titelverteidiger aus Maranello noch knapp auf Platz zwei der Jahreswertung verweisen, nach einer bemerkenswerten Sportwagensaison zwischen Triumph und Tragödie.
Jeder Motorsport-Anhänger mit besonderem Interesse an Sportwagen- bzw. Endurance-Rennen kennt die Geschichte der Saison 1955, angefangen von Stirling Moss´ verwegener Rekordfahrt zum Mille Miglia-Sieg, über die Katastrophe in Le Mans, dem schwersten Rennunfall der gesamten Motorsportgeschichte, bis zum Showdown auf Sizilien. Und die meisten Daten des technischen Wunderwerks 300 SLR sind ebenfalls bekannt und vielfach dokumentiert (siehe Quellennachweis). Der folgende Bericht verzichtet daher auf technische Details und ausführliche Rennprotokolle, er skizziert vielmehr in groben Zügen die Vorgeschichte und den Verlauf der Saison 1955 aus der Sicht von Mercedes, stellt die Karosserievarianten der eingesetzten Fahrzeuge dar, nennt die verschiedenen Modelle des 300 SLR in 1:43, die über die letzten Jahrzehnte produziert wurden, und geht dann im Detail auf das Starter-Modell (Resine-Bausatz) des Targa Florio-Siegers ein. Der Bericht nach dem Stand von 2017 wurde inzwischen (2022) aktualisiert, der neue Bericht kann hier aufgerufen werden.
Robust, effizient, komplex: Der Mercedes-Benz 300 SLR gehört zu den Stars der goldenen Epoche der Rennsportwagen. Zusammen mit dem Ferrari 250 Testa Rossa, dem Aston Martin DBR1 oder dem Jaguar D prägte er die 1950er Jahre, obwohl er nur in einer Rennsaison und auch da nur in vier WM-Rennen eingesetzt wurde. 1955 war er das dominierende Fahrzeug, mit vielen technischen Neuheiten, überragender Standfestigkeit, aufwändiger und perfekter Teamorganisation und nicht zuletzt pilotiert von den beiden besten Piloten jener Zeit, Moss und Fangio. Der Jaguar D, einer der Hauptkonkurrenten der Saison, war in den Bereichen Chassis (Monocoque), Bremsen (Scheiben) oder Aerodynamik vielleicht das modernere Auto, er konnte seine Stärken aber nur in Le Mans voll ausspielen. Andere mögliche Konkurrenten waren 1955 entweder nicht mehr am Start (Lancia D24/D25), leistungsmäßig nicht ganz auf Augenhöhe (Maserati 300S, Aston Martin DB3S) oder hatten mit diversen Problemen zu kämpfen (Ferrari 121 LM).
Am Saisonende blickte man auf drei Siege in den vier WM-Rennen zurück, bei denen die Stuttgarter am Start waren, darunter zwei Doppelsiege und ein Triple (Tourist Trophy), aber auch auf die Tragödie von Le Mans, die untrennbar mit einem der drei dort fahrenden 300 SLR verbunden ist und die zum Rückzug der verbleibenden beiden Fahrzeuge führte (nach zehn Stunden, in Führung bzw. an dritter Position liegend). Auch bei zwei weiteren Starts in Rennen, die nicht zur WM zählten (Eifelrennen am Nürburgring, Grand Prix von Schweden), waren die 300 SLR drückend überlegen.
Mercedes´ Einstieg in den Motorsport nach dem Krieg
Deutsche Rennfahrzeuge und Piloten waren nach dem Krieg erst ab 1950 wieder auf internationalen Rennstrecken zugelassen. Angesichts der Grand Prix-Tradition bei Mercedes, insbesondere in den Jahren 1934-1939, lag es auf der Hand, dass die Daimler-Leute um Neubauer und Uhlenhaut ab 1950 über eine Rückkehr auf die große Motorsport-Bühne nachdachten. Die erste Option stellte eine Neuauflage des W165 Rennwagens dar, der für den Einsatz beim Gran Premio di Tripoli 1939 und für die 1940/41 erwartete neue Grand Prix-Formel entwickelt wurde und bei seinem einzigen Einsatz in Nordafrika einen Doppelsieg gegen die versammelte italienische Konkurrenz holte. Er passte mit seinem 1,5 Liter-V8 mit Kompressor-Aufladung genau in das Grand Prix-Reglement, das 1950/51 für die Fahrzeuge der neuen „Formel 1“ galt, die um die neu installierte Weltmeisterschaft fuhren.
Man erkannte in Stuttgart aber schnell, dass ein Rennwagen auf Basis dieser über zehn Jahre alten Konstruktion gegen die stetig weiterentwickelte Alfetta 158/159 oder die britische Neukonstruktion BRM kaum in der Lage sein würde, die Szene zu dominieren. Zusätzlich führte der Rückzug von Alfa Romeo aus der Formel 1 und in der Folge die Übernahme der kleineren Formel 2 als Basis für die WM-Jahre 1952/53 dazu, diese Option zu verwerfen. Stattdessen würde man erst ab 1954 für das dann gültige neue Formel 1-Reglement mit einer Neukonstruktion wieder einsteigen.
Inzwischen sollten die Zeit mit der Teilnahme eines neuen Rennsportwagens an den klassischen Langstreckenrennen überbrückt, die Marke Mercedes-Benz auf diese Weise auf den neuen internationalen Märkten präsentiert und Erfahrungen im Rennbetrieb gesammelt werden. Dafür griff man 1951 die Idee von Jaguar beim Typ C auf, den Antriebsstrang aus der Serie zu übernehmen (dort waren es die Mark VII-Limousine und der XK120-Seriensportwagen) und in ein modernes Rennsport-Chassis einzubauen. Mercedes nahm den Motor der 1951 neu vorgestellten Luxus-Limousine „300“, erhöhte seine Leistung, setzte ihn in einen damals revolutionären Gitterrohrrahmen und umhüllte alles mit einer aerodynamisch optimierten Coupé-Karosserie: Der 300 SL (W194) war geboren und setzte in der Sportwagen-Szene 1952 neue Maßstäbe, obwohl er mit einer Leistung von 175 PS den wichtigsten Konkurrenten Ferrari, Jaguar, Talbot-Lago oder Cunningham deutlich unterlegen war. Bei den drei wichtigsten Einsätzen des Jahres holte man zwei Doppelsiege (Le Mans, Carrera Panamericana) und verpasste den Sieg beim Premierenrennen, der Mille Miglia, nur knapp.
1953: Im folgenden Jahr sollte eine Weiterentwicklung des 300 SL eigentlich an der ersten Sportwagen-Weltmeisterschaft teilnehmen. Der Motor des neuen SL war weltweit der erste Viertakter mit Benzineinspritzung, der Wagen hatte eine neue, kompaktere Karosserie aus Magnesium, und das Getriebe lag nun hinten (Transaxle-Bauweise). Die Leistung wurde auf 215 PS gesteigert. Dem einzelnen Testwagen, der heute noch existiert (W194-011), sollten zehn Einsatzfahrzeuge für die WM-Saison folgen. Zu einem Renneinsatz 1953 kam es allerdings nicht, da man sich bei Mercedes mittlerweile voll auf die Entwicklung des W196 Formel 1-Rennwagens für die Saison 1954 konzentrierte.
Ein 1:43-Modell des 1953er Prototyps hatte es bis 2017 – jedenfalls im allgemein zugänglichen Handel – noch nie gegeben. Im Herbst 2017 hatte der Resincast-Produzent Matrix erstmals dieses Modell aufgelegt. Eine ausführliche Beschreibung des Originalfahrzeugs und eine kritische Betrachtung des Matrix-Modells kann man auf der Webseite „auto und modell“ lesen.
1954: Auch der Einstieg in die folgende Saison verlief nicht ohne Probleme. Der Zeitplan der Entwicklung der beiden für 1954 vorgesehenen Einsatzfahrzeuge, dem W196 (R=Formel 1-Rennwagen) und dem W196S (=300 SLR, Rennsportwagen) geriet gehörig in Verzug – kein Wunder bei den überaus ambitionierten Konstruktionsmerkmalen und sportlichen Zielen. Um den Zeitplan für die Formel 1-Einsätze noch halbwegs einzuhalten, wurde das Sportwagenprojekt erst einmal verschoben, der Einstieg in die Sportwagen-Weltmeisterschaft erfolgte so erst im folgenden Jahr, und auch da erst im Mai beim dritten WM-Lauf, der Mille Miglia. Der ursprünglich geplante Einsatz dreier 300 SLR in Le Mans 1954 ist in der offiziellen Nennliste des ACO belegt. Sogar der Einstieg in die Formel 1-Saison 1954 erfolgte mit Verspätung erst im Juni beim Grand Prix von Frankreich in Reims. Zuvor hatte der neue Starpilot des Mercedes-Teams, Juan Manuel Fangio, bereits die beiden Rennen in Argentinien und Belgien (Spa) gewonnen und so dem neuen Maserati 250F die ersten Siege beschert. Der WM-Titel, den er schließlich überlegen für sich entschied, geht also nicht nur auf das Konto der Stuttgarter, was häufig vergessen wird.
Über die Saison 1954 wurde der 300 SLR alias W196S für die Rennen 1955 entwickelt, wobei man die Erfahrungen der Einsätze des W196 in der Formel 1 nutzen konnte, der große technische Überschneidungen zum neuen Sportwagen aufwies – der 300 SLR war dem W196 jedenfalls deutlich ähnlicher als dem ab 1954 in kleiner Serie produzierten Straßensportwagen 300 SL.
In einer Übersicht werden die Renneinsätze und die Karosseriemerkmale der zehn 300 SLR-Fahrzeuge zusammengestellt. Der erste Wagen (0001/54) sah das Licht der Öffentlichkeit im Herbst 1954, er wurde im September im Anschluss an den Großen Preis von Italien in Monza getestet.
1955 standen acht Rennen auf der Liste der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Die Saison begann im Januar in Buenos Aires, den Abschluss sollte die Carrera Panamericana im November bilden. Für die Mercedes-Rennabteilung hatten allerdings die drei Klassiker Mille Miglia, Le Mans und Carrera Panamericana sowie der deutsche Lauf am Nürburgring (1000 km Rennen) oberste Priorität. Außerdem wollte man bei einigen ausgewählten kürzeren Rennen, z.B. in Schweden oder Venezuela, antreten, obwohl diese keinen WM-Status hatten. Insofern ist es aus heutiger Sicht fraglich, ob der Gewinn der Sportwagen-WM in Stuttgart überhaupt ganz oben auf der Liste stand. Jedenfalls verpasste man die beiden ersten WM-Läufe in Argentinien und in Sebring (USA), um die Vorbereitungen zur Mille Miglia nicht zu gefährden. Nach zwei Testfahrt-Terminen in Hockenheim (März und April) und ausgiebigen Tests auf der Mille Miglia-Strecke (Februar bis April) standen vier 300 SLR bei ihrem Debut am 1. Mai in Brescia auf der Startrampe.
Die Geschichte des Rennjahres 1955 ist in den Motorsport-Geschichtsbüchern ausgiebig dokumentiert. Nach dem katastrophalen Unfall in Le Mans war der weitere Verlauf der Motorsport-Saison jedenfalls Makulatur, und das galt auch für die Sportwagen-WM: Die 1000 km auf dem Nürburgring fanden nicht statt, und später im Jahr wurde auch die Carrera Panamericana zunächst auf Anfang 1956 verschoben und dann endgültig (und für alle Zeiten) abgesagt. Das Mercedes-Team hatte nach seinem Rückzug in Le Mans nur einen Sieg bei der Mille Miglia auf dem WM-Konto, bekam dann nach dem Dreifachsieg bei der Tourist Trophy aber doch noch die Chance auf den Titel, falls man beim abschließenden Rennen, der Targa Florio, mindestens einen Doppelsieg einfahren würde. Also revidierte man in Stuttgart die Rennplanung, sagte die Teilnahme beim Rennen in Caracas (Venezuela) ab und startete in Sizilien – mit dem eingangs geschilderten Ergebnis. Getrübt wurde die Feierstimmung nach dem Rennen allerdings durch die Nachricht aus Stuttgart, dass man sich 1956 nicht nur aus der Formel 1, sondern auch aus der Sportwagen-WM verabschieden würde. Der für die Carrera Panamericana sowie für die Saison 1956 geplante Einsatz des 300 SLR Coupés sowie weitere geplante technische Entwicklungen waren damit hinfällig, und Chefkonstrukteur Uhlenhaut durfte eines der 300 SLR Coupés fortan als Privatfahrzeug nutzen.
Der 300 SLR geht also in die Sportwagen-Geschichte als ein Fahrzeug ein, das nur in einer der vermutlich geplanten drei Saisons (1954-1956) eingesetzt wurde, diese eindeutig beherrschte, am Ende aber in der breiten Öffentlichkeit vor allem mit dem Desaster in Le Mans in Verbindung gebracht wird, obwohl der arme Levegh mit seinem 300 SLR nach meiner Auffassung wohl am wenigsten für die tragischen Ereignisse verantwortlich war.
Karosserievarianten und Karosseriedetails (siehe Übersicht):
Insgesamt wurden sieben Roadster und zwei Coupés fertiggestellt, vier der Roadster (0003 bis 0006) wurden in Rennen eingesetzt. Das Coupé 0007 (mit blauer Innenausstattung) war 1955 bei drei Rennen als Test- und Trainingsfahrzeug aktiv, es ist vermutlich auch das Fahrzeug, das Uhlenhaut nach der Saison 1955 als Privatwagen nutzte. Neben den beiden Coupés ist vor allem der Roadster Nr. 0004 historisch bedeutend, er gewann mit Stirling Moss alle drei WM-Läufe, also die Mille Migia, die Tourist Trophy und die Targa Florio. Diese Fahrzeuge gelten als diejenigen, die – falls überhaupt jemals angeboten – die höchsten Preise aller heute noch existierenden Autos erzielen würden (welch´treffende Voraussicht…).
Je nach Rennen zeichneten sich die Roadster durch unterschiedliche Karosseriedetails aus: Fahrzeuge mit Beifahrer (Mille Miglia) hatten zwei Kopfstützen auf der Heckpartie („Kamel“), ansonsten gab es nur für den Fahrer eine Kopfstütze („Dromedar“). Bei der Pressevorstellung und den Testfahrten in Monza 1954 fehlten die Kopfstützen noch gänzlich. Ab 1955 hatten die Fahrzeuge eine Ausbuchtung mit Lufteinlass auf der Motorhaube (Luftansaugöffnung für die Einspritzanlage). Bei den Testwagen im Herbst 1954 fehlte dieser Lufteinlass noch, die Luft wurde wie bei den Grand Prix-Rennwagen 1954 durch den Kühlergrill geführt. Die berühmte Luftbremse kam erstmals in Le Mans und dann noch einmal in Schweden zum Einsatz, danach wurden sie wieder abgebaut. Allerdings behielten einige Fahrzeuge bei der Tourist Trophy und der Targa Florio noch die Befestigungsleiste für die Luftbremse hinter dem Cockpit – eigentlich untypisch für Mercedes. Chromzierrat im Frontgrill (Mercedes-Stern) gab es nur beim 1954er Auto (und manchmal auch bei späteren Ausstellungs- und Museumsfahrzeugen). Die Cockpitscheibe hatte über die Saison 1955 unterschiedliche Formen, und bei einigen Rennen wurden Zusatzscheinwerfer im Frontgrill eingesetzt, die manchmal (zum Rennbeginn) auch abgedeckt waren. Bei der Targa Florio waren sowohl die Haupt- als auch die Zusatzscheinwerfer durch Metallplatten bzw. -kappen abgedeckt (Schutz vor Steinschlag). Und schließlich hatten die Moss-Fahrzeuge noch die Besonderheit, dass sie auf Stirlings Wunsch mit Dreispeichen-Lenkrädern ausgestattet waren, ansonsten waren Vierspeichen-Lenkräder eingebaut.
Modelle in 1:43: 300 SLR Roadster (Stand 2017)
In Zeiten der Diecasts der frühen Generation (1960er und 1970er Jahre, Solido, Corgi, Dinky usw.) gab es kein Modell des 300 SLR. Umso mehr wurde der Metall-Bausatz von John Day begrüßt, der den SLR als Mille Miglia-Siegerfahrzeug in seiner „Serie 100“ als eines der frühen Modelle Mitte der 1970er Jahre herausbrachte (Modellnummer 121). Bei aller Unzulänglichkeit der damaligen Kleinserien-Kits – jedenfalls gemessen am heutigen Qualitätsstandard – wurde die Grundform des Originals doch recht gut getroffen. Später kam bei John Day auch noch die Le Mans-Version heraus. In den 1980er Jahren folgten verschiedene Kits des 300 SLR Roadsters, aus Metall von Danhausen (Plumbies, produziert bei Western Models) oder bereits aus Resine von MRF, Record, Starter und Provence Moulage. Zum Starter-Modell, das im Wesentlichen den beiden Resine-Vorläufern Record und MRF ähnelt, folgt unten eine genauere Beschreibung. Neueren Datums sind preisgünstige Diecast-Modelle von IXO (bzw. von auf IXO basierenden Billigserien) oder Norev sowie von Minichamps. Ein Kleinserienmodell des 300 SLR lieferte auch Autographic, und Feeling43 bietet einen Superkit mit nachgebildetem Motor an, der allerdings sehr teuer ist und einen versierten Modellbauer (oder ein gut gefülltes Konto) erfordert. Empfehlenswerte Modelle des 300 SLR kommen von SMTS (Metallbausätze, leider nur noch schwer aufzutreiben) und von Southern Cross (Resine-Kit in sehr kleiner Serie, ebenfalls kaum noch erhältlich). Die meisten genannten Hersteller haben mehrere Karosserievarianten im Programm (Kamel, Dromedar, Le Mans-Auto mit Luftbremse), Southern Cross liefert allerdings nur die Le Mans-Version.
Southern Cross und SMTS sind insofern zu empfehlen, weil sie die besondere Charakteristik des Cockpits korrekt wiedergeben: Die Kardanwelle verläuft beim 300 SLR aufgrund des stark gedreht eingebauten Motors nicht mittig sondern auf der Fahrerseite, der Pilot muss also breitbeinig im Auto sitzen und Gaspedal und Bremse mit rechts sowie Kupplung mit links bedienen, dazwischen liegt der Kardantunnel. Der Fahrersitz ist dabei breiter als der des Beifahrers, und zwischen den Fußräumen des Piloten und des Copiloten ist eine schräg verlaufende Trennwand eingebaut. All diese Besonderheiten werden bei den meisten anderen Herstellern nicht beachtet. Außerdem sind die Speichenräder häufig nicht optimal gelungen. Wer allerdings nicht auf die recht aufwändig zu bauenden und auch kaum noch auffindbaren Kits von SMTS oder Southern Cross zurückgreifen will, sollte vielleicht am besten auf die angekündigten Resincast-Modelle von Spark warten (Stand Sommer 2017), mehr dazu in der Aktualisierung dieses Berichts (2022).
Modelle in 1:43: 300 SLR Coupé
Aktuelle Modelle des 300 SLR Coupé sind mir nicht bekannt, auch bei Spark wird dieses attraktive Fahrzeug leider (noch) nicht angekündigt. Die Diecast-Modelle von Brumm oder Minichamps sind nicht besonders gut gelungen, besser war der alte Metallbausatz von Plumbies (produziert von Western Models für Danhausen). Ein weiteres Modell kam von IMU. Recht ordentlich sind die Resine-Kits von MRF und Record. Auch hier warten wir also auf ein (Resincast?) Modell nach aktuellem Standard.
Starter-Kit – Sieger der Targa Florio
Das hier in Bildern vorgestellte Starter-Modell des Siegerwagens der Targa Florio wurde bereits vor ca. 30 Jahren produziert. Als Resine-Bausatz ist es – sofern man noch fündig wird – ein recht ordentliches Modell, das allerdings nicht den aktuellen Modellstandard erreicht. Es ist außerdem – gemessen am Radstand – etwas zu klein.
Wie bei Starter üblich, besteht der Bausatz nur aus wenigen Teilen, da eine Reihe von Details bereits im Gussteil der Karosserie integriert ist. Ein weiterer Resine-Teil vereinigt sowohl die Bodenplatte wie auch den Innenraum mit Sitzen, Armaturenbrett usw. Weitere Teile: Speichenräder, Lenkrad, Ätzteile (Mercedes-Stern sowie D- und 300 SLR-Insignien für die Heckpartie), Leuchteinheiten vorn („Glasbausteine“) und Decals (einschließlich Decal für den Sitzbezug).
Die bei Starter gewohnten Pluspunkte sind der saubere Guss, die stimmige Form der Karosserie, die sehr schönen Speichenfelgen und die einfache Montage der wenigen Modellteile.
Die Karosserieform wird korrekt wiedergegeben, allerdings ist das Modell gemessen am Radstand (52,5mm) zu klein. Es entspricht bei einem Radstand des Originals von 2,37m etwa dem Maßstab 1:45. Das ältere Record-Modell des 300 SLR ist etwas größer (Radstand 53,5mm, Maßstab 1:44). Das Minichamps-Diecast-Modell erreicht mit einem Radstand von 55,0mm den korrekten Maßstab 1:43 – es zeigt, dass der 300 SLR im Vergleich zu seinen Konkurrenten ein relativ großes Auto war. Der Größenvergleich Starter-Record (Radstand, Länge) macht auch deutlich, dass die Resine-Gussteile der beiden Hersteller nicht identisch sind. Beim Starter-Modell des Targa Florio-Siegers wurde im Übrigen die Befestigungsleiste für die Luftbremse hinter dem Cockpit vergessen, das wurde z.B. beim SMTS-Modell beachtet – eine nachträgliche Ergänzung erfuhr das hier abgebildeten Modell nicht, sie ist auch nicht ganz einfach zu modellieren.
Die Speichenfelgen sind wie gesagt sehr schön, allerdings fehlen beim Starter-Modell die speziellen Mercedes-Radverschlüsse (mit Mercedes-Stern auf der Radmutter). Die Reifen des Starter-Kits sind für die vorderen und hinteren Felgen identisch, tatsächlich waren die hinteren Reifen aber größer (7,00×16) als vorn (6,00×16). Beim abgebildeten Starter-Modell sind die Reifen des Bausatzes aufgezogen, beim Minichamps-Modell des Le Mans-SLR wurden dagegen hinten größere Reifen verwendet.
Die Starter-typischen „Glasbausteine“ für die vorderen Scheinwerfer benötigt man bei der Targa Florio-Version nicht. Vielmehr muss der Modellbauer mit Hilfe seines hoffentlich wohlsortierten Kleinteile-Reservoirs die beiden runden Schutzkappen vor den Hauptscheinwerfern und die halbkugelförmigen Schutzkappen vor den Zusatzscheinwerfern im Frontgrill in Eigenregie nachbilden und montieren.
Die dem Kit beigefügten Kleinteile sind nicht vollständig und z.T. von mangelnder Qualität. Man sollte dem Modell ein schöneres Lenkrad aus dem Zubehörhandel verpassen, dazu gibt es mehrteilige Lenkräder z.B. von Tron. Zu beachten ist, dass der Moss-300 SLR ein Dreispeichen-Lenkrad hatte. Weiterhin benötigt man die beiden Auspuff-Endstücke, die seitlich aus der Karosserie heraustreten, zwei (Talbot-) Rückspiegel und einen geätzten Mercedes-Stern für die Front. Für das Heck ist dieser im Kit enthalten, für die Front stellt der Kit dagegen nur einen Aufkleber bereit.
Beim Decal-Satz für den Starter-Kit ist ebenfalls Kritik angesagt: Die Aufkleber sind sehr dünn und aufgrund des Alters, das sie heute erreicht haben, mit Vorsicht aufzutragen. Außerdem sind die Startnummern etwas zu groß geraten. Die speziellen Nummern (rot mit schwarzem Rand) kann man leider auch nicht durch alternative Decals aus dem Handel ersetzen. Das innere Rot der Ziffern ist nicht deckend, und da sie über den Rand der weißen Startnummernfelder in den silbernen Bereich der Karosserie reichen, muss hier mit roter Farbe nachgebessert werden. Die Decals für den Sitzbezug (Karomuster) sind farblich zu grell geraten, man kann nach ihrem Auftragen etwas mit stark verdünntem braungrauen Mattlack nachbessern, um dem Textileffekt näher zu kommen. Und schließlich ist das hintere Kennzeichenschild im Decal-Satz etwas zu klein.
Bis auf die fehlende Maßstabtreue sind viele dieser kleineren Unzulänglichkeiten des Bausatzes, der immerhin auch schon aus den 1980er Jahren stammt, durch den Modellbauer korrigierbar. Beim Cockpit, das mit der Bodenplatte eine Gusseinheit bildet, ist das angesichts der oben bereits angesprochenen Fehler ungleich schwieriger. Im Grunde müsste man den Innenraum von der Bodenplatte abtrennen und das Cockpit ganz neu modellieren, mit dem korrekten Verlauf des nach links versetzten Kardantunnels und der unterschiedlichen Sitzbreite. Man kann allerdings das Starter-Modell auch so akzeptieren wie es ist, zumal vom Innenraum ja nicht allzu viel zu sehen ist – oder man findet einen machbaren Kompromiss zwischen diesen beiden Lösungen. Ich bin gespannt, ob das angekündigte Spark-Modell das Cockpit korrekt wiedergibt. Wann es allerdings erscheint, steht (2017) noch in den Sternen, der Spark-Katalog zeigte 2017 jedenfalls nur SW-Fotos des Originalfahrzeugs in Le Mans bzw. bei der Targa Florio.
Quellen:
Siehe Rubrik „Über diese Seite“ → „Anmerkungen zu Minerva Endurance“
Ein Standardwerk zum Thema ist das Buch von Günther Engelen “Mercedes-Benz 300 SLR” aus der Reihe “Meilensteine des Motorsports” (Hatje Crantz Verlag, ISBN 3775740007). Das Buch ist recht teuer (ca. 200 Euro), es lag mir leider nicht vor. Falls einer der Leser dort abweichende Fakten zu meinem Bericht findet, bin ich für einen entsprechenden Hinweis dankbar.
Sehr schön ist das Buch von Yves Kaltenbach “Triumph and Tragedy – The 1955 World Sports Car Season” (Automobiles Historics, London 2004), mit vielen Geschichten, Fotos und Statistiken über die gesamte 1955er Sportwagen-Saison, also nicht nur auf den 300 SLR fixiert.
Eine der besten Darstellungen der technischen Entwicklung des 300 SLR liefert Karl Ludvigsen in „Mercedes-Benz Renn- und Sportwagen“ (Bleicher Verlag, Gerlingen 1981), die deutsche Bearbeitung seines englischsprachigen Originals („Mercedes-Benz Racing Cars“)
Natürlich stellt auch das Internet mittlerweile eine ganze Fülle von Texten und insbesondere Fotos zum Thema 300 SLR bereit. Eine umfassende Fotosammlung von der Targa Florio 1955 – sowohl vom 300 SLR-Originalfahrzeug als auch von Modellen des Siegers – liefert die Webseite „targapedia“.