Fünf Starts in Le Mans als Coupé und Roadster 1949-1953, Resine-Bausätze von Renaissance
Ein umfassender Bericht über die Einsätze der französischen Talbot-Lago Sportwagen, vor allem in Le Mans in den Jahren 1949 bis 1954, wurde auf dieser Webseite bereits 2011 publiziert. Der erfolgreichste und bis heute am besten bekannte Einsatz war der des T26 GS Roadster von Vater und Sohn Rosier, der 1950 das Rennen gewann (Nr. 110 055) und noch in der herkömmlichen Art mit separaten Kotflügeln unterwegs war („Cycle Wing Roadster“). Von diesem Fahrzeug wurden viele verschiedene Modelle in 1:43 produziert, angefangen mit einem Metallbausatz von John Day bis zu modernen Resincast-Modellen (Spark).
Die Historie eines zweiten T26 GS ist aber nicht minder interessant: Ein Talbot mit der Fahrgestellnummer 110 105 wurde 1948 an André Chambas verkauft, fuhr als Coupé 1949 und 1950 in Le Mans, wurde dann 1951 in ein offenes Fahrzeug („Barquette“ ) verwandelt und nahm bis 1953 noch dreimal an den 24 Stunden teil – fünf Renneinsätze also mit drei Zielankünften: nicht schlecht. Danach erhielt das Fahrzeug wieder die ursprüngliche Coupé-Karosserie, und so existiert es heute noch. Renaissance bietet 1:43-Resine-Bausätze des Coupés (1949/50) und der Barquette-Version (1951/52/53) an. Hier wird zunächst die Geschichte dieses Talbot-Lago vorgestellt und dann über das Renaissance-Modell des offenen Fahrzeugs berichtet, das 1951 in Le Mans am Start war (Bericht von 2016). Am Ende folgt ein neuer Teil (von 2021) über das zweite Renaissance-Modell des Coupés von Le Mans 1949.
Im Jahr 1948 kaufte André Chambas, Industrieller und Hobby-Rennfahrer aus Vienne (südlich von Lyon), einen T26 GS („Grand Sport“), der 1948 bis 1953 von Talbot-Lago in kleiner Stückzahl (36) produziert und nur als Fahrgestell plus Antriebsstrang (ohne Karosserie) angeboten wurde. Chambas´ Freund und Talbot-Pilot André Morel überzeugte ihn in dem Plan, mit einem leichten Alu-Coupé-Aufbau in Le Mans anzutreten. Chambas gab beim Karosseriebetrieb Contamin aus Lyon eine Karosserie nach eigenem Entwurf in Auftrag, knapp und sportlich für den Renneinsatz, aber auch elegant für die Straße, insbesondere in dem gewählten kräftig blauen Farbton. Der Radstand war mit 2,65m etwas länger als bei den Werks-Talbots für die Grand Prix- und Sportwagenrennen (2,50m), andererseits aber deutlich kürzer als bei den ab 1946 produzierten Talbot-Straßensportwagen und Luxuslimousinen („T26 Record“).
Einige technische Daten: Sechszylinder-Reihenmotor vorn, Alu-Block und -Zylinderkopf, 93x110mm=4482ccm Hubraum (=26 französische „Steuer-PS“), 2 Ventile pro Zylinder, 2 im oberen Teil des Motors liegende Nockenwellen, 3 Vergaser, knapp 200 PS (4200U/min). 4 Gänge (Wilson-Vorwählgetriebe). Alu-Karosserie auf Leiterrahmen, Starrachse hinten, Blattfedern vorn und hinten. Radstand 2,65m, Spurweite: 1,48m.
Renneinsätze des Coupés in Le Mans: 1949, Startnummer 1, Chambas – Morel. Kurz vor Ende des Rennens lag man auf dem vierten Platz, dann ging in der letzten Runde (!) wohl das Benzin zur Neige, und nach 222 Runden (ca. 3000 km) wurde das Fahrzeug nach alter Le Mans-Tradition als „nicht im Ziel“ gewertet. 1950 starteten die beiden Piloten erneut (Startnummer 6) und erreichten nach 228 Runden (3084 km) Platz 13.
Renneinsätze der offenen Version: Für die Rennsaison 1951 wurde die Coupé-Karosserie vorübergehend entfernt und durch eine bei Tunesi gebaute „Barquette“-Karosserie ersetzt, bereits mit integrierten Kotflügeln und nicht, wie 1951 noch erlaubt, mit frei stehenden Kotflügeln, Rennlackierung im typisch französischen Hellblau. Start in Le Mans 1951 mit der Startnummer 11, wieder mit Chambas und Morel, Platz 17 (226 Runden). Für Le Mans 1952 wurde der Motor durch eine Kompressor-Aufladung verstärkt (ca. 240 PS), erkennbar an einer Lufthutze auf der Fronthaube: Startnummer 6, Chambas – Morel, Platz 9 (235 Runden, 3155 km). Zum letzten Mal startete der Chambas-Talbot in Le Mans 1953, nun bereits gegen deutlich modernere Konkurrenz. Kopilot war dieses Mal de Cortanze. Nach nur 24 Runden war das Rennen für die Startnummer 6 aber bereits beendet. Nach einem Dreher in den „Esses“ traute sich Chambas nicht, das Fahrzeug an dieser unübersichtlichen Stelle zu wenden und fuhr bis zur Hunaudieres-Geraden im Rückwärtsgang weiter. Das nahm das Getriebe allerdings übel: Leider kein positives Ende einer fünfjährigen Le Mans-Karriere.
Aber die Geschichte der Nr. 110 105 war damit noch nicht zu Ende: Nach den Renneinsätzen holte Chambas die alte Coupé-Karosserie wieder hervor und verwandelte den Renner so wieder in einen schnellen Tourensportwagen, den er bis 1957 fuhr und dann verkaufte. Internet-Informationen (2020/2021) ist zu entnehmen, dass sich das Fahrzeug in einer Privatkollektion in der Schweiz befindet und gelegentlich bei Veranstaltungen (Goodwood, Chantilly, Retromobile Paris) zu sehen ist, in anderen Quellen ist das Fahrzeug mit einem Belgischen Kennzeichen zu sehen.
(1) Talbot-Lago T26 GS Le Mans 1951: Das offene Auto – Resine-Bausatz von Renaissance
(Bericht von 2016)
Während das Chambas-Coupé 2020 nur als Bausatz oder als teures Fertigmodell von Renaissance erhältlich war, gab es die offene Version (1951-53) im Maßstab 1:43 schon in kleinster Serie von einem französischen Hersteller (Monteil) sowie vom Schweizer Modellsammler und -bauer Guy Chavannes unter dem Label „GCAM“, hergestellt in einer kleinen Serie von ca. 30-50 Exemplaren. Es ist z.B. bei Grand Prix Models bereits nicht mehr lieferbar.
Vor ein paar Jahren brachte Renaissance, ein seit den 1990er Jahren etablierter und hoch angesehener Bausatz-Hersteller aus Frankreich, den offenen Chambas-Talbot heraus. Der Kit ist so gestaltet, dass jede der drei Le Mans-Versionen (1951, 52 oder 53) gebaut werden kann. Bei Grand Prix Models schreibt man über Renaissance: “Excellent kits, hand-built models, using resin bodies, white metal parts, lots of very fine photo-etching and good decals. Some castings need cleaning. Excellent instructions. Beautifully built models too.” Allerdings liegt der Kit preislich auch im oberen Bereich des Segments, die Auflage liegt wohl auch nur bei ca. 50 Exemplaren.
Wer aus einem Renaissance-Kit ein fertiges Modell herstellen möchte, sollte bedenken, dass die Bausätze durchaus anspruchsvoll sind, jedenfalls nicht so montagefreundlich wie z.B. die Starter- oder Provence Moulage-Kits oder die Bausätze von Marsh Models. Das gilt auch für die hier dargestellte, eigentlich eher einfache offene Verson aus den 1950er Jahren, mit simplen Decals und ohne aerodynamische Beigaben (Spoiler und andere Luftleitbleche). Das liegt einerseits an einer Fülle kleiner und kleinster Teile, insbesondere Ätzteile, andererseits daran – so meine Erfahrung beim Bau des Talbot – dass man hier und da doch nachbessern muss. Insgesamt entsteht am Ende ein vorzügliches und maßstabgerechtes Modell, aber es sind Geduld, eine ruhige Hand, gute Augen und Modellbauerfahrung nötig – kein Bausatz für den Anfänger also.
Ein paar Beispiele seien als Erläuterung genannt: So sind bei der formal gelungenen Resine-Karosserie durchaus noch einige Entgratungsarbeiten notwendig, und die Bodenplatte musste in meinem Fall erheblich angepasst werden, damit sie unter die Karosserie passt: Sie war zu lang und zudem konkav verzogen. Die Ausstattung mit Ätzteilen geht nach meinem Geschmack zu weit: Für den Tankdeckel sind sechs (!) kleinste Teile vorgesehen, einschließlich der Teile zur Tankversiegelung. Außerdem kann ich nicht ganz einsehen, warum das Karosserieelement über dem Beifahrersitz separat als Ätzteil beigefügt wird. Das Auto fuhr nie ohne diese Abdeckung, und das Ätzteil muss in zwei Ebenen gebogen werden, um bündig auf die Karosserie zu passen – das ist nur mit viel Mühe und Geschick möglich. Während das Ätzteil über dem Beifahrersitz die Belüftungsschlitze als Öffnungen realistisch darstellt, müssen sie auf der übrigen Motorhaube mit Farbe oder Decals nachgebildet werden, das schafft leider nicht unbedingt ein einheitliches Bild der Schlitze. Ansonsten tragen die vielen Ätzteile natürlich zu einer sehr schönen Darstellung des Lenkrads, der Armaturen oder der Haubenriemen bei, und Renaissance hat – anders als andere Modellhersteller – auch beachtet, dass der Talbot keinen „normalen“ Mittelschalthebel sondern einen Vorwählhebel an der Lenksäule (hinter dem Lenkrad) hatte. Ein Rückspiegel ist beim 1951er Talbot allerdings auf den Fotos vom Rennen nicht erkennbar.
Aus den hier beigefügten Kopien der Bauanleitung und der Teileliste wird der Charakter des Renaissance-Bausatzes nochmals deutlich. Immerhin: Die beiliegenden Beschreibungen sind äußerst informativ und hilfreich – ein deutlicher Pluspunkt des Bausatzes. Mit der verbalen Bauanleitung in französischer Sprache konnte ich allerdings leider nichts anfangen.
Ein wichtiger Kritikpunkt zum Schluss: Die beigefügte Felgen-/Reifenkombination entspricht wohl den bei Tron lieferbaren Speichenrädern. Die Felgen sind sehr schön filigran, allerdings etwas zu groß (umgerechnet ca. 19-20 Zoll). Das Original fuhr auf 18-Zoll-Felgen, Bereifung 6,50×18. Die beigefügten Reifen sind gemessen daran viel zu schmal, sie würden eher für Rennsportwagen der 1920er Jahre passen. Ich habe daher zusätzlich zum bereits recht teuren Bausatz einen Satz BBR-Speichenräder (19 Zoll) gekauft. Die Felgen sind ähnlich wie im Renaissance-Kit, die Reifen haben aber bei BBR die passenden Maße (Breite, Umfang). Die Felgen müssen allerdings in Alu lackiert werden, Chromfelgen wurden Anfang der 1950er Jahre im Rennsport noch nicht verwendet.
Alles in allem also: Licht und Schatten, kein perfekter Bausatz, einige Herausforderungen beim Bau, am Ende aber ein schönes Modell als Resultat.
(2) Talbot-Lago T26 GS Le Mans 1949: Das Coupé – Resine-Bausatz von Renaissance
(Bericht von 2021)
Der Bausatz wurde in einer Stückzahl von 49 aufgelegt, das hier abgebildete Modell war die Nr. 43. Die Bemerkungen zum Renaissance-Kit des offenen Talbot-Lago können weitgehend für das Coupé übernommen werden. Das 1949er Auto hatte übrigens im Gegensatz zum 1950er im Rennen kein vorderes Kennzeichen, die seitlichen Scheibenrahmen waren nicht – wie 1950 – verchromt, sondern in Wagenfarbe lackiert, und zum Rennstart 1949 waren die Hauptscheinwerfer abgedeckt. Renaissance legt dem Bausatz umfangreiche Beschreibungen bei: Bauplan und Teileliste mit Farbangaben sind für die Montage und Farbgestaltung vorbildlich und korrekt (in Französisch und Englisch).
Als Karosseriefarbe wurde „Dark Blue RAL 5011“ angegeben. Das Coupé ist also deutlich dunkler als die offene Version von 1951-53. Der Renaissance-Kit enthält auch eine A4-Seite mit Farbfotos, z.B. vom Innenraum, als Bau- und Gestaltungshilfe. Die Fotos stammen allerdings vom heutigen Fahrzeug, lt. Kennzeichen in Belgischem Besitz, das deutlich dunkler ist. Einige Details und die Karosseriefarbe entsprechen also nicht dem Stand von 1949/50, trotzdem sind die Fotos sehr nützlich.
Denn auch dieser Bausatz ist wie der oben beschriebene Renaissance-Kit des 1951er Autos in vielen Details eine Herausforderung für den Modellbauer. Beispiele: Die beiden hinteren Tankdeckel bestehen aus je fünf (!) winzigen Ätzteilen, das Lenkrad plus Vorwähl-Schaltung besteht aus elf Teilen usw., siehe Montage-Abbildung. Das halte ich beim Maßstab 1:43 für übertrieben, z.T. wurden beim hier abgebildeten Kit daher ein paar einfachere Lösungen gefunden.
Das Gesamtbild wird leider auch durch zwei Unzulänglichkeiten getrübt: Erstens sind die Reifen, die auf die sehr schönen Speichenfelgen gezogen werden sollen, viel zu dünn, so wie bereits beim Kit des offenen Talbot. Da es im Teilehandel keine passenden Reifen gibt, musste in einen neuen Satz BBR-Speichenräder investiert werden, der Reifen mit passendem Maß liefert. Und zweitens wird die Gestaltung der Fensterpartien massiv erschwert, da dem Modellbauer zur Darstellung der Scheiben nur ein rechteckiges, vollkommen planes Stück Folie zur Verfügung steht – kein passender, geformter Fenstereinsatz wie sonst bei 1:43-Bausätzen, nicht einmal eine Schablone zum Zuschneiden. Da helfen auch die Ätzteile für die Fensterrahmen nicht weiter, im Gegenteil, sie erschweren die Montage zusätzlich.
So perfekt wie beim montierten Modell auf der Renaissance-Webseite wird es wohl nur wenigen Modellbauern gelingen, die Fensterpartien zu gestalten. Die Fotos auf der Renaissance-Seite zeigen im Übrigen zwei Fehler beim 1949er Modell: Der Talbot hatte in Le Mans vorn kein Kennzeichen, und die seitliche Fenstereinfassung war nicht verchromt, sondern dunkelblau lackiert.
Auch hier gilt also das gemischte Gesamtfazit wie beim offenen Modell: Ein guter, aber nicht perfekter Bausatz mit sehr guten Anleitungen und mit einigen Herausforderungen sowie mit zwei störenden Defiziten (Reifen, Fenstereinsätze), und das bei einem relativ hohen Preis. Das Resultat ist am Ende nach viel Geschick, guten Nerven und Geduld aber ganz schön.
Bildquellen (für beide Varianten): Da die Fahrzeuge eher Le Mans-Autos aus dem vorderen Mittelfeld darstellten, sind Fotos nicht allzu üppig und ohnehin nur in SW vorhanden. Neben der Recherche im Internet seien insbesondere die Le Mans-Bildbände empfehlenswert, die die 1950er Jahre abdecken, darunter die Kompendien von Christian Moity und Jean-Marc Teissedre sowie das Buch von Quentin Spurring, Le Mans, The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1949-1959 (Haynes, 2011): Dort sind das Chambas-Coupés (1949, 1950) und das offene Fahrzeug (1951-53) abgebildet: Auf S. 35 die Nr. 1 von 1949, auf S. 57 die Nr. 6 von 1950; sowie auf S. 94 die Nr. 11 von 1951, auf den Seiten 119, 131 und 137 die Nr. 6 (1952) und auf S. 168 die Nr. 6 (1953).