Aktualisierung vom Juli 2022
Der ausführliche Bericht zum 300 SLR vom Juli 2017 (im Modellbau-Forum) bedarf aus zwei Gründen einer Aktualisierung:
Erstens standen im damaligen Report nur ältere 1:43-Modelle im Fokus, insbesondere der Resine-Kit des Targa Florio-Siegers 1955 von Starter, der schon in den späten 1980er Jahren angeboten wurde. Inzwischen hat der Resincast-Marktführer Spark einige Modelle des Autos produziert, die dem aktuellen Stand der Modellszene entsprechen: Im Folgenden wird der Le Mans-SLR von Fangio und Moss kurz vorgestellt, der bekanntlich nach dem dramatischen Unfall in der dritten Stunde des 1955er Rennens schließlich in der Nacht zum Sonntag – deutlich in Führung liegend und auf Geheiß der Stuttgarter Zentrale – zurückgezogen wurde.
Zweitens hat im Mai 2022 ein Ereignis die Autowelt „erschüttert“: Eines der beiden bisher als unverkäuflicher Werksbesitz angesehenen 300 SLR „Uhlenhaut“ Coupés wurde in einer Auktion zum Preis von 135.000.000 Euro veräußert, womit der bisher höchste Verkaufspreis für ein historisches Automobil (läppische 70 Millionen für einen Ferrari 250 GTO) geradezu pulverisiert wurde. An dieser Stelle sollen die durchaus kontroversen Kommentare zu diesem Vorgang nicht aufgegriffen werden, aber das Ereignis war doch Anlass, hier auf die Geschichte und die unterschiedlichen Merkmale der beiden Autos und auf das 1:43-Modellangebot des 300 SLR Coupés einzugehen.
(1) 300 SLR alias W196S, Le Mans 1955 – Resincast Modell von Spark
Spark hat – Stand Juli 2022 – folgende Varianten des 300 SLR im Programm: Le Mans 1955, Nr. 19, 20, 21 (also alle drei Werkswagen) / Mille Miglia 1955, Nr. 722 (Sieger, Moss-Jenkinson) und 704 (Herrmann-Eger) / Targa Florio Nr. 104 (Sieger, Moss-Collins) / GP Schweden Nr. 1 (Sieger, Fangio). Beim Schweden-Auto sitzt der Fahrer (Fangio) im Cockpit, und das Auto hat eine aufrecht stehende Luftklappe. Als wichtiges Fahrzeug der WM-Saison 1955 fehlt noch der Tourist Trophy-Sieger (Nr. 10, Moss-Fitch).
Das Le Mans-Auto Nr. 19, die Nr. 1 des Teams mit den beiden Stars Fangio und Moss, gab es in 1:43 bereits von einer ganzen Reihe von Herstellern, angefangen mit einem Metallbausatz von John Day Mitte der 1970er Jahre, später von Danhausen (Plumbies, made by Western Models), ebenfalls als Metallbausatz oder als Fertigmodell, dann als Resine-Kits von MFR/Record, Starter und Provence Moulage, als Metall-Kit von SMTS und als Resincast- und Diecast-Modelle von Minichamps, IXO, Norev und Matrix. Das beste 1:43-Modell des Le Mans-SLR kam wohl von Southern Cross, das war ein Resine-Bausatz, von dem allerdings nur eine sehr kleine Serie aufgelegt wurde.
Das neue Spark-Modell dürfte gegenüber den meisten älteren Modellen die beste Wahl darstellen, es ist jedenfalls deutlich besser als die bekanntesten Alternativen von Minichamps oder Starter. Auf der Webseite „auto-und-modell“ wurden 2020/2021 bereits drei Varianten des Spark-300 SLR Modells vorgestellt (Berichte von Rudi Seidel im Archiv der Webseite), insofern bedarf es hier keiner erneut ausführlichen Modellkritik, es sind allenfalls ein paar Ergänzungen hilfreich.
Beim Gesamteindruck des Modells können die Anmerkungen von Rudi Seidel voll bestätigt werden. Wie bei Spark häufig, bestechen auch diese 300 SLR-Modelle durch ihre gelungene Karosserieform, viele kleine Details, die bei den älteren Resine-Bausätzen noch weitgehend fehlten, und – zumindest bei den neueren Varianten (Le Mans, Schweden) – durch eine feine, dünn aufgetragene Alu-Lackierung. Auch die Speichenräder sind gelungen, was bei Großserienmodellen auch der aktuellen Generation nicht immer selbstverständlich ist. Und schließlich wurde das so charakteristische Cockpit – wieder im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern des 300 SLR-Modells – korrekt ausgeführt, mit der asymmetrischen Anordnung von Sitzen und Getriebetunnel und der Trennung in zwei Fußräume für den Piloten, links mit dem Kupplungspedal und rechts für Bremse und Gaspedal.
Andererseits haben sich bei Spark wieder kleine Fehler eingeschlichen, die unnötig sind und einen Widerspruch zur ansonsten feinen Qualität der Modelle darstellen. Das ist ärgerlich, einerseits angesichts des stattlichen Preisniveaus der Spark-Modelle, andererseits, weil gerade zum 300 SLR reichlich Information und Bildmaterial verfügbar ist.
Die Kritik an einem gemessen am Maßstab 1.43 etwas zu kleinen Modell (ca. 2mm zu kurz) ist sachlich korrekt, andererseits passt der Spark-SLR damit sehr gut zu den ebenfalls etwas zu kleinen Resine-Bausätzen von Record und Starter. Dass die Reifen vorn und hinten unterschiedliche Dimensionen hatten (vorn 6,00×16 / hinten 7,00×16), haben weder Spark noch die meisten anderen Hersteller (Starter, Minichamps) beachtet, das hier abgebildete Spark-Modell (Le Mans 1955) wurde auch nicht entsprechend korrigiert.
Spark hat offenbar alle 300 SLR-Modelle mit dem für Mercedes (W196R, W196S) typischen Vierspeichen-Lenkrad ausgestattet, das sehr gelungen, aber bei den von Moss pilotierten Fahrzeugen falsch ist. Stirling Moss bat beim Team ausdrücklich um ein Dreispeichen-Lenkrad, und seine Bitte wurde erhört, seine Kopiloten (Fangio, Collins, Fitch) hatten dies zu akzeptieren – eine in der Motorsport-Historie hinlänglich bekannte Tatsache, die bei Spark leider nicht beachtet wurde. Glücklicherweise liefert der 1:43-Zubehörhandel schöne passende Dreispeichen-Lenkräder, und der Austausch kann mit etwas Geschick auch ohne Zerlegung des Modells erfolgen. Am Ende behält man ein schönes Vierspeichen-Lenkrad für das Modell-Ersatzteillager.
(2) Der Blaue und der Rote – die beiden legendären Uhlenhaut Coupés
Im Zusammenhang mit dem spektakulären Verkauf eines der beiden Uhlenhaut Coupés im Mai 2022 veröffentlichte das Journal „Zwischengas“ auf seiner Webseite einen aktuellen Beitrag des renommierten Motor-Journalisten Karl Ludvigsen: „Mercedes-Benz 300 SLR Uhlenhaut Coupé – aus gegebenem Anlass“ (Report vom 24. 5. 2022), mit vielen historischen Fotos und Fakten, die mir z.T. bislang noch nicht bekannt waren.
So waren schon zur WM-Saison 1954 Einsätze des 300 SLR, auch des Coupés, geplant, das Coupé sollte vor allem in Le Mans und bei der Carrera Panamericana eingesetzt werden. Erste Entwürfe gab es bereits 1954, und mit dem Bau des ersten Coupés, der späteren Nummer 00007/55, wurde in dem Jahr schon begonnen. Bekanntlich verzögerten sich die Entwicklung und der Renneinsatz der Sportwagen zugunsten des Formel 1-Rennwagens W196R bis zur Saison 1955. Die ersten Einsätze des W196S alias 300 SLR im Mai und Juni der neuen Saison (Mille Miglia und Le Mans) erfolgten dann mit den offenen Versionen, wobei die Piloten ohnehin eher den Roadster bevorzugten: Zur damaligen Zeit bereiteten Renncoupés mit den damals schwachen Scheibenwischern, beschlagenen und verdreckten Scheiben, unzureichender Cockpitbelüftung oder Lärmdämmung und schlechter Rundumsicht sicher kein Fahrvergnügen.
Nach dem tragischen Rennen in Le Mans wurde das 1954 bereits begonnene Coupé mit blauer Innenausstattung („der Blaue“), dessen Karosserie spätestens seit Anfang 1955 in der Rennabteilung stand, fertiggestellt. Ingenieur Uhlenhaut fuhr das Auto Anfang August auf öffentlichen Straßen und per Fähre von Stuttgart nach Südschweden, um es dort beim Training zum GP von Schweden zu testen (Startnummer 15, Fahrer Uhlenhaut). Danach folgten in den Tagen vor dem Großen Preis von Italien (vermutlich Ende August) ausgiebige Tests in Monza. Das „blaue“ Coupé wurde auch hier auf der Straße nach Italien gefahren, und bei den Tests kamen mehrere Mercedes-Werkspiloten zum Einsatz. Anfang September fuhr der neue Mercedes-Pilot Graf Trips mit dem Auto nach Dundrod (Nordirland) zur Tourist Trophy (WM-Lauf), wieder auf der Straße und mit der Fähre, und nahm dort mit der Nr. „T1“ am Training teil. Und schließlich nutzten mehrere Fahrer des Werksteams das „blaue“ Coupé für Trainingsfahrten auf Sizilien vor der Targa Florio, mit der im Oktober 1955 die WM-Saison abgeschlossen wurde, als Ersatzrennen für die ausgefallene Carrera Panamericana. Die Tests dienten auch zur Vorbereitung zur Carrera, die auf Anfang 1956 verschoben wurde, und für die folgenden Rennen der Saison 1956, in der Mercedes zwar keine Formel 1-Einsätze mehr, aber trotzdem ein volles Rennprogramm (acht Rennen) mit den für 1956 überarbeiteten 300 SLR-Sportwagen plante.
Für die Carrera war der Einsatz von vier 300 SLR (zwei Roadster und zwei Coupés) geplant, eines der Coupés sollte von Moss und Navigator Jenkinson, den Helden der Mille Miglia 1955, gefahren werden. Aber es kam bekanntlich anders: Die Carrera wurde schließlich ganz abgesagt, und im Oktober 1955 gab Mercedes auch den Ausstieg aus der Sportwagen-WM 1956 bekannt. Der Bau des zweiten Coupés (Nr. 00008/55, das „Rote“) ab Ende 1955 wurde daher zunächst unterbrochen, schließlich war dieses Auto dann aber doch im Juni 1956 fahrbereit, allerdings ohne jede Aussicht auf Renneinsätze.
Uhlenhauts „privates Spielzeug“ (Zitat Moss) war ab Ende 1955 das „blaue“ Coupé. Dieses konnte 1955 und in den ersten Jahren danach von außen über einen in die Heckscheibe eingebauten Tankdeckel betankt werden. Beim „Roten“ (und später auch beim „Blauen“) befand sich der Tankdeckel zwischen den beiden Reserverädern im Kofferraum. Das Online-Journal „Zwischengas“ zeigt übrigens in seiner umfangreichen Bildersammlung zu den beiden Uhlenhaut-Coupés ein SW-Foto, das den Ingenieur mit seinem Sohn Roger zeigt – dort ist der außenliegende Tankdeckel erkennbar, es war also das „blaue“ Auto.
Wie es mit den beiden Coupés dann weiterging, kann dem Bericht von Ludvigsen entnommen werden. Jedenfalls waren beide Autos Teil der Mercedes-Benz Sammlung und im berühmten Daimler Benz Museum zu besichtigen. Der „Blaue“ war nach seiner Zeit bei Uhlenhaut in der Regel für Ausstellungen vorgesehen, während der „Rote“ im fahrbereiten Zustand blieb und bei Vorführungen und Veranstaltungen bewegt wurde. Dieses zweite „rote“ Coupé (Nr. 00008/55) wurde nun versteigert, der „Blaue“ bleibt glücklicherweise im Besitz der Firma.
Modelle in 1:43: 300 SLR Coupé
Aktuelle und wirklich gute Modelle des 300 SLR Coupé sind mir nicht bekannt, auch bei Spark wird dieses attraktive Fahrzeug leider 2022 (noch) nicht angekündigt. Die Diecast-Modelle von Brumm oder Minichamps sind nicht besonders gut gelungen, besser war der alte Metallbausatz von Plumbies (produziert von Western Models für Danhausen), das Modell ist hier abgebildet.
Ein weiteres Modell kam von IMU. Recht ordentlich, aber nicht mehr auf aktuellem Modellstand, sind die Resine-Kits von MRF und Record. Das MRF-Modell (MRF war der Vorläufer von Record) ist hier abgebildet, es wurde mit Decals und weiteren Karosseriemerkmalen so gestaltet, wie es vielleicht bei der Carrera Panamericana im Herbst 1955 oder Anfang 1956 ausgesehen haben könnte.
Wir warten also 2022 dringend auf ein (Resincast?) Modell nach aktuellem Standard.
Quellen
Ein Standardwerk zum Thema ist das Buch von Günther Engelen „Mercedes-Benz 300 SLR” aus der Reihe „Meilensteine des Motorsports” (Hatje Crantz Verlag, ISBN 3775740007). Das Buch ist recht teuer (ca. 200 Euro), es lag mir leider nicht vor. Falls einer der Leser dort abweichende Fakten zu meinem Bericht findet, bin ich für einen entsprechenden Hinweis dankbar.
Sehr schön ist das Buch von Yves Kaltenbach „Triumph and Tragedy – The 1955 World Sports Car Season” (Automobiles Historics, London 2004), mit vielen Geschichten, Fotos und Statistiken über die gesamte 1955er Sportwagen-Saison, also nicht nur auf den 300 SLR fixiert. Eine der besten Darstellungen der technischen Entwicklung des 300 SLR liefert Karl Ludvigsen in „Mercedes-Benz Renn- und Sportwagen“ (Bleicher Verlag, Gerlingen 1981), die deutsche Bearbeitung seines englischsprachigen Originals („Mercedes-Benz Racing Cars“)
Natürlich stellt auch das Internet mittlerweile eine ganze Fülle von Texten und insbesondere Fotos zum Thema 300 SLR bereit. Eine umfassende Fotosammlung von der Targa Florio 1955 – sowohl vom 300 SLR-Originalfahrzeug als auch von 1:43-Modellen des Siegers – liefert die Webseite „targapedia“.