Die Teile (1) und(2) können hier aufgerufen werden.
Der Mercedes 18/100 PS, Sieger beim Grand Prix de l´A.C.F. 1914 – Metallbausatz von John Day
Anders als einige Konkurrenten (z.B. Sunbeam) verzichteten die Konstrukteure um Paul Daimler auf eine Kopie des mittlerweile berühmten Peugeot-Motors. Man ließ das völlig neue Aggregat in der Flugmotorenabteilung des Werks fertigen. Der Motor bestand aus vier einzelnen Zylindern. Wie bei Peugeot baute man vier Ventile pro Zylinder ein, anders als die Franzosen begnügte man sich aber mit nur einer obenliegenden Nockenwelle. Andererseits waren gleich drei Zündkerzen pro Brennraum vorgesehen. Am Ende erreichte man über 100 PS bei einer damals ungewöhnlich hohen Nenndrehzahl von über 3000 U/min – bis 3500 Touren waren möglich. Mit Kardanantrieb und Drahtspeichenrädern war man nun auf der Höhe der Zeit. Der Verzicht auf Vorderradbremsen erschien dagegen ungewöhnlich, bewährte sich aber im Rennen gerade auch im Vergleich mit Peugeot.
(Nach dem Rennen kam übrigens einer der Mercedes Rennwagen zu Präsentationszwecken nach England und verblieb unter den herrschenden Kriegswirren dort. Der Motor wurde seziert und diente dann als Blaupause für die Rolls Royce Flugmotoren der Royal Air Force.)
Auch für weniger an der Technik Interessierte war der Mercedes 18/100 Grand Prix etwas Besonderes durch seine Form: Der ausgeprägte Spitzkühler und der sich nach vorn stark verjüngende Vorderwagen prägten sich sofort ein – der Mercedes unterschied sich auf den ersten Blick von allen Konkurrenten.
Literatur und andere Quellen zum Mercedes Grand Prix Rennwagen: siehe unten. Eine besondere ältere Quelle ist das Heft „1908 & 1914 GP Mercedes“, Profile Publications Number One, von Anthony Bird und Ian Hallows (1966).
Modelle des Mercedes in 1/43 (Stand 2022): Es ist schon erstaunlich, dass es zu diesem berühmten Mercedes kein Modell in aktueller Resincast-Qualität gibt. Man kann versuchen, ein älteres Kleinserienmodell von MCM („Top Queens“) zu finden, dann muss man aber für den Bausatz ein geschickter Modellbauer sein oder für das Fertigmodell tief in die Tasche greifen (ca. 400 €). Außerdem stellt das MCM-Modell den Mercedes so dar wie er im Werksmuseum in Stuttgart steht. Da stimmt das Heck aber nicht mit der Grand Prix-Version von 1914 überein, außerdem sind dort die Reifen schwarz, im Rennen waren sie weiß. Auch hier liefert MA Scale mit seinen Bausätzen des Grand Prix-Siegers, des Indianapolis-Siegers von 1915 und des bei der Targa Florio 1922 siegreichen Autos zurzeit das einzige Angebot, wobei für die Aufbereitung und Montage Aufwand und Geschick nötig sind. Im Übrigen gibt es im Maßstab 1/24 ein vorzügliches Modell (Bausatz von FPP Modelos), dessen Fotos als Referenz für ein 1/43-Modell dienen könnten (siehe Webseite „fppmodels“).
Zurück zum Maßstab 1/43: Wenn man 50 Jahre zurückblickt, findet man eine Modellrarität dieses berühmten Autos, die „Nummer 1“ aus der ab 1971 von John Day produzierten „Serie 100“, der ersten Modellserie von 1/43-Metallbausätzen der Geschichte. Mehr zur Entstehung der John Day-Modelle im folgenden Einschub, danach wird das Mercedes-Modell aus der „Serie 100“ gezeigt und kurz beschrieben.
Einschub: Bemerkungen zur Historie der 1/43-Bausätze
In den 1960er Jahren waren viele Sammler von Automodellen im Maßstab 1/43 mit dem begrenzten Modellangebot der damals bekannten Diecast-Hersteller (Dinky, Corgi, Solido usw.) nicht mehr zufrieden. Sie versuchten zunächst, die Lücken durch Modifikationen oder gar durch Eigenbauten zu schließen. Die Rebellion gegen die Großserien-Beschränkungen begann – von einzelnen Sonderlingen abgesehen, die schon früher Einzelstücke als Eigenbauten produzierten – Anfang der 1960er Jahre am häuslichen Küchen- oder Basteltisch, vor allem in England, Frankreich und Italien. Eine Handvoll Modellbauer, zunächst nur Insidern bekannt, schufen Einzelmodelle „from scratch“ oder auf Basis vorhandener Diecasts. Sie stellten ihre Eigenbauten auf Modellbautreffen und in kleinen „handgemachten“ Modellzeitschriften vor und legten auf Wunsch auch Kleinstserien für den privaten Freundeskreis auf. Bald erhielten diese Kleinserien-Fertigungen in 1/43 und 1/24 auch bereits Namen wie „Autokits“, „Wills Finecast“ oder „Marc Europa“. Etwas später, Ende der 1960er Jahre, kam Paddy Stanley mit einem kleinen Bausatzprogramm hinzu, vor allem mit Grand Prix Fahrzeugen der Vorkriegsjahre. Von einem systematisch aufgebauten Modellprogramm mit professionellem Vertrieb war man aber immer noch weit entfernt.
Das änderte sich mit einem Schlag im Frühjahr 1971, also heute vor gut 50 Jahren. Im englischen „Collector´s Corner“-Magazin erschien ein Artikel, der die Modellwelt verändern sollte: John Day aus Birmingham stellte seine „Serie 100“ vor – eine Palette von 1/43-Metallbausätzen, mit wunderbaren Rennsport-Juwelen: Mercedes Grand Prix Rennwagen 1914 (Modell Nr. 101), Ferrari 375 Plus (Le Mans Sieger 1954) oder Alfa Romeo 8C 2900B Spider Corsa (Mille Miglia Sieger 1938). Die Bausätze wurden für 1,50 Britische Pfund von John Day selbst an die begierigen Sammler verschickt – die nächste Stufe der 1/43-Modellwelt war gezündet: Vom Küchentisch-Bastler zur Kleinserien-Produktion, bei der ein kleines Team eine ganze Serie von Bausätzen, ca. 2-3 neue Modelle pro Monat, ins Programm nahm und auch den Vertrieb organisierte. John Day war der Pionier der ersten professionellen „White Metal“-Bausatzserie.
Ein Beitrag aus dem Jahr 2011 zur Geburtsstunde der 1/43-Kleinserien und -Bausätze kann hier aufgerufen werden. Ergänzend dazu zwei Quellen: Wayne E. Moyer, In the Beginning – The Early Days of 1/43 Scale Modelling, Autor ist Herausgeber, Beavercreek (Ohio), 2014; sowie: Brian Harvey, The Kit Revolution, Motor Sport Collector, Frühjahr 1998.
Das John Day Modell, Nummer Eins der „Serie 100“
Mit der Nummer Eins der 1971 vorgestellten Serie von John Day-Metallbausätzen lieferte der Engländer zum ersten Mal ein 1/43-Modell des berühmten Mercedes Grand Prix-Rennwagens von 1914. Heute, nach über 50 Jahren, ist es naturgemäß schwierig, einen Original-Bausatz aufzutreiben, im regulären Handel fast unmöglich. Geringe Chancen bestehen bei internationalen Modellbörsen, im Internet-Handel (Ebay und Konsorten) oder im (Online-) Antiquitätenhandel. Etwas größere Chancen gibt es bei fertig gebauten Kits, wobei die Montage – so unsere Erfahrung – häufig aus den 1970er Jahren stammt.
Dies gilt auch bei dem hier abgebildeten Modell, das für einen durchaus akzeptablen Preis bei Ebay von einem polnischen Anbieter erworben werden konnte. Die Montage von „anno dazumal“ verleiht dem Modell einen besonderen Charme. Daher wurden nur geringe Veränderungen vorgenommen. Die rustikalen Vollguss-Speichenräder wurden z.B. nicht durch moderne Nachrüst-Räder ersetzt (Felgen in dem passenden Format sind wohl ohnehin nicht lieferbar). Ein paar Kleinteile (Metallguss, natürlich keine Ätzteile) mussten wieder montiert werden (Transportschäden), die Sitze wurden farblich geändert (aus Schwarz wurde Hellbraun), die Reifen von weiß-hochglanz auf weiß-matt, mit „verschmutzter“ Lauffläche bei den vier montierten Rädern. Die beiden Reserveräder blieben „sauber“, und sie wurden in ihrem Heckkasten noch durch Halteriemen gesichert. Alles Weitere blieb so wie bei der Erstmontage des Modells, auch die aus heutiger Sicht suboptimale Lackierung blieb erhalten.
Am Ende ist man über die Qualität des Uralt-Bausatzes positiv überrascht: Die komplexe Form der Karosserie wurde korrekt reproduziert, die Ausstattung mit Kleinteilen und die Gestaltung der Aufhängung zeugen von einem für die 1970er Jahre hohen Qualitätsniveau. Die ersten drei Modelle der „Serie 100“ von John Day, neben dem Mercedes waren das der Ferrari Le Mans-Sieger 1954 (375 Plus) und der auf dieser Webseite bereits vorgestellte Alfa Romeo 8C 2900 (Bericht), und die vielen folgenden John Day-Bausätze öffneten damals für die Familie der 1/43-Modellsammler eine neue Welt.
Quellen zu den drei Teilen des Berichts (Bücher):
Adriano Cimarosti, Autorennen, Hallwag Verlag, Bern 1986 / Karl Ludvigsen, Mercedes-Benz Renn- und Sportwagen, Bleicher Verlag, Göttingen 1981 / Karl Ludvigsen, Die Deutsche Rennsport-Geschichte, GeraMond 2012 / Cyril Posthumus, Classic Sports Cars, Hamlyn, 1980 / Halwart Schrader, Mercedes-Benz Silberpfeile, BLV Verlag, München, Wien, Zürich 1987 / Jörg Walz, Geschichte des Motorsports, Delius Verlag, Bielefeld, o.J.
Journals:
„Der größte Preis“ (zum Grand Prix 1914), Oldtimer Markt Nr. 4/2014 / Richard von Frankenberg, „Grand Prix 1914“, Auto Motor und Sport Nr. 17/1972 / Lawrence Butcher, „Genesis of the Modern Combustion Engine: Peugeot´s 1912-1914 Grand Prix Cars“, Motor Sport Nr. 12/2012
Webseiten (u.a.):
„goldenera.fi“ (Geschichte der Grand Prix Rennen) / „targapedia“ (Geschichte der Targa Florio und der Coppa Florio, mit den zugehörigen Modellautos) / „mercedes-benz-publicarchive“ (Beschreibung, Fotos und Daten klassischer Mercedes-Benz Fahrzeuge) / „sportscardigest“ (zum Peugeot L-76 Grand Prix 1912)